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Kultur : Empörendes Arrangement

Mit der Rehabilitation des Holocaust-Leugners John Williamson durch Papst Benedikt XVI. zerstört die katholische Kirche den demokratischen Minimalkonsens

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„Absolut irrelevant“ findet der Sprecher des Vatikan, dass John Williamson den Holocaust leugnet. Williamson ist einer von vier Priestern, die der fundamentalistische Dissident Marcel Levebvre 1988 zu Bischöfen geweiht hat, und deren Exkommunikation durch Papst Benedikt XVI nun aufgehoben wurde. Führende Kreise der katholischen Kirche sehen in dieser Aufhebung der Exkommunikation den Weg zur Überwindung der Abspaltung dieser ‚Traditionalisten’ von der ‚einen Kirche’. Haben sie aber wirklich den Preis bedacht, den sie damit für die Kircheneinheit zu zahlen bereit sind?

Die Formulierung "irrelevant" beruht zunächst einmal auf einer bürokratischen Logik: Die Holocaust-Leugnung war nämlich nicht Bestandteil des Dossiers, das dem Vatikan zur Bearbeitung vorlag. Schließlich dämmerte dem Sprecher aber doch, dass er nicht umhin kam, auch inhaltlich etwas Stellung zu nehmen, und er bequemte sich, diese ‚negationistischen’ Äußerungen John Williamsons als „anfechtbar“ zu qualifizieren: In einem jüngst im schwedischen Fernsehen ausgestrahlten Interview hatte Williamson gesagt: "Ich glaube, dass es keine Gaskammern gegeben hat." Zudem hatte er behauptet, in den deutschen Konzentrationslagern seien nicht sechs Millionen Juden getötet worden, sondern lediglich bis zu 300.000.

Es ist kaum zu fassen: Das soll bloß „anfechtbar“ sein? Hierzulande wäre es – mit gutem Recht – eine Straftat. Und für eine Kirche, die immerhin den Anspruch hat, für das Gute einzutreten und dem Bösen entgegenzutreten, wäre es offenbar bloß eine ‚lässliche Sünde’? Oder sogar – mangels bürokratischer Zuständigkeit – einfach kein Thema?

Der kirchliche Apparat will sich mit den Fundamentalisten arrangieren

Gerade angesichts der nicht ausgeräumten Vorwürfe gegen die Haltung von Papst Pius VI. zum historischen Holocaust, aber auch angesichts der historischen Komplizitäten zwischen führenden Kirchenvertretern und mit den Nazis verbündeten Regimes, ist die Rehabilitation eines katholischen Bischofs, der offen als Holocaust-Leugner auftritt, ein unerträglicher Akt – nicht nur für Menschen mit jüdischem Hintergrund. Holocaust-Leugnung zerstört den demokratischen Minimalkonsens, wie er nach langen Auseinandersetzungen in der deutschen ebenso wie in den meisten westeuropäischen Gesellschaften aufgebaut worden ist. Dazu sollte die katholische Kirche sehr viel klarer und deutlicher Distanz halten.

Das kann doch alles nicht wahr sein! Es ist offenbar aber doch faktisch wahr. Damit wird auch für Gutwillige die Frage unabweisbar, warum das überhaupt möglich ist. Es kommt, mit anderen Worten, niemand mehr um die Frage herum, wofür derartige Abscheulichkeiten ein Symptom sind, welche verdeckten weiteren Übel in ihnen zum Ausdruck kommen. Gibt es hier überhaupt eine andere Erklärung, als das ein großer zentralisierter kirchlich-religiöser Apparat, der sich mit den christlichen Fundamentalisten arrangieren will, damit zugleich jeden Anspruch aufgeben muss, für eine aufgeklärte Religion zu stehen? Also für eine Religion, die wirklich in der demokratischen Moderne angekommen ist, indem sie sich entschieden auf den Boden der Universalität der Menschenrechte stellt!

In dieser Situation verdienen gerade wirklich fromme Katholikinnen, die sich gegen einen derartigen ‚Ausverkauf’ der (immer noch viel zu wenigen) Errungenschaften des Vatikanischen Konzils der frühen 1960er Jahre zur Wehr setzen, die volle Solidarität aller recht und billig denkenden Menschen. Einem katholischen Kirchenapparat, der damit schlicht durchzukommen glaubt, sollte auch von außen ein Strich durch die Rechnung gezogen werden – indem wirklich ein Sturm der Empörung ausbricht und nicht nachlässt, bis dieser ‚Irrtum’ korrigiert worden ist.

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