Leseprobe : Wirkung, Kultur und Geschichte von Cannabis

Neugierig auf Cannabis – mit oder ohne Erfahrung? Was macht den Reiz wirklich aus? Abseits von Klischees geht es in diesem Buch um mehr: Welche Chancen bietet der legale Zugang für uns alle? Zeit, den Rausch und seine Wirkung neu zu entdecken

Eine „420“-Flagge vor dem Berliner Fernsehturm: Hanfparade 2024 – Cannabis ist in Deutschland seit dem 1. April 2024 legal

Foto: Tamir Kalifa/Getty Images

Zum Kommentar-Bereich
101 Gründe, Cannabis zu lieben

101 Gründe, Cannabis zu lieben

Michael Carus und Dr. med. Franjo Grotenhermen

Softcover (farbig illustriert)

240 Seiten

24,80 €

In Kooperation mit Nachtschatten Verlag 2025

101 Gründe, Cannabis zu lieben

Heißhunger nach Cannabiskonsum

Cannabiskonsumenten kennen den Effekt: Nach dem Cannabiskonsum kann es zu Heißhunger und regelrechten Fressattacken kommen. Im Mittelpunkt stehen dabei oft Süßigkeiten, aber auch alle anderen leckeren Speisen. Erfahrene Kiffer lernen, damit umzugehen und – vor allem – gar nicht erst mit dem genussvollen Essen anzufangen Geschmackserlebnis.

Für kranke Menschen, die ihren Appetit verloren haben, wie zum Beispiel während einer Chemotherapie (Krebs), kann dieser Effekt von großem Nutzen sein.

Um herauszufinden, was die Fressattacken auslöst, fütterten Tamas Horvath von der Yale University und seine Kollegen gentechnisch veränderte Mäuse mit Cannabis und beobachteten, was in ihren Gehirnen vor sich ging.

Paradoxerweise wird der unstillbare Hunger von Nervenzellen ausgelöst, die normalerweise den Appetit zügeln. Der Hauptwirkstoff von Cannabis, THC, bindet im Gehirn an den so genannten Cannabinoid-1-Rezeptor (Endocannabinoidsystem) und sorgt dafür, dass man Lust auf Essen bekommt. Damit man sich aber nicht völlig überisst, gibt es im Gehirn auch Nervenzellen, die das Hungergefühl normalerweise wieder abschalten, sobald man satt ist.

»Wir waren überrascht, dass die Nervenzellen, die eigentlich den Hunger dämpfen sollten, plötzlich aktiv wurden und den Appetit der Mäuse steigerten, obwohl die Tiere satt waren«, berichtet Horvath.

Verantwortlich für die gestörte Hungerkontrolle scheint eine veränderte Zusammensetzung von Signalstoffen im Gehirn zu sein. Demnach sorgt THC dafür, dass Nervenzellen, die eigentlich den Hunger stoppen sollen, plötzlich die falschen Botenstoffe dafür produzieren. So erhält der Körper die Anweisung, immer weiter zu essen.

Endgültig geklärt seien die Hunger-Attacken durch Cannabiskonsum damit aber noch nicht, berichtete Horvath. Viele weitere Funktionen in der Zelle würden über den Cannabinoid-1-Rezeptor gesteuert, auch sie könnten bei den Fressattacken eine Rolle spielen. Auch das gesteigerte Geschmackserlebnis dürfte hierzu beitragen.

Interessanterweise entwickelt sich auch gegen den Heißhunger eine gewisse Toleranz. Dies erklärt, warum gewohnheitsmäßige Cannabiskonsumenten im Durchschnitt einen eher geringeren Body-Mass-Index (BMI) – ein Maß für Fettleibigkeit – haben als Nichtkonsumenten.

Duftstoffe: Wie beeinflussen sie das Aroma verschiedener Cannabissorten?

Die mehr als 120 bekannten Cannabinoide sind die charakteristischen Inhaltsstoffe der Cannabispflanze. Diese sind allerdings nicht für den typischen Geruch von Cannabisprodukten verantwortlich. Der Geruch basiert vor allem auf Terpenen, auch ätherische Öle genannt, und flüchtigen Schwefelverbindungen.

Bisher wurden in verschiedenen Hanfpflanzen mehr als 200 verschiedene ätherische Öle nachgewiesen. Die meisten kommen auch in anderen Pflanzen vor. Zu den sogenannten Monoterpenen der Cannabispflanze zählen:

Beta-Myrcen, Beta-Limonen, Beta-Ocimen, Bisabolol, Borneol, Gamma-Terpinen, Alpha-Terpinen, Alpha-Terpineol, Alpha-Pinen, Beta-Pinen, Linalool, Camphen, Terpinolen, Alpha-Phellandren, Gamma-Cadinen, Delta-3-Caren, Fenchol und 1,8-Cineol (Eucalyptol), Myrcen, Phytol.

Zu den sogenannten Sesquiterpenen zählen:

Beta-Caryophyllen, Caryophyllen-Oxid, Humulen (Alpha-Caryophyllen), Beta-Elemen, Guaiol, Eudesmol-Isomere, Nerolidol, Gurjunen, Gamma-Cadinen und Beta-Farnesen.

Verschiedene Cannabissorten weisen unterschiedliche Mischungen dieser Verbindungen auf. Einige dieser Terpene sind charakteristisch für bestimmte Pflanzen. So ist etwa Beta-Limonen ein wichtiges Terpen in Zitrusfrüchten und Alpha-Pinen ist ein dominierender Inhaltsstoff von Nadelhölzern.

