Der Freitag: Weshalb wird der deutsche Finanzminister plötzlich zum Anhänger einer sanften Umschuldung Griechenlands – woher dieser Sinneswandel?
Rudolf Hickel Ordnungspolitisch ist der nicht zu verstehen, denn Schäubles Vorschlag zur Umschuldung hätte – wenn er denn wirksam würde – Rendite-Verluste zu Folge. Die Auszahlungsfrist für eine Staatsanleihe würde verlängert – möglicherweise von fünf auf sieben Jahre. Dazu käme noch eine Reduzierung des Zinssatzes. Allerdings werden in der Wahrnehmung der Finanzmärkte umgeschuldete griechische Staatsanleihen mit dem Etikett Default versehen – das heißt, sie gelten letzten Endes als nicht einlösbar wegen Zahlungsunfähigkeit.
Sie haben damit das vorhersehbare Prozedere beschrieben, aber wo liegt das Motiv für Schäubles jetzige Position?
Wären auch deutsche Gläubiger betroffen?
Wer im einzelnen?
Was würde für sie Umschuldung bedeuten?
Wenn man an die Umschuldung Argentiniens von 2005 denkt, lag der Verlust der Gläubiger letzten Endes bei 66 Prozent ihrer Einlagen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wäre bei Griechenland eine derartige Größenordnung ausgeschlossen?
Argentinien hat diese Enteignung auch wegen der Wechselkursflexiblität recht gut überstanden. Auch Russland ist nach tiefen Einschnitten im Jahr 1998 wieder auf die Kapitalmärkten zurückgekehrt. Für Griechenland signalisieren die Finanzmärkte einen Schnitt von bis zu 50 Prozent, was einer Reduzierung der Gesamtschulden auf etwa 170 Milliarden Euro gleichkäme. Dieser Schnitt würde besonders bei der Europäischen Zentralbank zu massiven Belastungen führen, hat doch die EZB von griechischen Banken Staatsanleihen im Umfang von knapp 100 Milliarden Euro übernommen. Dazu kommen noch die Käufe griechischer Papiere auf dem Finanzmarkt von etwa 40 Milliarden Euro. Hier würde ein gigantischer Abschreibungsbedarf entstehen, denn mit dieser Einkaufspolitik ist die EZB zu weit gegangen.
Ist nicht allein die Aussicht auf einen Schuldenschnitt für die internationalen Finanzmärkten ein Anlass, die Zinsen nach oben zu treiben?
Das Gespräch führte Lutz Herden
Das gesamte Interview mit Rudolf Hickel wird in der Freitag Nr. 25 erscheinen.
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