Der Film beginnt mit einem Obdachlosen, der nach einer Zwangsräumung Selbstmord begeht, und folgt dann Orsolya, der Gerichtsvollzieherin, die die Zwangsräumung durchgeführt hat. Wie haben Sie die Geschichte um diese Situation herum aufgebaut?
Das ist eine schwierige Frage, denn dieses Projekt ist eigentlich schon sehr alt. Die Anregung für die Geschichte kam aus einem Zeitungsartikel, den ich vor Jahren über eine ähnliche Situation gelesen hatte. Ich notierte sie mir und schlug sie sogar einmal einem rumänischen Fernsehsender für einen Fernsehfilm vor, aber daraus wurde nichts. Mit der Zeit ging mir die Geschichte nicht mehr aus dem Kopf, vor allem als die Immobilienentwicklung und die Ungleichheit in Rumänien immer deutlicher wurden. Trotz steigender BIP-Zahlen ist die Kluft zwischen Arm und Reich nur größer geworden, und das ist sehr beunruhigend.
Sie haben Roberto Rossellini als einen wichtigen Einfluss auf diesen Film erwähnt. Inwiefern?
Für mich braucht eine Geschichte auch eine bestimmte Form, nicht nur eine Erzählung. Irgendwann habe ich einen Artikel über Rossellinis Europa '51 gelesen und mir den Film noch einmal angeschaut. Ich war beeindruckt von der Thematik – eine Frau, die von Schuldgefühlen geplagt wird und nach Erlösung sucht. Ich sah Parallelen zu meiner Geschichte und beschloss, diese Themen aufzugreifen, aber auf eine Weise, die weniger metaphysisch tragisch ist und mehr auf einer sehr zeitgenössischen Mischung aus Komödie und Drama beruht – man könnte sagen, mein Film ist eine Art Karikatur von Rossellini. Und es gab noch einen weiteren Einfluss: ich habe mir noch einmal Psycho von Hitchcock angesehen, der die Struktur des Films inspiriert hat. Psycho beginnt mit einem Opfer und verlagert dann den Fokus auf den Täter. Ich bin dieser Idee gefolgt: Die Geschichte des Obdachlosen geht über in die von Orsolya. Sie ist nicht die Mörderin, aber auf symbolische Weise hat sie das Gefühl, dass sie in gewisser Weise mitschuldig sein könnte, wie alle anderen auch. So wurde der Film entwickelt.
Er ist ein offensichtlicher Kommentar zu den sozialen und politischen Problemen im heutigen Rumänien. Wie Sie sagen, mischt der Film einen Hauch von Tragödie mit Elementen der Komödie. Würden Sie ihn als Satire bezeichnen?
Sie haben die sozialen und politischen Aspekte erwähnt, und das stimmt auch. Ich würde auch die ethische Dimension hinzufügen – die Schuldgefühle und das moralische Dilemma, in dem sich die Hauptfigur befindet. Aber es ist ein bisschen lächerlich, weil es ein moralisches Dilemma ist, das erst nach den Ereignissen auftritt, nachdem der Schaden bereits angerichtet wurde. Ich bin mir nicht sicher, ob „Satire“ das beste Wort dafür ist. Sie könnten Recht haben, aber ich habe nicht die gleiche distanzierte Perspektive wie ein Kritiker oder ein Zuschauer. Für mich geht es eher darum, die Lächerlichkeit und die Dramatik der Situation gleichzeitig zu erkunden. Im Kern geht es um eine Tragödie, aber wie die Menschen darauf reagieren, kann absurd sein. Wenn wir unsere eigenen Reaktionen auf Tragödien hinterfragen, finden wir sie oft an der Grenze zur Lächerlichkeit.
Wo sehen Sie diese Art von Reaktion heute?
Nehmen wir globale Krisen wie die in der Ukraine oder in Gaza. Manche Menschen fühlen sich gut, weil sie in den sozialen Medien manchmal wie besessen über diese Themen posten, aber dann teilen sie 15 Minuten später ein Bild von ihrem Mittagessen oder einer süßen Katze. Ich verurteile das nicht – ich tue das auch – aber ich finde, dass diese Widersprüche eine komödiantische, fast balzacsche „menschliche Komik“ aufweisen. Es ist weniger eine Satire und mehr eine Reflexion über die Absurdität und Komplexität menschlicher Reaktionen.