Terpene können bei der Differenzierung der Wirkungen verschiedener Cannabissorten eine Schlüsselrolle spielen. Einige Terpene können Entspannung und Stressabbau fördern, während andere möglicherweise Konzentration und Sehschärfe fördern.

Erst 2021 wurde eine weitere Gruppe von Cannabis-Inhaltsstoffen entdeckt, die für den stechenden Geruch verantwortlich ist. Es ist eine Familie von prenylierten flüchtigen Schwefelverbindungen. Forscher aus den USA und Großbritannien analysierten dazu Blüten von 13 Cannabissorten. Das Team identifizierte sieben Schwefelverbindungen in der am schärfsten riechenden Sorte, von denen einige auch in anderen Sorten vorkommen. Insbesondere eine Verbindung,

3-Methyl-2-buten-1-Thiol, die als VSC3 bezeichnet wird, war die am häufigsten vorkommende VSC in den Sorten, welche die Forscher als am stechendsten wahrgenommen hatten.

Hier und Jetzt – Cannabis hilft, im Jetzt anzukommen

Um das Leben in vollen Zügen zu genießen, gibt es nur eine Zeit: die Gegenwart, das Hier und Jetzt: Die einzige Zeit, in der das Leben wirklich stattfindet.

Im Hier und Jetzt zu leben, klingt so schön, und doch fällt es vielen Menschen unglaublich schwer, den Augenblick zu spüren und sich ganz auf ihn einzulassen. Das gilt besonders für heutige Menschen, die einem ständigen Bombardement von Informationen und sozialen Interaktionen ausgesetzt sind, wo Multitasking und Ablenkungen zum Alltag gehören, wo Vergangenheit und Zukunft ständig präsent sind.

Da ist es leichter gesagt als getan, Zukunft und Vergangenheit einfach loszulassen. Aber im Hier und Jetzt zu leben und zu üben, unseren Geist und unser ganzes Sein auf den Augenblick auszurichten, ist die Formel, die uns wirklich Glück und Zufriedenheit bringen kann.

Denn es sind unsere Gedanken, die uns davon abhalten, die Dankbarkeit und den Frieden des Augenblicks zu genießen. Cannabis kann Menschen helfen, den Moment zu genießen. Die lustvolle, hedonistische Fokussierung der Aufmerksamkeit und die Intensivierung der Sinneseindrücke helfen, im Hier und Jetzt anzukommen. Man konzentriert sich mehr auf seine Sinneseindrücke und Körperwahrnehmungen. Die Vergangenheit und die Zukunft verlieren an Bedeutung. Man atmet, fühlt, ist präsent und mehr mit sich selbst verbunden, die Gedanken befreien sich vom flüchtigen Alltag. Man kann dies auch als den »Zen-Effekt« von Cannabis bezeichnen. So wird als wichtiger Konsumgrund für Cannabis »Um mehr zu genießen, was ich gerade tue« angegeben.

Das Hier und Jetzt steht in engem Zusammenhang mit hedonistischen Erfahrungen, Sich-Einlassen-Können und der Verzauberung der Welt. Auch beimsexuellen Erleben ist es wichtig, im Hier und Jetzt zu sein, ebenso wie bei Heiterkeit und Lachen. Auch Fantasie und Wachträume entführen einen in den Augenblick.

Articles & Services

Was wir über Cannabis wissen sollten

Was wir über Cannabis wissen sollten

219 Millionen Menschen weltweit konsumieren Cannabis – doch warum übt die Pflanze eine so große Faszination aus? In „101 Gründe, Cannabis zu lieben“ liefern Physiker Michael Carus und Mediziner Dr. Franjo Grotenhermen fundierte, spannende Antworten

Zwei Experten, ein gemeinsames Anliegen

Zwei Experten, ein gemeinsames Anliegen

Zwei Pioniere, ein Thema: Michael Carus, Hanfexperte und Mitgründer der EIHA, und Dr. Franjo Grotenhermen, renommierter Cannabismediziner, bündeln ihr Wissen. Gemeinsam zeigen sie, was Cannabis für Gesellschaft, Medizin und Industrie leisten kann

Cannabis: Pflanze mit vielen Facetten

Cannabis: Pflanze mit vielen Facetten

„In der Forschung werden die Folgen und Risiken des Cannabiskonsums untersucht und diskutiert. Oft wird zum Beispiel darüber diskutiert, ob Cannabis bestimmte psychische Erkrankungen auslösen kann – oder nicht.“

Wie viel kiffen wir wirklich? | SWR

Vor Glück weinende Kiffer, eine Oberstaatsanwältin mit riesiger Hanfpflanze im Büro und was der Urin aus Stuttgart über Cannabiskonsum verrät – das alles siehst Du hier

Cannabis-Mythen im Check | WDR

Rund um Cannabis ranken sich viele Mythen: Es sei harmlos, weil es ja nur eine Pflanze sei – nach dem Kiffen sei man gut drauf. Und süchtig werde man davon eh nicht, oder?

Wie gefährlich ist Cannabis? | Quarks

Ein Joint kann nicht nur entspannen oder die Stimmung aufhellen. Es gibt Studien, die zeigen, dass Psychosen im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis auftreten können – aber nicht jeder bekommt auch eine Psychose. Woran liegt das?

Kiffen für alle? | Arte

Seit April 2024 ist der Cannabiskonsum in Deutschland legal. Doch zentrale Fragen sind noch offen: Woher sollen bis zu 400 Tonnen Cannabis, die in Deutschland jährlich konsumiert werden, kommen?