Hans Peter21: Versuch einer Satire

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Hans Peter Stihl heißt er, Motorsägen (sic!) produziert er. Im Manager Magazin ist jetzt online ein Interview mit dem ganz speziellen Liebhaber von Bäumen, Sträuchern und anderem Sägematerial zu lesen, bei dem mir bereits bei der ersten Antwort, angesichts der offenbar völlig unkritischen Haltung des Interviewers, die eigentlich natürliche Lach-Reaktion im Halse stecken blieb. Ich habe deshalb auf dem Wege der Sublimation versucht, dieses nachzuholen, indem ich am Interview entlang eine imaginäre Rede dieses Herrn an seine Knechte zusammenzuphantasieren versuchte. Die Originalteile sind kursiv gehalten, der Rest wurde von meinen links-verseuchten Spiegelneuronen „ergänzt“– von deren Qualität – und einem von mir nicht beeinflussbaren Zeitmangel - denn auch die Treffsicherheit der „Ergänzungen“ abhängt:

Liebe Untertaninnen und Untertanen,

Angesichts der für die zukünftige Macht des deutschen und internationalen Kapitals ganz entscheidenden Volksabstimmung in Baden-Württemberg möchte ich mich heute ganz persönlich an Sie wenden, um Ihnen noch einmal tüchtig den Kopf zu waschen und ihnen meine guten Argumente für Stuttgart 21 zu erläutern.

Das wichtigste Argument zuerst: „Ich bin der Überzeugung, dass wir in Stuttgart und Baden-Württemberg auf dieses Projekt dringend angewiesen sind. Meine Schwester ist vor 60 Jahren mit dem Zug nach München gefahren, um eine Dolmetscherschule zu besuchen. Sie hat damals die gleiche Zeit gebraucht, nämlich zwei Stunden und zehn Minuten, wie heute auch. In diesen 60 Jahren hat sich in der Verkehrsanbindung Richtung Süden nichts getan. Das ist ein dringender Bedarf, den wir so schnell wie möglich erfüllen müssen“, damit, falls irgendwann einmal wieder ein Mitglied meiner Familie – aus welchen idiotischen Gründen auch immer – gezwungen sein sollte, mit dieser Scheiß- Bahn zu fahren, auch auf dieser Strecke endlich einmal das erlebt werden kann, was andernorts längst üblich ist: Unpünktlichkeit, (Tunnel-)Brände, Kollaps des Nahverkehrs, vereiste Weichen, ausfallende Klimaanlagen, das Übersehen von Bahnhöfen und was die Bahn sonst noch so im Angebot hätte, würden wir sie endlich in Ruhe tun lassen, was sie am besten kann. Immer nur sicher, pünktlich, aber langsam zu sein ist kein Fortschritt und auf Dauer langweilig. Im Interesse des Wirtschaftsstandorts Stuttgart brauchen wir endlich auch hier die Erlebnisbahn mit Katastrophenpotential als entscheidenden Faktor für die Attraktivität der Region im globalen Wettbewerb.

Mich hat schon gewundert, mit welchem leidenschaftlichen Engagement die Gegner“ dieser Zukunftsvision “Stuttgart 21 aufgetreten sind, wie militant sie geworden sind und wie wenig beeinflussbar durch“ hohle Phasen, Lügen, Manipulationen, Schönfärbereien, Schönrechnereien und Propaganda hoch qualifizierter PR-Leute und einer Vielzahl wohlgesonnener Experten.All das wird „auch vom grünen Teil der Landesregierung schlicht und einfach negiert. Zum Teil durch“ wahre „Behauptungen wird versucht, den ganzen“ Rückschritt „zu verhindern, sodass ich in der Tat ausgesprochen böse geworden bin, dass wir in Baden-Württemberg und speziell Stuttgart solche Verhältnisse haben.“

Da ist dann auch die Frage erlaubt, wie halten es denn diese so genannten Wutbürger mit“ dem Grundsatz „Macht geht vor Recht“? Den „kann man ja nicht einfach, weil ein paar Leute auf der Straße demonstrieren, zurückholen.“

Natürlich haben wir auch ein großes Interesse daran, dass die Wirtschaftlichkeit gegeben ist, aber nach den ganzen vorliegenden ausführlichen“ Vertuschungen und Schönrechnereien „der Bahn und der vorhergehenden Landesregierung können wir davon ausgehen, dass sich das Projekt“ zumindest für die Bahn, die Bauindustrie und die Immobilienbranche „lohnt.“

Die Planung läuft schon über 15 Jahre. Während dieser Zeit hatte jeder Bürger, der interessiert war, ausreichend Zeit, sich entsprechend zu informieren.Was wollen die denn noch?

Ich bin in dieser“ ganzen Sache im Moment „leider pessimistisch. Ich glaube nicht, dass der grüne Teil der Landesregierung sich von dieser Negativhaltung verabschiedet, und ich sehe noch weitere Schwierigkeiten auf Stuttgart zukommen. Das ist natürlich für die Reputation dieser Stadt alles, nur kein Vorteil.“

Und eine „Rufschädigung ist leider schon eingetreten. Einfach deswegen, weil sich inzwischen“ das globale Kapital „darüber wundert, mit welcher Intensität und welchem Engagement in Stuttgart über die“ Veruntreuung von Volksvermögen und die Zerstörung von Heimat „gestritten wird. Besonders schlimm ist dabei, dass sich die ausländischen“ Heuschrecken „künftig dreimal überlegen werden, an unserem Standort“ größere Abgras-Aktionen zu versuchen.

Deshalb als Appell und ultimativer Befehl zugleich dieser Aufruf an Sie: Nein zu Verfassung und Demokratie! Nein zu Aufklärung und Mitbestimmung! Nein zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit! Nein zum Schutz von Natur und Heimat! Nein zur Achtung der Rechte und des Schutzes von Alten, Kindern und Behinderten! Ja zum Durchregieren und zum kurzen Draht zwischen Kapital und Regierung! Nein zum Ausstiegsgesetz!

Zitate entnommen aus:

www.manager-magazin.de/politik/deutschland/0,2828,799707,00.html

Hervorhebungen von mir.

Update 29.11.2011, 17:36 Uhr: Nachdem ich mittlerweile via PN erfahren habe, dass dieser Text für das Text-Such-Programm hier (?) intellektuell zu anspruchsvoll ist, füge ich als kleine Verständnishilfe hier noch folgendes an:

Liebes Textsuchprogramm, das du zwar einen Carmen-Text der S21-Sammlung zuordnest, nicht aber diesen S21-Text, würde es dir helfen, wenn ich - eigens für dich - hier einfach nochmals S21 hinschreibe?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

seriousguy47

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