In ähnlicher Weise fühlt sich die Hauptfigur schuldig und versucht, ihr Gewissen durch kleine Taten zu beruhigen, etwa indem sie linke Literatur liest oder an gemeinnützige Organisationen spendet. Aber das sind unzureichende Maßnahmen angesichts der systemischen Probleme, an denen sie mitschuldig ist. Spiegelt ihr Schuldgefühl die Grenzen des individuellen Handelns im Rahmen des allgemeinen Wirtschaftsmodells wider?
Ich wehre mich gegen diesen Gedanken, nicht weil er falsch wäre, sondern weil es die Aufgabe eines Kritikers oder Theoretikers ist, vom Besonderen auf das Allgemeine zu schließen. Für mich ist es etwas Persönliches und Kleines: eine Geschichte über jemanden mit guten Absichten, jemanden, der gutherzig und gewissenhaft ist, aber dennoch im System gefangen ist. Die meisten von uns haben Momente, in denen wir Ungerechtigkeit um uns herum sehen – zum Beispiel einen Obdachlosen – und uns schrecklich fühlen, aber dann weitergehen. Vielleicht spenden wir Geld, um unser Gewissen zu beruhigen, aber wir wissen, dass das keine wirkliche Veränderung bewirkt. In Rumänien wird dieses Gefühl durch die Geschichte des Landes noch verstärkt. Nach der Ceaușescu-Diktatur erfolgte der Übergang nicht zu einem sozialdemokratischen Modell, sondern zu einem neoliberalen mit wenig sozialem Schutz. Orsolyas Schuld spiegelt dieses allgemeine Systemversagen wider, aber der Film konzentriert sich auf ihre individuellen Erfahrungen, anstatt eine große ideologische Aussage zu machen. Ich erinnere mich auch daran, dass Carlo Ginzburg, einer meiner Lieblingshistoriker, erklärt, dass der Fall interessanter ist als die Regel. Ich versuche also, mich auf das Besondere, auf die Details dieses Falles zu konzentrieren.
Der Film spielt in Cluj, einer Stadt im Herzen Transsylvaniens, die sich in den letzten Jahren stark verändert hat. Wie wirkt sich die Umwandlung der Stadt in eine „Smart City“ und ein Touristenziel auf die Erzählung und die Erfahrungen der Figuren aus?
Cluj ist ein komplizierter Fall. Einerseits gilt die Stadt als Erfolgsgeschichte. Dort boomt die IT-Industrie, die Bevölkerung wächst, und die Stadt gilt im Vergleich zu anderen rumänischen Städten als moderner und zivilisierter. Allerdings ging dieser Erfolg mit Gentrifizierung und chaotischer Stadtentwicklung einher, vor allem in der Peripherie der Stadt. Die Stadt ist von Hügeln umgeben, so dass die Ausdehnung der Stadt auch auf die umliegenden Dörfer übergegriffen hat, wie das Dorf, in dem Orsolya wohnt. Diese Dörfer sind schnell gewachsen, oft ohne angemessene Infrastruktur, Schulen oder Krankenhäuser. Ich wollte die Erfolgsgeschichte von Cluj mit den Geschichten derjenigen kontrastieren, die zurückgeblieben sind – die Verlierer dieses wirtschaftlichen Wachstumsprozesses. Das ist ein Gegengewicht zur triumphalen Geschichte der Entwicklung.
Der Film zeigt einige beeindruckende Aufnahmen von Dinosaurier-Statuen. Was steckt hinter dieser Wahl?
Das war eigentlich Zufall! Wir haben in der Nähe eines Hotelkomplexes namens Wonderland gedreht, das uns freundlicherweise den Aufenthalt gesponsert hat. Hinter dem Hotel befand sich ein Dino-Park, und als ich ihn sah, dachte ich, das wäre perfekt. Ursprünglich hatten wir eine Szene im Wald geplant, aber ich habe sie durch die Dinosaurier ersetzt. Symbolisch gesehen kann das auf eine Welt hindeuten, in der es keine Menschen mehr gibt – eine Art posthumane Zukunft. Aber diese Dinosaurier sind auch eine Attraktion für Touristen, sie spiegeln also wider, wie alles, auch das Prähistorische, kommerzialisiert wird. Es ist ein Bild mit offenem Ausgang, und ich denke, man könnte einen ganzen Aufsatz über seine Bedeutung schreiben.
Lassen Sie uns über die Schauspieler:innen sprechen. Wie haben Sie Eszter Tompa, die Orsolya spielt, gecastet und wie haben Sie mit ihr gearbeitet?
