Wichtige Blogs II

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Das Fragen hat sich gelohnt. Nicht, dass ich jetzt wesentlich besser wüsste, warum scheinbar wichtige Blogger Männer sind. Darauf gibt es keine einfache Antwort. Aber es gab viele Denkanstöße und gemeinsam denken führt bekanntlich weiter.

Es haben viele mitgedacht. Hier gab es 35 Kommentare und beim Originalartikel 14.

Vielen Dank!

Bevor ich weiter unten die Reaktionen zusammenfasse, die schönsten Zitate wiederhole und auf andere Artikel zum Thema verweise, möchte ich auf einen Text hinweisen, den ich gerade bekommen habe und sehr hilfreich und informativ fand:

Schönberger, Klaus: Doing Gender, Kulturelles Kapital und Praktiken des Bloggens. In: Hengartner, Thomas/ Simon, Michael (Hg.): Bilder – Bücher – Bytes. Berlin 2008 (im Druck).

Außerdem sind bei freitag.de zwei aktuelle Texte erschienen, die auch gern noch kommentiert werden dürfen: Canesco: Wichtige Bloggerinnen! und Verena Reygers von der Mädchenmannschaft: Nicht an den Rand drängen lassen!

Die Reaktionen:

Wenn ich jetzt mal die weglasse, die die Fragestellung falsch finden oder irrelevant, dass keine "wichtigen Blogs"von Frauen geschrieben werden, bleiben verschiedene interessante Gedanken.

Ohne ordentlich Empirie betrieben zu haben ist mein Eindruck, dass vor allem das Bewertungssystem in Frage gestellt wird. Wie wird das Wichtige wichtig? Diese Zweifel teile ich. (Hier wäre interessant, sich genauer damit zu beschäftigen, wie es kommt, dass das interaktive Web den Eindruck erweckt, horizontaler, offener, demokratischer, partizipativer zu sein und dann das genaue Gegenteil eintritt: totale Exklusion.)

Entsprechend wird die Frage, ob es wünschenswert sei, dass auch Frauen Alpha-Bloggerinnen seien, durchaus auch negativ beantwortet. Stark vereinfacht: Nur die Alpha-Blogger und ihre LeserInnen finden die anderen Alpha-Blogger wichtig.

Das teile ich so nicht, denn dass die als wichtig erklärten Blogs dadurch an Wichtigkeit zunehmen, macht ja das Problem aus. Ich zumindest schreibe nicht nur, weil ich dabei die Befriedigung empfinde, etwas zu schaffen. Ich habe durchaus auch ein Sendungsbewusstsein und das beinhaltet, dass ich viele Leute erreichen will. Und hätte gern eine Welt, die etwas vielfältiger ist als eine, die aus deutschen Männern zwischen 35 und 45 (+x) besteht.

Mein Ziel wäre also nicht, den Ruf und Ruhm der Alpha-Männchen anzukratzen, sondern das ganze zu verbreitern.

Disclaimer: hier wird (absichtlich) vereinfacht und verallgemeinert. Die Zugriffszahlen etc. lassen sich nicht wegdefinieren und mir geht es nicht darum, die Alpha-Blogs schlecht zu schreiben. Ich lese die teils selber gerne. Ich bin aus dem Alter raus, in dem es mir darum ging, Männern persönlich Schuld für irgendwas in die Schuhe zu schieben. Mich interessieren die Strukturen, die dazu führen, dass von Gleichberechtigung weit und breit nichts zu sehen ist. Und dabei ist Gleichberechtigung nicht das Ziel meiner Träume, sondern wäre eher die Grundlage für weiteres.

Weitere Thesen:

  • Frauen schreiben viel und gern, kümmern sich aber nicht aktiv darum, bemerkt zu werden
  • An Zeitmangel kann es bei Frauen nicht liegen, denn bei Online-Spielen liegt die Frauenquote deutlich über 50%.
  • Die Rankings bilden die Blogosphäre nicht annähernd korrekt ab
  • Männer verhalten sich in der relativen Anonymität des Netzes weniger kontrolliert
  • Frauen bilden weniger Netzwerke / unterstützen sich gegenseitig weniger / haben keine funktionierenden Seilschaften
  • Männer sind stärker daran interessiert, ihre Meinung durchzusetzen
  • Frauen nehmen Männer (und Frauen) als wichtig war, Männer nehmen Männer als wichtig war
  • Das Netz bildet die reale Welt ab und die ist entsprechend / Die Situation spiegelt die Situation von Frauen im Journalismus
  • Netzpolitik bewegt nur das Netz. Wer in der realen Welt was ändern will, beschäftigt sich mit was anderem

Interessante Zitate:

"Das Hauptproblem sehe ich allerdings darin, dass die meisten Frauen bereits die Erfahrung gemacht haben, dass "ihre" Themen generell als oberflächlich und unwichtig abgetan werden, und deshalb gar nicht erst versucht wird, auf die Außenwelt zuzugehen."

