Schulgeschichten II

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Durch die Sache mit der Ablehnung der Jugendweihe kam ich nicht zum Abitur, sondern in eine „Allgemeinbildende Zehnklassige Polytechnische Oberschule“. Dass ich eine miserable Beurteilung mitbekam, hat mir – viel später – meine Klassenlehrerin mal erzählt. In der Schule war es ganz lustig, obwohl in der ersten Woche ein Trauerfall zu verzeichnen war. Vor einem Bildnis des verstorbenen DDR-Präsidenten standen - mühsam das Grinsen verbeißend - zwei Schüler im FDJ-Hemd. Das hatte wenig mit dem Verstorbenen zu tun und viel mit der Albernheit in unserem Alter.

Das Lernen war auch da nie mein Problem. Ich war allerdings nie Klassenbeste, stets die Dritte, nach den beiden fleißigen ordentlichen Mitschülerinnen, die es so gab. Jungs waren nie Klassenbeste.


Verliebt in einen Zustand


Ich hatte – wie immer – eine große Klappe, war die Kleinste in der Klasse. Dafür trieb ich den Physiklehrer zur Verzweiflung, der ständig glaubte, ich hätte ihn auf dem Kieker, dabei war es umgekehrt. Außerdem wandte ich mich verstärkt dem anderen Geschlecht zu. Ich verliebte mich – ohne auf Gegenliebe zu hoffen -ständig in einen Mitschüler und wich andererseits denen aus, die sich für mich interessierten. Ich wollte gar nicht mit jemandem „fest“ gehen, ich wollte von der Liebe träumen, nicht von der Zukunft in den eigenen vierWänden oder so etwas. Ich war völlig perplex, dass sechszehnjährige Mitschülerinnen davon träumten und nicht von einem ganz anderen Leben.


Ein bisschen ... von allem


Ein Leben in Paris zum Beispiel, in einer Welt des Denkens in „philosophischen Kellern“ und interessanter, komplizierter völlig perspektivloser Liebesbeziehungen. Damals kam der erste Roman von Francoise Sagan raus mit dem Titel: „Bonjour tristesse“. Ich lieh mir das Buch im Pfarrhaus aus. So wollte ich leben, so versponnen, geheimnisvoll und selbstsicher – und auch ein bisschen böse wäre ich gern gewesen – ein bisschen niederträchtig wie die junge Heldin in diesem Roman.

Immer ein bisschen. Ich hatte es mit den Franzosen, immerhin stamme ich ja – was den Vater betrifft – „ein bisschen“ aus der Gegend.


Ich sah aus wie ein Pilz


Ich toupierte mir die Haare wer weiß wohin und trug unter dem Sommerkleidchen einen monumentalen Schaumstoffpetticoat, der in einem der Westpakete war, die meine Mutter hin und wieder bekam. Ich sah wie ein Pilz aus.

Komischerweise galt ich als seltsam in der Schule, aber war beliebt. Vielleicht weil ich bereitwillig vorsagte, ganze Russischarbeiten abschreiben ließ und gern blöde Witze machte. Bei einem kürzlichen Schultreffen erzählte mir eine Klassenkameradin, wir seien die einzige Familie gewesen, bei der es gebratene Tomaten gegeben hätte. In Leipzig damals ganz außergewöhnlich. Man sieht also, auf welch trivialer Basis mein exzentrischer Ruf stand.


Es kam der Sommer 1961. Als wir nach den Großen Ferien im September wieder in die Schule kamen, waren einige Lehrer nichtmehr da. Unsere Klassenlehrerin meinte zu uns, es stehe jetzt auf Messerschneide, was einen Krieg beträfe, sie war überhaupt immer sehr ehrlich und fügte ihre eigene, unkonventionelle Meinung den offiziellen zu. Von Krieg war offiziell nämlich nie die Rede, sondern vom zuverlässigen Schutz unserer Grenzen.

Später landete sie wegen versuchter Republikflucht im Gefängnis, arbeitete natürlich danach nicht mehr im Schuldienst, sondern in der Deutschen Bibliothek. Wir hielten lange Jahre noch Kontakt.


Rock’n Roll im Jugendclub


Ich beschäftigte mich in dieser Zeit mit Rock’n Roll und einem neuen Jugendklub in unserer Straße, wo man so was tanzen konnte. Ich stritt mit meinem Bruder, der mich dort nicht sehen wollte und plötzlich die Rolle des Erziehers oder Vaters übernehmen wollte und auch meine Mutter in seine Bemühungen einbezog. Es gab immer Ärger und dramatische Schlachten in unserem Haus. Ich siegte aber nicht immer. Eigentlich liebte ich ihn ja auch, diesen sehr leichtfertigen, hübschen großen und unbeständigen Bruder, der die Mädchen im Stadtbezirk aufmischte und ansonsten – bis auf den heutigen Tag – eine schillernde Existenz geblieben ist.

Ich schwänzte weiter die Schule und machte meiner Mutter noch immer allerlei Vorschläge, was die Erstellung von Entschuldigungszetteln betraf.

Eines Tages kam ich heulend von derBeerdigung eines Freundes, der mit seiner MZ verunglückt war und traf auf dem Wege meine Klassenlehrerin. Die verlangte, dass ich von nun an jedes Fehlen mit einem ärztlichen Attest zu belegen hätte. Das war eine schwierige Kiste und ich musste mich eine Weile am Riemen reißen.

Ohnehin war das Schuljahr zu Ende und die Prüfungen für den Schulabschluss standen an. (Fortsetzung wahrscheinlich)




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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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