S21 - Presserklärungen: der Parkschützer; der Juristen

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Presseerklärung der Parkschützer zur 2. Runde der Schlichtungsgespräche:

Fazit der Parkschützer über zweites Gespräch

Stuttgart, 29. Oktober 2010: Beim zweiten Gespräch zu Stuttgart 21 ging es heute erneut um die Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofs Stuttgart 21 und um die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm.

„Es ist erschreckend, wie dürftig und schwach der Planungsstand der Bahn ist. Seit 16 Jahren wird nun an Stuttgart 21 herumgeplant. Und nun ist Bahn nicht einmal in der Lage, einen sinnvollen, kundenfreundlichen Fahrplan für diesen so aufwändig geplanten Bahnhof vorzulegen“, sagt Carola Eckstein von den Parkschützern. „Genau so wenig ist die Bahn in der Lage, die durch die Stuttgart 21-Bauarbeiten gestörte Signaltechnik im Gleisvorfeld in Ordnung zu bringen, damit wenigstens die S-Bahnen wieder in vollem Umfang und pünktlich fahren können. Nach 16 Jahren Planung fällt der Bahn heute auf, dass das Notfallkonzept, die S-Bahn im Fall einer Tunnelsperrung über den Fildertunnel umzuleiten, mangels ETCS in S-Bahnen nicht funktionieren kann. Es bedurfte 16 Jahre Planung und massiver ‘externer Unterstützung’, um festzustellen, dass mit der vorgeschlagenen Infrastruktur am Flughafen maximal ein ICE-Halt alle zwei Stunden möglich ist. Ich würde mich in meinem Job nicht trauen, ein solch stümperhaftes Arbeitsergebnis vorzulegen.“

  • Laut Dr. Kefer, Technikvorstand der Bahn AG, begann die Entkernung des Südflügels bereits vor Beginn der Schlichtungsgespräche, jetzt seien daher Sicherungsmaßnahmen nötig (10:18 Uhr). Der Sprecher von Stuttgart 21, Wolfgang Dietrich, sagte hingegen in der Regio-TV-Sendung Südpol vom 17.10.2010, dass im Südflügel keine Entkernungen statt fänden.
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    Hier zeigt sich, dass die Öffentlichkeit belogen wird.
  • Dr. Kefer: „Die Frage nach der ausreichenden Kapazität [von Stuttgart 21] ist derzeit nicht zu beantworten (14:25 Uhr).
  • => Angesichts der Tatsache, dass z.B. die elf Gleise in Köln, Durchgangsbahnhof, nicht ausreichen, sind gewisse Zweifel der Stuttgart 21-Gegner nicht aus der Luft gegriffen.
  • Notfallkonzept für den Fall einer S-Bahntunnel-Sperrung: Die Planung der Bahn sieht vor, S-Bahnen durch den Fildertunnel umzuleiten (11:57 Uhr). Das ist nicht möglich, da S-Bahnen nicht mit dem ETCS-Signal- und Zugsicherungssystem ausgestattet sind (16:18 Uhr) [Kosten pro Zug ca. 300.000 EUR]. Die Bahn fragte sich während des Gesprächs, ob sie nicht besser auf ein duales Sicherungssystem umplanen solle (16:10 Uhr bis 16:33 Uhr).
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    Die ausgeschriebene Tunnelquerschnitte sind aber nur für ETCS ausreichend.
  • Bahn und Politik argumentieren weiterhin mit Unterlagen, die den Gegnern nicht vorliegen (z.B. sogenannte Verstärkerfahrten im Fahrplan, 11:50 Uhr).
    => Die Bahn-Vertreter befolgen damit nicht die Anweisung von Bahnchef Grube, der seit einigen Wochen fordert, dass alle Faktren auf den Tisch müssten.

Quelle: BeiAbrissAufstand


Pressemitteilung der "Juristen zu Stuttgart 21" zum Polizeinsatz und zum Untersuchungsausschuss:

Pressemitteilung des Arbeitskreises „Juristen zu Stuttgart 21“ vom
29.10.2010

zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und zur rechtlichen Aufarbeitung des Polizeieinsatzes vom 30. September 2010

Die „Juristen zu Stuttgart 21“ sind ein unabhängiger Arbeitskreis von zurzeit etwa 30 Juristinnen und Juristen unterschiedlicher Berufsgruppen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Diskussionen über Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 zu versachlichen.

Die Ereignisse des 30. September 2010 sind mit dem Projekt Stuttgart 21 eng verknüpft.

Entgegen wiederkehrender Ausführungen seitens Teilen der Politik und seitens der Polizei war die Räumung des Mittleren Schlossgartens durch die Polizei zur Ermöglichung der Baumfällarbeiten rechtswidrig. Die Polizei hat nicht berücksichtigt, dass im Mittleren Schlossgarten eine grundrechtlich geschützte Spontandemonstration stattgefunden hat. Solange sich die Demonstranten aber auf das Versammlungsgesetz berufen können, findet das Polizeirecht keine Anwendung. Die Polizei war außerdem für eine Auflösung der Spontandemonstration nicht zuständig. Aufgrund der Fortgeltung des Versammlungsgesetzes durfte kein unmittelbarer Zwang durch Einsatz von Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcken ausgeübt werden. Darüber hinaus waren die Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs auch unverhältnismäßig. Ein solch schwerer Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Versammlungsfreiheit lässt sich mit Provokationen durch Einzeltäter juristisch nicht rechtfertigen.

Die vollständige Stellungnahme des Arbeitskreises ist auf der Webseite juristen-zu-stuttgart21.de abrufbar.

Die „Juristen zu Stuttgart 21“ begrüßen daher die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch den Landtag des Landes Baden-Württemberg.

Die „Juristen zu Stuttgart 21“ fordern sowohl die Landesregierung als auch die im Landtag vertretenen Parteien auf, die Arbeit des Untersuchungsausschusses konstruktiv zu unterstützen. Die Klärung der politischen Verantwortung ist vor allem für die vielen Verletzten, aber auch für die Polizeibeamten, die von der Politik gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wurden, von großer Bedeutung. Da der Untersuchungsausschuss mit Ablauf der Wahlperiode automatisch endet (Diskontinuität), wäre seine Verschleppung bis zur Landtagswahl im März 2011 ein Signal an die Bevölkerung, dass die Regierungsparteien kein Interesse an der Aufklärung haben.

Neben der Aufarbeitung der politischen Verantwortung für den Polizeieinsatz am 30. September 2010 in einem Untersuchungsausschuss, erwarten die „Juristen zu Stuttgart 21“ eine objektive Aufarbeitung durch die Justiz. Berichte, dass Polizeibeamte, die sich kritisch zu dem Einsatz und zu den Verantwortlichkeiten äußern, starkem Druck innerhalb ihrer Behörde ausgesetzt werden, wecken Zweifel am Aufklärungswillen der Verantwortlichen. Auch hier ist die Landesregierung gefordert, eine objektive juristische Aufarbeitung zu unterstützen und nachgeordnete Behörden dazu anzuhalten.

Die sorgsame Aufarbeitung der Räumung des Mittleren Schlossgartens vom 30.September 2010 hat letztlich der Gewissheit der Bürger zu dienen, dass sie von ihrem Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit Gebrauch machen können und dabei – so wie es das Versammlungsgesetz auch vorsieht – durch staatliche Organe geschützt werden.

Quelle: JuristenZuS21

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