Deutlich spürbar ist auch der wachsende Drang der Musik, sich einzumischen und Position zu beziehen. So spielen soziale und politische Themen der Gegenwart eine zentrale Rolle im diesjährigen Monat der zeitgenössischen Musik.

Keyti, der bei der KlangKunstBühne (3.9.) einen Workshop gibt, hat mit dem Journal Rappé eine Art Bürger-Kunst-Journalismus mit tiefgreifenden Kommentaren zu politischen, sozialen und wirtschaftlichen Themen im Spannungsfeld von Journalismus, Kunst und Aktivismus, entwickelt. Die Marc Sinan Company macht in»Human Commodity«(17.9, Spreehalle Berlin) die Geschichte der Zwangsarbeit in Berlin zur Zeit der NS-Diktatur hörbar; ergänzt durch Sonic Bike Touren mit fahrenden Instrumenten vonKaffe Matthews(17.9, Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit).

Das Y-E-S Kollektiv hinterfragt in seinemY-E-S-Fest(10.-11.9, Uferstudios) das durchrationalisierte Zeitregime des Kunstbetriebes und stellt als Alternative die sozialen Aspekte des Zusammenkommens ins Zentrum, ohne dabei künstlerische Ansprüche und musikalische Entdeckungen aus den Augen zu verlieren: Es gibt Workshops zur Pflanzenkunde von Hildegard von Bingen und zu choreografischem Aktivismus in Feriengebieten eine Kopfhörer-Klanginstallation, die sich mit der Architektur des öffentlichen Raumes beschäftigt. Mit dabei sind Marcela Lucatelli, Viola Yip, Jessie Marino, Ehsan Shayanfard, Lucien Danzeisen u.v.m.

Überhaupt bieten sich im Rahmen des Monats der zeitgenössischen Musik zahlreiche Möglichkeiten der Partizipation. DasFestival für selbstgebaute Musik(4.9., Holzmarkt ) beispielsweise würde ohne die aktive Einbindung des Publikums gar nicht funktionieren. Gleiches gilt für »Urban Miniatures«, bei denenDieOrdnungDerDingePassant*innen dazu einlädt, den Alltag neu wahrzunehmen.

Klang und Ökologie

Während des MdzM werden nicht nur unsere Beziehungen untereinander reflektiert, sondern auch die zu unserer Umwelt. So tritt beispielsweise das Reanimation Orchestra (17.9. ) in einen gleichberechtigten musikalischen Dialog mit den kreuchenden und fleuchenden Klangerzeugern der unmittelbaren Umgebung der Floating University, die Konzertinstallation »flowers & frequencies« von AnA Maria Rodriguez (24.+25.9., FAHRBEREITSCHAFT) untersucht die akustischen Beziehungen zwischen Bienen und Blumen und »obitop:biotop« von und mit Ulrike Brand (9.9.) widmet sich dem Spannungsverhältnis vom Todesort zum Lebensort der Zitadelle Spandau, die heute Naturschutzgebiet und Heimat einer Fledermaus-Kolonie ist. Lena Mahler und Christina Ertl-Shirley gehen indes in »Totes Holz« (29.9., ausland) den verborgenen und offenbaren Beschaffenheiten von Totholz und den in es eingeschriebenen ökologisch-künstlerischen Fragen auf die Spur und lassen ihre Untersuchungen zu Partituren, audiovisuellen Skulpturen und Klangportraits werden.