Initiativen gegen Rechts wehren sich gegen die so genannte Demokratieklausel. Nun will das sächsische Innenministerium auch ihre Pressearbeit zensieren
Sachsen ist derzeit das einzige Bundesland, das die umstrittene Extremismusklausel auch auf die Landesförderprogramme gegen Rechts ausdehnt. Das überrascht kaum. Der Freistaat hatte sich frühzeitig mit den Plänen der Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) identifiziert, Antifa- und ähnlichen Initiativen erstens ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abzuverlangen und die Initiativen zweitens darauf zu verpflichten, den Maßstab des Verfassungsschutzberichts auch an ihre Kooperationspartner anzulegen. Wie Schröder ist Sachsens Regierung auf der Suche nach einem Linksextremismus, den man gern mit dem Rechtsextremismus gleichsetzen und von staatlichen Fördertöpfen fernhalten möchte.
Das sächsische Innenmi
he Innenministerium ließ sich schon im November 2010 nicht von Protesten bis tief hinein ins kirchliche Lager gegen die Anwendung der Klausel bei der Vergabe des Sächsischen Demokratiepreises irritieren. Stattdessen kündigte es an, die „antiextremistische Grundsatzerklärung” zur Förderbedingung des Landesprogramms „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ zu machen.Nachdem namhafte Verfassungsrechtler Zweifel an der Verpflichtung anmeldeten, Partner auf ihre Treue zum Grundgesetz überprüfen zu müssen, räumte die sächsische Regierung immerhin eigene rechtliche Bedenken in diesem Punkt ein. Innenminister Markus Ulbig (CDU) legte im Februar eine überarbeitete Formulierung vor. Demnach sollen die Träger eines geförderten Projekts ihre Partner nicht mehr ausspionieren, sondern sich direkt versichern lassen, dass auch diese sich „zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung (…) bekennen und keine Aktivitäten entfalten, die der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widersprechen“.Geldvergabe verzögert sichDoch ist auch „diese so genannte Demokratieklausel vollkommen hanebüchen“, betont Stephan Meister, Sprecher des Netzwerks „Tolerantes Sachsen“, in dem über einhundert Initiativen organisiert sind. Zudem werde „die Arbeit der Initiativen weiterhin behindert“: Die Vergabe der Zuwendungsbescheide, sprich des Geldes, verzögere sich, da die zuständigen staatlichen Stellen sich nicht darüber im Klaren seien, in welcher Form und von wem ein Bekenntnis gefordert werden müsse. Nur eines hat diese Klausel laut Meister bisher erreicht: eine Spaltung zwischen Initiativen, die der Klausel kritisch gegenüberstehen, und denjenigen die vorgeben, kein Problem mit diesem Bekenntniszwang zu haben. Meister befürchtet außerdem, bald werde es noch eine dritte Gruppe der Initiativen geben, die eine Unterschrift schlichtweg verweigern, wodurch die zivilgesellschaftliche Arbeit in Sachsen weiter geschwächt werde.Die sächsische Regierung hält eine Erklärung zur Verfassungstreue weiterhin für notwendig, weil der „Demokratiebegriff“ von Extremisten unterschiedlich ausgelegt werde, erklärt Volker Bandmann, Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Die „ganze Aufregung” versteht er nicht, und sie ist der Regierung offenbar langsam lästig. In den ersten Zuwendungsbescheiden, die bisher beim Kulturbüro Sachsen e.V. und der Opferberatung RAA Sachsen e.V. eingegangen sind, findet sich deshalb der Hinweis, dass der Bescheid nur dann Bestand hat, wenn „die ohne Einschränkungen und Zusätze rechtsverbindlich unterzeichnete Demokratie-Erklärung vorliegt“. Einschränkungen, Zusätze? Einige Wochen zuvor hatte das Netzwerk „Tolerantes Sachsen“ seine Mitglieder dazu aufgefordert, „nicht sprachlos zu bleiben gegenüber dem uns entgegengebrachten unbegründeten Misstrauen“, und der unterzeichneten Demokratie-Erklärung ein Protestschreiben zu Händen des Staatsministeriums beizulegen. Stephan Meister geht davon aus, dass die Konditionierung der Mittelzuweisung sich gegen solche Beifügungen richtet, und rät Betroffenenen dazu, ihre Protestnoten in gesonderten Briefen zu schicken.Der Protest der zivilgesellschaftlichen Initiativen wirkt dabei ebenso unerschrocken wie der Kontrollwille des sächsischen Innenministeriums. Der Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vor extremistischen Bestrebungen der Zivilgesellschaft gegen Rechts hat dabei bereits ein Eigenleben begonnen. Geschützt wird nun auch vor der Kritik am Schutz.So soll ein weiterer Passus in den Zuwendungsbescheiden abweichenden Äußerungen auf Staatskosten vorbeugen: „Alle Öffentlichkeitsmaßnahmen, die das Projekt betreffen, sind mit der Landeskoordinierungsstelle, ggf. der Regiestelle, abzusprechen.“ Dazu gehören Mitteilungen an die Öffentlichkeit. Geschichtskundige könnten sich hier an den Sound des Kulturkampfes im Kaiserreich erinnert fühlen: Mit dem „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ wurden damals alle Presseaktivitäten der Vereine verboten, denen man genannte Bestrebungen anlastete.Verfahren bis zu fünf JahrenIn vielen Details leide die Arbeit gegen Rechts schon unter dem Kampf um die Klausel, erläutert Miro Jennerjahn, demokratiepolitischer Sprecher der Grünen im sächsischen Landtag: Die Einschränkung der Öffentlichkeitsarbeit des Sächsischen Kulturbüros und der Opferberatung sei besonders problematisch. Diese Institutionen erheben und veröffentlichen unter anderem eigene Daten zu rechter Gewalt in Sachsen, die für gewöhnlich von staatlichen Stellen unterboten werden und in der Vergangenheit bei der sächsischen Regierung auf Unmut gestoßen sind.Der SPD-Landtagsabgeordneter Henning Homann betont, „genuine Aufgabe der Zivilgesellschaft ist es, eine kritische Öffentlichkeit herzustellen“. Das habe die sächsische Regierung bis heute nicht verstanden. Ihr „verkümmertes Demokratieverständnis“ spiegele sich in dem Bedürfnis, kritische Meinungen „gezielt kalt zu stellen“. Er kündigte an, die Fraktionen der Grünen, der SPD und der Linken würden erneut einen Antrag einreichen, der die Rücknahme der Klausel und aller problematischen Nebenbestimmungen fordert.Den Initiativen sind die Hände gebunden meint Homann, ein Widerspruch gegen die Klausel und etwaige Nebenbestimmungen zöge ein juristisches Verfahren nach sich, das bis zu fünf Jahre dauern könne. Bis dahin seien die Gelder aber eingefroren und die Initiativen nicht arbeitsfähig.Was freilich die Bundesministerin Schröder von Arbeit entlasten könnte. Im jüngst vorgelegten Haushaltseckpunktepapier des Kabinetts für 2012 erschien ihr Programm „Vielfalt, Demokratie, Toleranz“ um drei Millionen Euro gekürzt. Schröder erklärte, die Einsparungen gingen nicht auf Kosten der Extremismusprävention. Über die einzelnen Programme sei jedenfalls „noch überhaupt nichts entschieden“. Sie ergänzte: „Jeder weiß doch, wie wichtig mir die Programme zur Extremismusprävention sind.“ Wirklich beruhigend für die Zivilarbeiter gegen Rechts dürfte das nicht geklungen haben.