Wir wissen ziemlich viel darüber, wie die Liebe beginnt und wenig darüber, wie sie weitergeht. Meine Großmutter hat meinen Großvater, der an Alzheimer erkrankt war, bis zum Schluss gepflegt. Ich hatte ein enges Verhältnis zu den beiden, besuchte sie häufig. Mit den Jahren hat die Krankheit meinen Großvater verändert. Gleichzeitig wandelte sich die Beziehung meiner Großeltern, obwohl die beiden schon so viele Jahrzehnte zusammen waren. Trotz aller Herausforderungen war da plötzlich eine Zuneigung und Verschworenheit spürbar.
In diesen letzten gemeinsamen Jahren habe ich meine Großeltern auf eine neue, vielschichtigere Art kennengelernt. In ihrer Widersprüchlichkeit und Überforderung einander vollkommen ausgeliefert und dabei so tief verbunden, wie es nur zwei Liebende sind. Mitzuerleben, was es wirklich bedeutet, das Alter gemeinsam zu bewältigen, empfand ich als tröstlich und beängstigend zugleich.
Dabei stehen Alter und Sterben weit oben auf der Liste der Themen, die wir so lange wie möglich verdrängen, obwohl beides so selbstverständlich ist. Der nahende Verlust eines geliebten Menschen ändert das. Plötzlich rücken Fragen und Gefühle in den Fokus, die in unserem Alltag sonst keinen Platz haben. Was ist am Ende eines Lebens wirklich wichtig? Ich habe mich damals gefragt, ob man eine so lange Beziehung vielleicht erst in dieser letzten gemeinsamen Lebensphase wirklich begreifen kann.
Von der Filmidee bis zum ersten Drehtag sind dann mehrere Jahre vergangen. Mit Eva und Dieter habe ich 2018 zwei außergewöhnliche Menschen kennengelernt, die bis zum Schluss eine glückliche Beziehung geführt haben: mit gegenseitigem Respekt, mit Interesse und Neugier, mit Nachsicht, Humor und Hingabe. Ich bin dankbar für die intensiven Gespräche und Momente, die ich mit den beiden teilen durfte.
Meine Perspektive auf das Alter, die Liebe und das Sterben hat sich durch die Arbeit an diesem Film verändert. Es ist für mich eine ermutigende Erfahrung, dass uns ein Leben, in dem wir intensive und ehrliche Beziehungen führen, am Ende hilft, dem Tod friedlicher zu begegnen.
Pia Lenz, August 2023