Die Blockupy-Aktionstage in Frankfurt zeigen: Die Bewegung gegen das EU-Krisenregime wird zwar immer breiter. Aber die Staatsmacht geht auch immer härter dagegen vor
Am Samstag zogen laut Angaben der Veranstalter mehr als 25 000 Menschen friedlich durch die Frankfurter Innenstadt gegen die europäische Krisenpolitik, die Macht der Banken und – das scheint in Deutschland nötiger als bisher gedacht – für mehr Demokratie. Denn diese Demonstration war eine Ausnahme. Die grundrechtlich verbriefte Meinungs- und Versammlungsfreiheit wurden durch die Stadt Frankfurt für vier Tage außer Kraft gesetzt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hatte Ende vergangener Woche das Verbot für alle angemeldeten Veranstaltungen im Rahmen der Blockupy-Aktionstage bestätigt. Die einige Ausnahme: die Demonstration vom Samstag. Erlaubnis wurde unter der Auflage erteilt, dass alle anderen Demonstrationsverbote eingehalten werden m
üssten. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe lehnte einen Eilantrag der Veranstalter ab. Es sei nicht erkennbar, "dass die Nachteile der Antragsteller im Verhältnis zu drohenden Nachteilen Dritter so schwer wiegen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten wäre", sagte eine Gerichtssprecherin.Katz und Maus in der InnenstadtEin Lehrstück: Zwar ist es nicht neu, dass die Freiheitsrechte in Deutschland gegen das Gut der öffentlichen Sicherheit abgewogen werden und gegebenenfalls nachrangig sind. In diesem Fall wurden jedoch individuelle Grundrechte auf Grundlage einer vollkommen abstrakten Gefahrenprognose ausgehöhlt. Denn keine der mobilisierenden Gruppe hatte zu Gewalt oder Angriffen auf Polizisten aufgerufen, alle bisherigen Anti-Banken-Proteste waren friedlich verlaufen. Auch die im Vorfeld angekündigten Blockaden des Bankenviertels schließen eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen wohl kaum automatisch ein.Selbst gegen die Gerichts-Entscheidung durfte in Frankfurt nicht demonstriert werden, ein Protestzug des Komitees für Grundrechte und Demokratie wurde ebenfalls verboten. Einige Demonstranten hatten sich am Donnerstag dennoch in unmittelbarer Nähe zur Paulskirche versammelt um rein symbolisch Grundgesetzbücher hochgehalten. Bis Freitag hatten sich insgesamt etwa 3000 Personen an illegalen Protestaktionen beteiligt. Sie liefen in kleinen versprengten Grüppchen durch die Stadt, versammelten sich zu kurzfristigen Sitzblockaden, wurden eingekesselt, von der Polizei vorübergehend festgenommen, oder erhielten bis Sonntag Platzverweise für die gesamte Innenstadt. Solche Verbotsverfügungen hatte die Polizei schon im Vorfeld gegenüber rund 400 Personen schriftlich ausgesprochen. Während der Aktionstage behielt sie sich auch vor, ganzen Busladungen potenzieller Protestler das Betreten der Innenstadt zu verbieten.Konkreter als OccupyDie Bilanz ist ernüchternd, auch wenn der Polizei gelang, was den Protestlern doch verboten worden war: Mit weiträumigen Absperrungen verwandelte sie das Bankenviertel in eine Geisterstadt, nachdem sie zum Auftakt der Aktionstage das Occupy-Camp gegenüber der Europäischen Zentralbank geräumt hatte. Ein zweifelhafter Erfolg, zumal das Blockupy-Bündnis wesentlch mehr erreichen wollte, als nur die Anti-Banken-Proteste der Occupy-Bewegung wieder aufleben zu lassen.Das Bündnis aus unterschiedlichen linken bis linksradikalen Gruppen richtete sich vor allem gegen das “Krisenregime” der Europäischen Union, das „Millionen Menschen in vielen Ländern Europas in Not und Elend stürzt“, wie es in dem Aufruf heißt. Das war zumindest inhaltlich wesentlich konkreter als die Occupy-Bewegung es jemals gewesen ist. Auch wenn einige Demonstrationsteilnehmer am Samstag auf Transparenten proklamierten, die "99 Prozent" gegenüber dem Rest zu vertreten, die wiederum auf anderen Spruchbändern als Finanzhaie, Spekulanten und Banker bezeichnet wurden, so hielt sich diese stark simplifizierte Form der Kapitalismuskritik doch einigermaßen in Grenzen.Beachtlicher ErfolgDie meisten Rednerinnen und Redner an diesem Tag waren um eine soziale und solidarische europäische Perspektive bemüht. Die Europäer sollten sich nicht gegeneinander ausspielen lassen und nicht die Griechen, Spanier und Portugiesen zu Sündenböcken der Krise erklären. Man müsse vielmehr gemeinsam gegen „den permanenten Existenzkampf“, die „Finanzdiktatur“ und „niedrige Löhne“ vorgehen.Anschliessend zog ein nicht enden wollender bunter Zug Menschen von etwa 25.000 Menschen – entgegen aller Prognosen – friedlich am Main entlang und durch die Frankfurter Innenstadt. Das ist trotz allem ein beachtlicher Erfolg für die globalisierungskritische Bewegung. Die Occupy-Proteste brachten im vergangenen Jahr in Frankfurt zu Hochzeiten gerade mal 10.000 Demonstranten auf die Straße. Ob dies tatsächlich als Zeichen für das Erstarken dieser Bewegung gelten kann, ist schwer auszumachen. Auch in Veranstalterkreisen wird davon ausgegangen, dass die Empörung über Versammlungs- und Demonstrationsverbote mobilisierende Wirkung hatte. Medial blieben die Proteste so oder so eine Randnotiz.