"Ich persönlich finde nicht, dass man dieses Problem lösen muß. Wenn man es lösen wollte, würde am Ende passieren, was auch in der Wirtschaft passiert. Die paar erfolgreichen Frauen sind dann überangepasst und verhalten sich genau so rücksichtslos wie Männer. Da ist dann auch der Vorteil gegenüber Männerblogs weg. Ich bin eher dafür, die Männer in ihrem Selbstdarstellungs-Sumpf sitzen zu lassen und am Rande ein paar kleine und feine Frauenblogs zu betreiben."

"In China gibt es Bloggerinnen, deren Reichweite größer ist als die aller deutschen Blogger zusammen. Deutschland, eine verkappte Monarchie, eine typische Männergesellschaft, zufällig und ungewollt mit Demokratie in Berührung gekommen, ..."

"Wir müssen wohl einsehen, dass viele Männer von der Gleichberechtigung, die sie den Frauen zugestehen, die sie manchmal sogar fordern, nicht überzeugt sind und dass sie auch nie wirklich darüber nachgedacht haben."

"hier paart sich das schmoren im eigenen sagt mit ideenlosigkeit und das endet meist im jammern. z.b. schreibt man dann internetmanifeste oder beklagt sich darüber, dass blogs sich nicht/kaum finanzieren."

"Ich würde (...) nicht ganz unbeachtet lassen, dass auch jede Menge Männer aus sozusagen 'unmännlichen' Gründen, keine Technikfreaks, nicht so dominant, nicht profilneurotisch usw., es nicht nötig haben in den hippen Sphären in Ego zu bewähren."

"Eine Art self-fulfilling prophecy, was die Einflusstärke von Meinungen angeht. Männer sind einflussreicher, weil man glaubt, dass sie einflussreicher sind."

"Es ist ein wenig so wie die gemischten Fußballmannschaften auf dem Bolzplatz: Kann man mal machen, aber richtig hart Fußball spielen geht besser ohne Frauen. Diese Einstellung tritt beim Diskutieren auch auf (sublim, sublim)."

"Insgesamt ist es halt so, dass Niggemeier und Co. als deutsche Blogpioniere gelten und sich demnach ihre Lorbeeren gegenseitig immer wieder aufs Neue zuschieben und sich wenig Mühe gemacht wird, auch mal aus diesen verkrusteten Strukturen auszubrechen. Eigentlich ein Armutszeugnis für ein auf die Partizipation aller ausgerichtetes Medium."

"Eine Anmerkung aber noch zu den Kochrezepte- und Strickseiten: ich finde es zumindest nicht verwunderlich, dass solche klischeehaften Frauenthemen in Blogs nicht allzu populär werden, gelingt dies doch den männlichen Klischees in Form von Technik- und Heimwerkerblogs ebensowenig. Kein allzu großer Verlust, ist doch das Ziel gerade das, als Bloggerin ohne Herd-Konnotation ernst genommen zu werden."

"Meine persönliche These zur Thematik kreist aber eher um die Behauptung, dass genau diese interessanten Themen rund um Politik und Gesellschaft im Netz zwar beliebt sind; um Politik zu machen oder die Gesellschaft zu prägen bewegt man sich aber besser ("effektiver", da größere Reichweite) in der realen Welt. Vielleicht sehen Frauen einfach nicht den Sinn, ihre Belesenheit einem kleinen Kreis zu beweisen, sondern wenden sie lieber an um wirklich etwas zu verändern. Hoffen wir's."

Es gab auch viele Hinweise zu Texten, die sich mit dem Thema beschäftigen und/oder die gleiche Frage gestellt haben, davon zwei als Reaktion auf meinen Artikel:

Auch die kommen im großen und ganzen zu dem Schluß, dass es eine Frage der Wahrnehmung und Bewertung ist. Frauen bloggen viel und gut, Männer auch, jeweils auch viele nicht so viel und nicht so gut. Außerdem gibt es die als wichtig wahrgenommenen Blogger, und dieses Phänomen verstärkt sich selbst.

Ich muss sagen, dass es mir nicht reicht zu wissen, dass Frauen das genauso gut oder besser können und dass es auf die Anerkennung nicht ankommt. Ich halte das sehr wohl für ein Problem. Es bleibt nämlich nachhaltig der Eindruck, dass die Blogs der Männer doch irgendwie besser sind. Und das ist die Wurzel eines ganz zentralen Übels.

Schade, dass sich die Alpha-Blogger nicht angesprochen fühlen, mit Ausnahme von Fefe. Sicher macht es keine Freude, quasi unverschuldet so ein nerviges Problem auf den Tisch zu kriegen. Aber wenn wir jetzt mal davon ausgehen, dass es keinen geheimen Männerzirkel gibt, der im Hinterzimmer ausgeheckt hat, dass die Frauen nicht mitmachen dürfen, dann müsste es ja eigentlich im Interesse aller sein, zu etwas zivilisierteren Formen zurückzukehren.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Anne Roth

Anne Roth schreibt ins Netz seit 1999 / beruflich Referentin für Netzpolitik der Linksfraktion im Bundestag / parteilos / Fokus: DigitaleGewalt

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden