Der Gesetzesentwurf, den Bundesministerin Kristina Schröder vorlegt hat, offenbart, was viele wahrscheinlich längst geahnt haben: Das Betreuungsgeld ist in dieser Form eine reine Ablasszahlung, die jahrzehntelange Versäumnisse in der Familienpolitik verdecken und legitimieren soll. So heißt es darin: „Es schließt die Lücke im Angebot staatlicher Förder- und Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren.“ Für dieses Schließen sollen im nächsten Jahr 0,4 Milliarden Euro und ab 2014 jährlich 1,2 Milliarden Euro ausgeben werden. Steuergelder, versteht sich. Und das ist der eigentliche Skandal: Die große Lücke, die hier zu Recht benannt wird, soll im Grunde mit einem Sandkörnchen geschlossen werden.
Um zu verstehen, warum dieses Betreuungsgeld so zynisch ist, muss man zwei Dinge unterscheiden: Es gibt Menschen, die entscheiden sich bewusst gegen eine Betreuungseinrichtung; andere fühlen sich dazu gezwungen, weil es zu wenige Kitas gibt und zu wenige neu entstehen. Derzeit fehlen 160.000 Plätze, um genau zu sein! Dass diese Lücke ab 2014 mit einer lächerlichen Zahlung von 150 Euro vom 13. Lebensmonats eines Kindes an, – also nach Ablauf des Elterngeldes – geschlossen werden soll, ist angesichts des tatsächlichen Ausfalls an Einnahmen für eine Familie ohne Kitaplatz ein blanker Hohn.
Der Staat soll Entschädigung zahlen
In Wahrheit müsste man ein Gesetz beschließen, das diesen Eltern eine Entschädigung zahlt. Dabei sollte das letzte Einkommen der betreuenden Person VOR der Geburt berücksichtigt werden, das ja im Antragsverfahren zum Elterngeld sowieso ermittelt wurde. Genau dieselbe Summe hat der Staat ab dem 13. Monat zu 100 Prozent bis zu jenem Zeitpunkt zu zahlen, ab dem es für das Kind endlich einen Kitaplatz gibt. So stelle ich mir die konkrete Ausgestaltung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz mindestens vor, liebe Frau Schröder. Der positive Nebeneffekt wäre, dass dann wahrscheinlich auch endlich mehr Väter zuhause bleiben würden. Die Argumentation des „Sichlohnens“ des Zuhausebleibens würde sich nämlich schlagartig umdrehen.
Es gibt natürlich auch Eltern, die sich freiwillig entscheiden, ihr Kind zu Hause zu betreuen, um es erst im Alter von drei Jahren in eine Kindertageseinrichtung zu geben. Wenn Kristina Schröder ihr Vorhaben verteidigt, klingt es aber immer so, als gäbe es nur diese Gruppe. Warum, wieso und weshalb Eltern sich so entscheiden – da gebe ich der Ministerin einmal Recht – ist deren private Angelegenheit, darin sollte sich der Staat nicht einmischen. Schon gar nicht moralisch urteilen.
Für diese Menschen gibt es aber bereits das Elterngeld. Das müsste reformiert werden. Und nicht ein Betreuungsgeld eingeführt werden. Denn der zentrale Aspekt soll doch die Wahlfreiheit sein! Aus Sicht der Eltern ist das: die Wahl zwischen Job und Familie. Mit Blick auf die Kinder: die Wahl zwischen Eltern und Kita. Die Wahl zwischen Job und Familie ist aber nur dann tatsächlich frei, wenn Arbeit und Familie gleich bewertet werden. Das war ja die große und anerkennungswerte Leistung der ehemaligen Familienministerin Ursula von der Leyen: Mit der Einführung des Elterngeldes hat sie beide Sphären – zumindest zeitweise – auf Augenhöhe gestellt. Was vor allem positive Auswirkungen auf die Einstellung von Männern zur Kindererziehung mit sich brachte. Wenn wir nun aber von 150 Euro Betreuungsgeld sprechen, ist klar: Das Betreuungsgeld ist ein reines Frauengeld. Almosen irgendwie.