Omar
Geboren 1989 in Berlin-Neukölln als Sohn eines Clanchefs und einer Großcousine mütterlicherseits, durchlief Omar früh die Schule des Lebens: Nach seinem ersten Taschengeld-Deal im Alter von elf Jahren (eine gefälschte Pokémonkarte gegen einen echten Fuffi) war klar: Dieser Junge hat Unternehmergeist. Er arbeitete sich in der großfamiliären Parallelwirtschaft schnell nach oben und erweiterte mit Drogen- und Waffenhandel das väterliche Netzwerk. Sein Gesinnungswandel kam mit seiner eigenen Vaterschaft: Seit seine 8-jährige Tochter Dalia – radikalisiert durch ein Grundschulprojekt zum Thema Mikroplastik – ihn fragte, ob auch er ihr „die Zukunft klaut“, ist Omar ein anderer Mensch. Er kompensiert CO₂-Emissionen mit Clan übergreifenden Baumpflanzaktionen in Brandenburg, vertreibt sein Kokain nur noch in recycelbaren Cellulose-Beuteln und experimentiert mit fair gehandelten Koka-Blättern aus Bio-Kooperativen.
Delphine von Plettenburg
Geboren 1996 auf einem heruntergewirtschafteten Bioweingut in der Südpfalz, Tochter eines verarmten Nazi-Adligen und einer skandinavischen Klangschalentherapeutin, die kurz nach Delphines Geburt mit ihr und ihrem damals einjährigen Bruder vor dem deprimierenden Landleben und ihrem zunehmend radikalisierten Ehemann ins ebenfalls nicht gerade gut gelaunte Berlin floh. Schon als Kind zerlegte Delphine gerne ihre Spielzeuge und skalpierte ihre Barbie, um zu sehen, ob sich in ihrem perfekten Schädel ein Gehirn findet. Sie studierte kurzzeitig Modedesign in Antwerpen, brach aber ab, nachdem ein Dozent ihre Entwürfe als „zu ideologisch für den Laufsteg“ bezeichnete. Nach einem psychedelisch geprägten Winter in einem Tiny House bei Wittenberge entwarf sie ihre erste genderflexible Puppe mit abnehmbaren und immer wieder neu kombinierbaren primären und sekundären Geschlechtsteilen. Sie verkauft ihre Puppen unter dem Label „Plüsch ist politisch“ auf Designmärkten, queerfeministischen Festivals und in Copyshop-Hinterzimmern. Ihr Mission: Die radikale Dekonstruktion binärer Plüschwelten.
Fritz von Plettenburg
Delphines Bruder Fritz von Plettenburg, geboren 1995, stammt, logisch, ebenfalls aus einem der ältesten, inzwischen völlig mittellosen Adelsgeschlecht der Südpfalz. Nach mehreren abgebrochenen Ausbildungen, zweifelhaften Pop-up-Konzepten, einem illegalen Bällebad-Club für Erwachsene mit sehr renitentem inneren Kind und einer semi-erfolgreichen Kleindealerkarriere hat Fritz beschlossen, sich zu beruhigen. Seine Drogenphase endete filmreif mit einer Verwechslung, einem Koffer voller Kichererbsen und einer dreistündigen Verfolgungsjagd auf einem Elektroroller durch den Wedding. Heute lebt er „übergangsweise“ bei seiner Schwester in einer knäpplich bemessenen Zweizimmerwohnung. Auf deren Balkon hält er zwei Bienenvölker, deren Honig Fritz’ Rückkehr in die prekäre Erwerbstätigkeit sichern soll.
Peter Harminski
Peter wurde 1975 in Berlin-Köpenick geboren und verlebte seine Kindheit zwischen Aquarienverein, obskuren VHS-Kursen und der ständigen Sehnsucht nach einem sinnvollen Leben. Er hatte nie große Ziele, nur die Idee, dass seine künftige Karriere irgendetwas „mit den Händen“ und „nicht komplett falsch“ sein sollte. Nach mehreren halbherzigen Anläufen (unter anderem einer Ausbildung zum Umwelttechnischen Assistenten, abgebrochen wegen chronischer Schludrigkeit) landete Peter schließlich im Einzelhandel, genauer gesagt in einem Bioladen mit anthroposophischer Ausrichtung. Dort war er acht Monate lang für Nuss-Sortierung und Fensterputzen zuständig, bis er im Kundenkontakt die Nerven verlor. Heute ist Peter Berlins vermutlich einziger Krabbenfischer, der sich in der Spree dem Lebendfang widmet. Sein ganzer Stolz ist seine hausgemachte Remoulade mit bestürzend hohem Rapsöl-Anteil. Er trinkt seit Jahren, meist nach Feierabend, manchmal auch davor, und behauptet gerne, das sei Teil seiner „künstlerischen Routine“, denn den besten Ausgleich zu seinem überschaubar stressigen Krabbenfischerjob findet er seit einiger Zeit in der Malerei.
Charlotte Heinze
Geboren 1974 in Berlin-Friedrichshagen, als jüngstes von vier Geschwistern und einziges Familienmitglied mit Interesse an ironischer Distanz. Studierte zunächst Vergleichende Literaturwissenschaften und verließ die Uni nach acht Semestern mit einer Magisterarbeit über „Nebel als Erzählstruktur bei Marguerite Duras.“ Nach dem Studium folgte eine Sammlung befristeter Lebensabschnitte: Charlotte arbeitete als Bühnenansagerin im Kindertheater Prenzlauer Berg, war Aushilfe in einem Weinladen, Touristenführerin auf dem Spreedampfer „MS Eierschale“ und jobbte in Teilzeit bei einem Start-up für „nachhaltige Umzüge“, das nach 5 Tagen Insolvenz anmeldete. Heute lebt Charlotte mit ihrem Mann Peter, dem nach eigener Aussage „einzigem anerkannten Sumpfkrabbenfischer Berlins“, und dem gemeinsamen Sohn Sid in einer stark renovierungsbedürftigen Erdgeschosswohnung.
Kafka
Geboren 1969 in Berlin-Friedrichshain zwischen Hausbesetzung und Heizölmangel, wurde Kafka nie offiziell eingeschult, sondern einfach geduldet: von Nachbarn, Lehrkräften und später auch von den Behörden. Er schlug sich zeitlebens mit Gelegenheitsjobs durch, als Pausenfüller auf Lesebühnen, Pilzverkäufer und Plakatierer für Avantgarde-Theaterstücke. Später rutschte er in die „transsibirische Kleinwarenlogistik“ ab, also in den internationalen Kleinschmuggel, und glitschte von dort weiter in den Dealerjob. Der Spitzname Kafka stammt aus der Zeit, in der er einen selbst zusammengezimmerten Kiosk auf dem Mittelstreifen der Frankfurter Allee betrieb, in dem er abgelaufene Lutscher und kleine Mengen Benzodiazepine verkaufte. Auf ein Schild über dem Ausgabefenster hatte er mit Edding das Kafka-Zitat „Vor dem Gesetz steht ein Türhüter“ geschrieben, so kam er zu seinem Spitznamen.