Was tun, wenn's brennt?

Kampagnenkritik Mit großem Aufwand bewirbt Sat.1 seinen Zweiteiler "Die Grenze", in dem Deutschland wieder geteilt wird. Dabei tut man so, als wäre man politisch

Jede Fiktion beginnt mit der Frage: "Was wäre, wenn...?" Bei Sat.1 und der Produktionsgesellschaft Teamworx hat man sich nun dieses Ausgangspunkts erinnert, um ein Szenario zu entwerfen, das reale Elemente und apokalyptische Visionen, Politik und Unterhaltung, große Emotionen und tiefgreifende Fragen miteinander verbinden soll. Ins Rennen um die beste 20.15-Uhr-Quote schickt man an diesem Montag- und Dienstagabend einen "Event-Zweiteiler", in dem Deutschland wieder gewaltsam geteilt wird.

Die Handlung: Nach Terroranschlägen und Wirtschaftskrise erstarken in Deutschland rechts- und linksextreme Parteien. Um den Vormarsch der rechtsextremen DNS zu stoppen, unterstützt die Regierung heimlich die "Neue Linke", deren Parteilogo – nun ja – eine leichte Ähnlichkeit zu einer real existierenden Partei aufweist. Der Vorsitzende der Neuen Linken ruft dann die "demokratische sozialistische Republik Mecklenburg-Vorpommern" aus und spaltet damit Deutschland. So weit, so weimaresk.

Es braucht noch Überhöhung

Bemerkenswerter als die eigenwillige Besetzung – Katja Riemann spielt die Bundeskanzlerin und man denkt unweigerlich: "Merkel hat sich aber verändert" – ist aber noch die aufwändige Kampagne, die den Zweiteiler begleitet. Seit Wochen sind Plakatwände mit Bildern von Stacheldraht und zerrissener Deutschlandfahne beklebt. Und im Internet versucht man den Film vor der Ausstrahlung noch die nötige Überhöhung mitzugeben, alles um die Ausgangsfrage "Was wäre, wenn...?" gruppiert.

Auf der Homepage findet sich etwa ein Polit-O-Meter ("Teste, wo du stehst"), wie ihn sonst Polit-Magazine mit ihrer Sonntagsfrage betreiben. Da kann man dann kruden Aussagen zustimmen oder auch "eher nicht" zustimmen. Wie hält man es zum Beispiel damit: "Wenn die Polizei versagt, sollten Parteien mit eigenen Sicherheitskräften für Ordnung sorgen dürfen"? Oder auch: "Mitglieder der regierenden Partei sollten mehr Rechte und Vorteile genießen." Na, vielleicht doch eher dafür?


Hat man sich durchgeklickt, bekommt man eine prozentuale Wahrscheinlichkeit genannt, mit der man entweder der rechten DNS oder der Neuen Linken zuneigt. Das versteht man bei Sat.1 dann wohl unter anspruchsvoller Unterhaltung. Die Grenze zwischen Fiktion und Realität soll aufgeweicht werden. Erschreckender als die platten Fragen ist dabei höchstens noch die Tatsache, dass viele journalistische Webseiten ähnliche Klickgeneratoren mit vergleichbaren Fragen einsetzen. Der Privatsender imitiert hier nur das Surrogat politischer Auseinandersetzung, wie es auch andernorts häufig anzutreffen ist.

Entlang des "Was wäre, wenn..."-Motivs sind noch weitere Fragen zur Abstimmung gestellt. Die Ergebnisse werden sauber nach Bundesländern aufgesplittet, wie am Wahlabend. So erfährt man immerhin, dass das Zentrum der Separatisten gar nicht in Mecklenburg-Vorpommern liegt, sondern in Bayern und Niedersachsen. Auf die Frage "Was wäre, wenn Deutschland wieder durch eine Mauer geteilt wird?" antworteten in Bayern 47 Prozent und in Niedersachsen 43 Prozent mit "Das fände ich gut".

Die wird Katja Riemann dann wohl auch nicht mehr umstimmen.

Der Fernseh-Zweiteiler "Die Grenze" läuft am 15. und 16. März jeweils um 20.15 Uhr auf Sat.1.

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