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Politik : Anstand statt Aufstand

Das Parlament stellt sich zur Lichterkette gegen Rechts auf und hat hier mit einem Mal zu sich selbst gefunden. Wo aber bleiben die Bürger?

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Eine CDU-geführte Regierung verabschiedet im Bundestag gemeinsam mit der Linkspartei einen Appell gegen den Rechtsextremismus. In früheren Zeiten wäre das ein hübsches Beispiel für ein Paradoxon gewesen. Wenn die Flüsse aufwärts fließen und die Hasen Jäger schießen und die Mäuse Katzen fressen – dann erst werden wir unseren Streit vergessen und gemeinsam gegen Rechts aufstehen. Aber unter Angela Merkel wandelt sich Paradoxie in Harmonie: Atomkraft? Abgeschafft. Wehrpflicht? Abgeschafft. Rechtsextremismus? Noch nicht abgeschafft, aber als Feind anerkannt. Ob es an der Kanzlerin aus dem Osten liegt oder ob hier ein zwangsläufiger Fortschritt der Vernunft vorliegt – man erkennt diese CDU nicht wieder.

Vor zehn Jahren noch gab der CDU-Politiker Jörg Schönbohm, damals Innenminister von Brandenburg, einer rechtsextremen Zeitung ein Interview und erklärte, je mehr sich die Öffentlichkeit mit rechten Straftaten befasse, desto höher werde deren Zahl. Es fiel damals auch das Wort vom „verordneten, moralisch überhöhten Aktionismus“. Davon spricht heute niemand. Sondern es erhebt sich der ganze Bundestag, und sein Präsident Norbert Lammert sagt im Namen der Abgeordneten und damit im Namen aller Deutschen, man sei „beschämt, dass die Sicherheitsbehörden der Länder wie des Bundes die über Jahre hinweg geplanten und ausgeführten Verbrechen weder rechtzeitig aufdecken noch verhindern konnten“. Und er entschuldigt sich bei den Hinterbliebenen der Opfer der rechten Mörder dafür, dass sie selbst verdächtigt wurden. Es ist sehr bemerkenswert und überhaupt nicht selbstverständlich, wie sehr die Volksvertreter die rechtsterroristische Mordserie zu ihrer Sache gemacht haben.

Das Parlament hat hier zu sich selbst gefunden. In den vergangenen Monaten ist viel über seine Rolle und seine Kompetenzen gestritten worden. Ob es in der Krise des Kapitalismus und in der Ära der politischen Talkshow noch der Ort der demokratischen Entscheidung und Selbstvergewisserung ist. Angesichts der thüringischen Nazis hat der Deutsche Bundestag es an Entschiedenheit und Deutlichkeit nicht fehlen lassen.

Es ist eine Erleichterung, dass die Abgeordneten aller Fraktionen sich in diese demokratische Lichterkette eingereiht haben – weil die Bürger es nicht tun. Dem Entsetzen der Politik steht kein ebenmäßiges Entsetzen in der Öffentlichkeit gegenüber. Gewiss war Lammerts moralische Bedrückung greifbar, als er an die „ungeheuren Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes“ erinnerte. Und die Politik ist jenseits dieser Dimension auch ernsthaft erschrocken über das Versagen der staatlichen Institutionen. Es steht jetzt nicht weniger zur Debatte als die gesamte Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik. Die Nazi-Morde könnten für deutsche Sicherheitsplaner das werden, was die Anschläge vom 11. September für die USA waren – wenn die Deutschen es besser verstehen als die Amerikaner, vernünftige Lehren zu ziehen.

Gleichzeitig hält sich aber, und auch das ist bemerkenswert, das Erschrecken der Bevölkerung, moralisch oder institutionell, soweit man sehen kann, in Grenzen. Als zu Beginn der neunziger Jahre die Hatz auf Ausländer begann oder zu Beginn des neuen Jahrhunderts Synagogen in Brand gesetzt wurden, da regte sich das, was man den „Aufstand der Anständigen“ nannte. Angesichts des Nazi-Terrors geht es dagegen nur noch um den „Anstand der Zuständigen“ – um ein Wort von Frank-Walter Steinmeier aus der Bundestagsdebatte zu zitieren.

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