Geschichten über Hochstapler faszinieren auf doppelte Weise. Da ist zum einen der Aspekt des Kuriosen. Man staunt, dass das geht: zum Klinikdirektor aufzusteigen, ohne Medizin studiert zu haben, oder als FBI-Informant gegen Wirtschaftskriminalität zu ermitteln und nebenher Millionen zu veruntreuen. Zum anderen gibt es den Aspekt der geheimen Identifikation. Fühlen wir uns nicht alle bisweilen als Hochstapler? Wer hat nicht schon mal behauptet, fließend Französisch zu sprechen, obwohl er gerademal Bonjour sagen kann? Oder in einer Sitzung wissend genickt, ohne zu wissen, worum es geht?
Diese Verquickung von bewundernswertem Talent und banalen Motiven macht die Attraktion von Mark Whitacres Geschichte aus: Als Biochemiker hatte es Whitacre beim Nahrungsmittelkonzern ADM weit gebracht. Trotzdem trug er irgendwann seine Dienste dem FBI an und sammelte drei Jahre lang Beweise dafür, dass ADM mit seinen Konkurrenten auf dem Weltmarkt illegale Preisabsprachen tätigte. Doch noch bevor der Prozess ins Rollen kam, wurde er selbst als Betrüger entlarvt. Er hatte seinen Arbeitgeber um mehrere Millionen Dollar erleichtert. Damit nicht genug, entpuppte er sich als notorischer Lügner, der nicht davor zurückschreckte, die eigenen Eltern zu verleugnen, weil er der Meinung war, die Menschen seien ihm zugeneigter, wenn er sich als Waise ausgäbe.
In Soderberghs Verfilmung Der Informant! wird Whitacre von Matt Damon verkörpert – in einer Weise, die auf den ersten Blick klarmacht, warum er es nötig hatte, sich seine Mitbürger mit solchen Lügen gewogen zu machen. Echtes Übergewicht und eine Knubbelnasenprothese verleihen Damon hier die Spießeraura eines beschränkten Angestellten, ein Schnauzer und eine entsprechende Haartolle stellen den Mangel an Stilbewusstsein und Geschmacksinn heraus.
Mut zur Hässlichkeit
Es ist einer jener Schauspielerauftritte, die nach Bewunderung für den Mut zur Hässlichkeit schreien: dass ein so gut aussehender und „hipper“ Schauspieler bereit ist, diesen Loser zu spielen! Leider gerät darüber das eigentlich Interessante an der Figur und an der schauspielerischen Leistung Damons in den Hintergrund. Damon gelingt es, schon beim bloßen Zuschauen jenes unangenehme Gefühl zu erzeugen, das uns im wahren Leben Menschen bereiten, die sich zu eifrig darum bemühen, sympathisch oder ehrlich oder klug zu erscheinen.
Im Grunde trifft das auch auf den Film als Ganzes zu: Er bemüht sich allzu sehr. Darauf weist schon das Ausrufezeichen im Titel hin, das gewissermaßen „Farce!“ signalisiert. Ähnlich wie Matt Damon für seinen Mut zur Hässlichkeit bewundert werden will, stellt Regisseur Steven Soderbergh mit Stolz seinen distanzierten Blick auf die Geschichte aus. Obwohl die Handlung in den Neunzigern spielt, fühlt man sich von Wohnungs- und Büroeinrichtungen eher in die frühen Siebziger versetzt.
In dieser Kulisse wirken alle Figuren irgendwie gleich lächerlich – die dämlichen Konzernchefs, die hölzernen FBI-Typen, die ehrgeizigen Rechtsanwälte. Und eben auch Whitacre, wie er sich in seinen Geständnissen noch mehr verheddert als in seinen Lügen. Zwischendurch macht das tatsächlich Spaß, wenn sich der frisch gekürte Informant mit Aufnahmegerät unterm Hemd als großer Spion geriert und ins unsichtbare Mikro Banalitäten wie „Ich betrete jetzt das Büro“ flüstert. Aber trotzdem wird man als Zuschauer nie das Gefühl los, dass Steven Soderbergh es einem als Zuschauer zu leicht macht.
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