In den Vereinigten Staaten saß im vergangenen Jahrzehnt zeitweise fast 1% der erwachsenen Bevölkerung im Gefängnis. In Deutschland sind die Zahlen deutlich niedriger. 172 Justizvollzugsanstalten gibt es hierzulande, in denen an die 60.000 Menschen eine Strafe verbüßen. Doch auch hier sind 95% der Insassen Männer – und damit auch Söhne, Partner, Ehemänner und Väter, die Lücken in ihren Familien hinterlassen. Und damit sind es auch in Deutschland vor allem Frauen und Kinder, die die Auswirkungen einer Inhaftierung direkt in ihrem Leben zu spüren bekommen.
Gerade Kinder leiden unter dem Kontaktentzug während der Inhaftierung eines Elternteils. Für sie es ist schwer verständlich, warum der eigene Vater nicht rechtzeitig am Geburtstag anruft oder beim Familienurlaub fehlt – Erfahrungen, die hierzulande rund 100.000 Kinder machen. Zwar dürfen sie ihren Vater in Haft besuchen, aber die Besuchszeiten sind knapp bemessen. Nur ein bis vier Stunden Besuch im Monat sind gesetzlich garantiert. Zugleich ist es für Kinder meist eine schwierige Erfahrung, den eigenen Vater im Gefängnis zu erleben. Sie sind verwirrt von der streng regulierten Besuchssituation; der Kontrollverlust und das Ohnmachtsgefühl, von den Behörden abhängig zu sein, weitet sich auf die Familie aus.
Für die Ehefrauen und Mütter ist der Wegfall des Partners und zweiten Elternteils häufig eine überfordernde Erfahrung. Als Quasi-Alleinerziehende stemmen sie die emotionalen Lasten der Familie. Hinzu kommt: Eine Haftstrafe ist auch eine finanzielle Herausforderung. Das einzige oder zweite Familieneinkommen entfällt, bei Leistungsempfänger*innen werden Bezüge gekürzt. Die Anfahrt zu Gefängnisbesuchen muss bezahlt werden, genauso die Telefonate in die JVA oder das Versenden von Paketen. Auch Anwaltskosten werden häufig von Familienangehörigen übernommen und nicht selten tilgen Frauen die Schulden ihres inhaftierten Partners und unterstützen ihn bei der Anschaffung von Kleidern, Hygieneartikeln oder einem Fernsehgerät im Gefängnis.
Es ist ein Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, dass sich die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ausschließlich gegen den Verurteilten selbst richtet und doch werden Familien durch eine Gefängnisstrafe in sozialer und finanzieller Hinsicht „mitbestraft“.
In ähnlicher Weise färbt auch das Stigma der Straffälligen auf ihre Angehörigen ab. Betroffene berichten, dass sich Freunde und Familie von ihnen abwenden. Häufig schämen sich Angehörige für die Tat und ihre Folgen. Die Liebe zu einem straffällig gewordenen Menschen fühlt sich selbst wie ein Verbrechen an. Angehörige verschweigen, dass sie einen Partner oder Elternteil im Gefängnis haben und isolieren sich. Die Konsequenz: Gefängnisinsassen und ihre Familien verschwinden aus dem öffentlichen Blick.