Als Porno noch kein Mainstream war

Kino Neu veröffentlichte Unterlagen belegen: Das FBI versuchte 1972 verzweifelt, das Erscheinen des bahnbrechenden Porno-Films "Deep Throat" zu verhindern.

Der große Erfolg von Deep Throat, der umstrittenen Quellen zufolge bis zu 600 Millionen Dollar eingespielt haben soll, wird von vielen als Meilenstein der kulturellen und sexuellen Revolution betrachtet. Andere kritisieren ihn dagegen als billige und widerwärtige Einübung von Praktiken der Unterwerfung. Wäre es nach dem FBI gegangen, würden wir allerdings gar nicht über diesen Film urteilen können. FBI-Agenten von Honululu bis Miami beschlagnahmten Kopien des Filmes, ließen Negative analysieren und befragten Schauspieler, Produzenten und sogar Kurierfahrer, die die Bänder gerade an die Kinos ausliefern sollten. Vergebens.

Die Maßnahmen des FBI kann man den nun veröffentlichten 498 Seiten der FBI-Akte des im Oktober verstorbenen Regisseurs des Films, Gerard Damiano, entnehmen. „Heute könne wir uns nicht mehr vorstellen, dass staatliche Behörden, egal ob auf lokaler, staatlicher oder föderaler Ebene sich mit so etwas befassen“, meint Mark Weinert, Professor für Verfassungsrecht und Rechtsgeschichte an der Rutgers-Newak School of Law gegenüber der Associated Press, die sich für die Veröffentlichung der Akten eingersetzt hatte. „Die Geschichte von Deep Throat ist die Geschichte des letzten Aufbegehrens gegen die kulturelle und sexuelle Revolution und der Vorschein des Eintritts der Pornographie in den Mainstream“, sagt Weinert.

Das letzte Aufbegehren gegen die sexuelle Revolution

Deep Throat, so hieß ja auch der unbekannte Informant im Watergate-Skandal, der später als Mark Felt enttarnt wurde. Felt war 1972 der zweithöchste FBI-Mann und musste ironischerwiese von den Vorgängen um den Pornofilm gewusst haben.

Die ganze Akte umfasst 4.800 Seiten, von denen rund 1.000 gemäß von Ausnahmeregeln von der Behörde einbehalten wurden, während andere noch nicht von Associated Press überprüft wurden.

Unter den zurückgehaltenen Teilen der Gesamtakte befindet sich ein Verhör des Filmstars Linda Susan Boreman, die in den Film-Credits unter dem Namen Linda Lovelace geführt wird. Boreman, die 2002 bei einem Autounfall ums Leben kam, verteidigte den Film und seine Macher bis ins Jahr 1980. Dann änderte sie ihre Meinung und behauptete plötzlich, ihr sadistischer erster Ehemann Chuck Traynor habe sie mit der Waffe bedroht, um sie zur Pornografie zu zwingen. 1986 sagte sie vor der von Ronald Reagan einberufenen und mit Pornografie befassten Meese-Kommission aus, jedes Mal, wenn sich jemand Deep Throat ansehe, „sehen sie zu, wie ich vergewaltigt werde“.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Ben Child und Agenturen, The Guardian | The Guardian

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