Dieser Film wurde direkt im Anschluss an ein anderes Projekt gedreht. Mit der gleichen Crew und vielen der gleichen Schauspieler:innen habe ich nämlich eine sehr freie Adaption des Dracula-Mythos gedreht. Eszter Tompa hatte in Dracula eine kleinere Rolle. Bei den Proben wurde mir klar, dass sie perfekt für diese zweite Rolle geeignet ist. Sie ist unglaublich talentiert und gehört der ungarischen Minderheit in Rumänien an, was der Geschichte eine weitere Ebene hinzufügte, die sich mit der Geschichte Transsylvaniens und dem heutigen Nationalismus befasst.
Warum haben Sie die Projekte direkt hintereinander gedreht, und warum haben Sie ein iPhone verwendet? Verstärkt der ungeschliffene Charakter des Films das Thema?
Es war kosteneffizient. Die Crew und die Ressourcen waren bereits vorhanden. Was das iPhone betrifft, es ging darum, diese Einfachheit zu nutzen. Die Technologie ist jetzt sehr kostengünstig, und ich wollte beweisen, dass man auch mit minimalen Mitteln einen Film machen kann. Es ist, als würde man zu den Grundlagen des Kinos zurückkehren, zu den Brüdern Lumière. Wir haben den Film in 10 oder 11 Tagen gedreht, ohne Beleuchtung und ohne Grip-Ausstattung, nur mit Dialogen und an natürlichen Schauplätzen. Das war sehr befreiend. Es steht auch im Zusammenhang mit Rossellinis Idee, mit einer „Armut der Mittel“ zu drehen. Viele Filme über Armut oder soziale Gewalt werden mit Multimillionen-Dollar-Budgets gedreht. Da gibt es manchmal ein Missverhältnis, und dagegen wollte ich vorgehen. Natürlich war der Film nur möglich, weil alle mitgewirkt haben: die Schauspieler:innen, die Crew, die Produzenten:innen – ein großes Dankeschön an alle!
Wie passt dieser Film zu Ihrer gesamten Filmografie?
Ich habe mich schon immer für Geschichte interessiert, und dieser Film spiegelt das wider. Aber er ist anders, weil er so einfach ist. Die Dialoge, die minimale Inszenierung und die Konzentration auf Worte unterscheiden ihn ein wenig vom Rest meiner Arbeit. Auch die Montage von Gebäuden gegen Ende, die die Erzählung in Bilder auflöst, fühlt sich neu an. Es ist eine Rückbesinnung auf das Potenzial des frühen Kinos. Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der mir erst später bewusst wurde, und den ich in einer Kontinuität mit einigen meiner letzten Filme sehen kann: der Wunsch nach Dokumentation, wenn ich mich so ausdrücken darf. Einige meiner letzten Filme sind entweder montierte Dokumentarfilme oder Spielfilme, die auch dokumentarische Elemente enthalten. Ich habe das Gefühl, dass diese dokumentarischen Teile den Film in gewisser Weise in der Realität verankern. Oder vielleicht auch nicht, es ist einfach ein Bedürfnis. Deshalb wird die Fiktion hier durch einfache dokumentarische Aufnahmen von Gebäuden aus den Gegenden, in denen sich die Geschichte abspielt, unterbrochen. In gewisser Weise hat der Film zwei Handlungsstränge: den fiktionalen und den dokumentarischen, und am Ende hat der dokumentarische die Oberhand.
Wo sehen Sie sich heute innerhalb des rumänischen Kinos und was ist von der rumänischen Neuen Welle übriggeblieben, die vor fast 20 Jahren einen solchen Einfluss hatte?
Ich versuche einfach, die Filme zu machen, die ich machen will, ohne besondere Ambitionen, mit der Brillanz meiner Kollegen mitzuhalten. Die Filmemacher:innen der Neuen Welle machen immer noch hervorragende Filme, aber ich denke, dass das rumänische Kino von einer größeren Vielfalt an Stimmen und Stilen profitieren könnte. Mein Vorbild, was Umfang und Vielseitigkeit angeht, ist das portugiesische Kino, das erfolgreich sowohl kommerzielle als auch experimentelle Werke umfasst. Es gibt viele Talente in Rumänien, darunter eine vielversprechende junge Generation, und ich bin zuversichtlich, dass sie weiterhin faszinierende Filme produzieren werden. Ich habe noch einmal gelesen, was ich gesagt habe, und es hört sich an, als ob ich zu viel höflichen Blödsinn rede, also weiß ich es nicht.