Sarkozys Bankenabgabe war Unfug

Im Gespräch Ökonom Rudolf Hickel über denkbare Topnoten für Griechenland-Papiere, den Einstieg in die Transferunion und die Notwendigkeit der Emission von Eurobonds

Der Freitag: Lautet die Botschaft des jüngsten EU-Gipfels: Der Euro lässt sich nur noch durch einen Länderfinanzausgleich innerhalb der Eurozone zwischen halbwegs liquiden und halbwegs bankrotten Staaten halten?

Was heißt das?


Aber ist jetzt ein Rettungsmechanismus etabliert, der Großschuldner in der Gewissheit wiegt, wenn es zu arg kommt, bleibt immer noch der Länderfinanzausgleich innerhalb des Euro-Rettungsfonds?



Auf jeden Fall wird aus dem Euro-Rettungsfonds jetzt mehr und mehr ein Europäischer Währungsfonds.


Ja, weil der Rettungsfonds erheblich mehr Kompetenz erhält. Er besorgt sich auf den Kapitalmärkten durch den Verkauf anerkannter Bonds Geld. Und dieses Geld darf er erstmals zum Tausch von Griechenland-Papieren privater Gläubiger in neue Anleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren, niedrigeren Zinssätzen und einem Abschlag von 20 Prozent einsetzen. Kaum bemerkt worden ist, dass der Rettungsfonds nun auch gegen aufkommende Spekulationswellen Anleihen von Krisenstaaten präventiv aufkaufen darf.

Eine Abwehr von weiteren Spekulationen etwa gegen Italien?


Da bleibt nur noch ein kleiner Schritt zur Auflage von Eurobonds. Warum sind die weiter so verfemt? 

Mit der Regelung zum Tausch von Griechenland-Anleihen privater Gläubiger in Bonds, für die der Rettungsfonds haftet, sind praktisch Eurobonds eingeführt. Die Haftung übernehmen ja die Mitgliedsländer im Euroclub. Interessanterweise haben sich hier die Banken nach dem Motto durchgesetzt: Wenn schon 20 Prozent Verlust auf den Nominalwert, dann müssen die neuen Anleihen mit einer Topnote ausgestattet sein. Natürlich wehren sich besonders die deutschen Kritiker von Eurobonds massiv gegen diese Vergemeinschaftung von Haftung innerhalb der Eurozone – sie wollen die Finanzmarktbedingungen für deutsche Anleihen zu Lasten des Euros nicht verwässern lassen. Diese Position vertritt besonders der ehemalige Berater von Angela Merkel und heutige Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Um so mehr sind Eurobonds für diejenigen vernünftig, die der Währungsunion in Europa eine Chance geben wollen. 


Wie realistisch sind die 106 Milliarden Euro, die von den privaten Gläubigern bis 2020 quasi als Opferbeitrag erbracht werden sollen?


Hier wird viel herum spekuliert. Die Doktrin der Freiwilligkeit verhindert genaue Prognosen. Es ist aber vorstellbar, dass die von Deutsche-Bank-Chef Ackermann angekündigten 90 Prozent an Griechenland-Anleihen, die mit einem Abschlag umgetauscht werden sollen, realistisch sind. Denn für die Banken ist diese Beteiligung recht billig. Wer heute als Bank seine Griechenland-Papiere am Markt verkauft, erhält nur noch die Hälfte des Nominalwerts. Durch die Brüsseler Beschlüsse reduziert sich der Abschlag auf 20 Prozent – und die Banken nehmen Anleihen mit bester Qualität ins Portefeuille.


Ist nicht mit größeren Verlusten beim Anleihetausch zu rechnen – etwa durch längere Laufzeiten für Griechenland-Papiere oder geringere Zinsen?

Es sollen Gelder aus dem Euro-Rettungsfonds bei der EZB geparkt werden, um durch Verluste bei den Griechenland-Papieren möglicherweise schwankende Banken aufzufangen. Unterhält die EZB damit quasi einen Banken-Rettungsfonds? Wird sie gar zu einer Bad Bank für private Institute?



Das klingt alles logisch. Aber wird dass Kapital des Rettungsfonds nicht durch eine extreme finanzieller Belastung der Geberländer bereitgestellt?


Welche Vorteile hätte die von Nicolas Sarkozy vor dem jüngsten EU-Gipfel zunächst favorisierte Bankabgabe gehabt?


Die Rede ist jetzt von einer präventiven europäischen Aufsicht über die Wirtschaftspolitik der Euro-Staaten. Ist damit der europäische Finanzminister in Sichtweite? 




Das Gespräch führte Lutz Herden

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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