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Kultur : Der ewige Häftling

Die Pocken gelten als ausgerottet. Geheime Pockenvorräte wurden selbst im Irak nicht gefunden. Doch in US-Labors werden einige Viren noch aufbewahrt. Wozu eigentlich?

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Vor zwölf Jahren hatte man das Ende schon beschlossen: Sie sollten vernichtet werden, ein für alle mal aus der Welt geschafft, als Opfer des medizinischen Fortschritts in die Geschichtsbücher verbannt. Dasselbe entschied man nochmal vor neun Jahren. Und vor sechs.

Insofern ist es fast Tradition, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO nun erneut über das Schicksal der verbliebenen Pocken-Bestände berät. Bis Mai soll die Entscheidung über ein Virus fallen, das der Menschheit Jahrtausende lang Tod und Elend bescherte. Bis in die fünfziger Jahre hinein starben weltweit jährlich zwei Millionen Menschen an der Infektion mit dem Variola-Virus, eine wirksame Therapie existierte nie – einmal erkrankt, ließ jeder Dritte sein Leben. Die Genesenen blieben meist gezeichnet. Erst eine bis heute beispiellose globale Impfkampagne der WHO eliminierte den Erreger binnen 12 Jahren: Seit 1977 sind keine Fälle mehr dokumentiert, die Krankheit gilt seit 1979 als ausgerottet. Dass das Virus einfach so wieder auftaucht, ist unwahrscheinlich – der einzige Wirt des Erregers ist der Mensch. Warum also sollte man die 571 verbliebenen Phiolen Variola-Virus in den Labors der US- Seuchenbehörde CDC und den VECTOR-Laboratorien nahe Nowosibirsk nicht vernichten, bevor sie durch einen Fehler oder Unfall freigesetzt werden?

Wissenschaftler pochen auf ihr Recht: Sie wollen am Virus basteln, Tiermodelle entwickeln, ein Medikament für eine wirksame Therapie in Händen halten, bevor ihnen das Original genommen wird. Ein Gutachten legte im Oktober aber offen, dass diese Forschung in weiten Teilen auf das Virus verzichten kann. Das andere, recht angestaubte Argument: Nach 9/11 galten die Pocken als einer der dirty six, als Terror-relevante Biowaffe. Mittlerweile sind sich Experten aber sicher, dass keine geheimen Pockenvorräte existieren – selbst im Irak fand man keine. Und die Impfung bleibt ohnehin verfügbar, weil sie seit ihrer Entwicklung durch Edward Jenner Kuhpockenviren enthält, also Vaccinia-, nicht Variolaviren. Nach heutigen Standards keine optimale Impfung, weil aktive Kuhpocken für immunschwache Menschen gefährlich werden können. Aber für den Notfall wäre sie genau so da, wie sie schon für die Ausrottung da war.

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