Wofür kämpfen Sie?

Tatort Krähen, goldene Rosen, Shakespeare-Zitate: In "Falsches Leben" folgte ein hohles Wort aufs andere

Das hatte sich Shakespeares Julia so einfach gedacht: Seufzt mal schnell "Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften", um Romeos familiäre Zugehörigkeit als bloße Buchstabenkombination zu enttarnen, und meint, damit wäre die Sache erledigt. Ist sie, wir wissen´s, natürlich nicht, die Geschichte der Liebenden endet katastrophal, weil beider Nachnamen nicht zusammen passen. Das Spiel mit Signifikanten und deren Ordnungen bleibt eben selten ungestraft.

Dass der Tatort Falsches Leben mit ebendieser Szene – wenn auch nicht genau dieser Zeile – aus Romeo und Julia einsetzte, ließ die leise Hoffnung aufkeimen, er könnte sich irgendetwas dabei gedacht haben. Hatte er aber nicht: Lauter leere Zeichen flottierten durch diesen Film, ohne dass man deren Bedeutung ausmachen konnte. Die schlimmsten davon waren zweifellos die Krähen (die zweitschlimmsten die goldenen Rosen), die dauernd irgendwo herum hockten und in Großaufnahme krächzten.

Was das mit der Handlung, einer alles mit allem und jeden mit jedem in Verbindung bringenden Geschichte über die Sprengung der Leipziger Paulinerkirche im Jahr 1968 und dem Verbleib von deren Ausstattung zu tun hatte? Keine Ahnung, ehrlich. Es zeugt jedenfalls von grober Naivität, wenn man deutsche Vergangenheit mit einer Mystery-Story verwechseln möchte. Und wen das nicht nervte, der versank dann eben beim Fremdschämen über die Dialoge in Grund und Boden. Die schienen nämlich keinen weiteren Zweck zu haben, als diese Existenz der Sprache an sich zu beweisen; damit halt überhaupt irgendwas geredet wird.

Kein Zufall deshalb, dass Kepplers Null-Signifikant "Mhm" – als Antwort auf den Vorwurf, dass er aus dem Westen sei und folglich nichts begreifen könne – an Aussagekraft kaum zu übertreffen war. Und wenn, dann höchstens von dem an Kollegin Saalfeld (deren Familiengeschichte dieser Tatort zum Thema macht) gerichteten Satz: "Und jetzt quält dich die Frage, ob Papa da auch mal zugeschlagen hat und überhaupt, wie das früher alles so war." Weil darin die ganze Langeweile steckte, die einen Martin Wuttke wohl unvermeidlich ereilt, wenn er Hosentaschenpsychologie nicht nur spielen, sondern auch noch aufsagen muss.

Wohin man auch sah, die Redundanz beherrschte die Szene. Noch jedes Mal (und es waren viel zu viele Male!), wenn einer Saalfelds Vater erwähnte, blickte Simone Thomalla mit einem Anflug von Lächeln in die Ferne und nahm ansonsten nichts mehr wahr. Und erklärte später, nochmal zur Sicherheit: "Ich denke in letzter Zeit viel über meinen Vater nach. War immer mein Held, aber eigentlich habe ich ihn ja gar nicht so gut gekannt."

Das einzige Glück bestand darin, dass Thekla Carola Wied zu den Verdächtigen gehörte. Die guckte nämlich noch geschmerzter in der Gegend herum, wenn sie mal hier, mal da auftauchte, um die von der Erinnerung Übermannte zu geben, indem sie ostentativ geheimnisvoll schwieg und recht abwesend tat. Und wenn sie sprach, dann sagte sie: "Ich habe damals für etwas gekämpft. Wofür kämpfen Sie?" oder "Was wissen Sie denn? Haben Sie Kinder?" oder "Früher habe ich verrückte Dinge gemacht. Das kann ich immer noch!"

So folgte ein hohles Wort aufs andere, eine leere Gestik auf die andere. Im Angedenken an die treue Julia: Was uns Falsches Leben heißt, wie es auch hieße, würde immer noch einen ganz elenden Tatort abgeben.

Eine Frage: Kann man mit Parfum tatsächlich Möbel polieren?

Und noch eine: Hat Thekla Carola Wied eigentlich gemerkt, dass sie eine Karikatur ihrer früheren Rollen darstellte?

Was nicht wieder vorkommen sollte: eine Simone Thomalla, die schauspielert, dass sie schauspielert.


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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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