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Kultur : Die tägliche Dosis Desinformation

Die Verzerrung der afghanischen ­Realität durch die deutsche Berichterstattung in den Medien hat viele Ursachen. Schwierige Fakten werden oft einfach weggelassen

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Wenn ich die deutsche Presseberichterstattung analysiere, erkenne ich mein Land nicht wieder“, sagt der an der Marburger Universität lehrende afghanische Politologe Matin Baraki. Jeder, der schon einmal über einen längeren Zeitraum im Vielvölkerstaat am Hindukusch war und sich seriös mit den sozialen und kriegerischen Konflikten der großen Volksgruppen der Paschtunen, Tadschiken, Usbeken und Hazaras auseinandersetzt, kann die Empörung des gebürtigen Paschtunen verstehen.

Es ist hauptsächlich das öffentlich-rechtliche Fernsehen, das die Klischees über Afghanistan zementiert, zum Beispiel die ARD-Sendung Hart, aber fair: Ein völlig ahnungsloser Frank Plasberg diskutierte über den Einsatz der Bundeswehr. Mitten im verbalen Schlagaustausch sah sich Jürgen Todenhöfer, Kritiker des deutschen Militäreinsatzes, Afghanistan-Kenner und ehemaliges Mitglied des Bundestags, mit einer Film­einblendung konfrontiert, in der lachende Mädchen Fußball spielten.

Die Aussage des nur sekundenlangen Streifens strotzte vor Einseitigkeit, die Botschaft der Bilder war: Mit dem Militäreinsatz im Jahre 2002 begann für Afghanistan die moderne Zeitrechnung. Todenhöfer war angesichts der platten Manipulation sichtlich sprachlos. Fair wäre es wohl gewesen, einen der 3.012 afghanischen Flüchtlinge, die allein in den ersten 11 Monaten des Jahres 2009 Asyl in der Bundesrepublik beantragt hatten, zu fragen.

Insgesamt leben in der Bundesrepublik Deutschland 48.437 anerkannte afghanische Asylflüchtlinge. Sie stammen nicht allein aus den ärmeren Schichten, sondern sind oftmals in akademischen Berufen ausgebildet und werden in Afghanistan zum Aufbau benötigt. In ihrer Mehrheit sind sie der Auffassung, dass das ausländische Militär nur eine korrupte, völlig marode Regierung, kriminelle Warlords und Drogenbarone in Staatsfunktionen schützt. Zu Verhandlungen mit den gemäßigten Taliban sehen sie keine Alternative.

Ahnen, was erwünscht ist

Die Verzerrung der afghanischen ­Realität durch deutsche Berichterstattung hat viele Ursachen. Da sind die manchmal nur eingebildete Gefahrensituation, der Zeitdruck und die Neigung, schnell mal ein paar deutsche ­Offizielle, vornehmlich Militärs, zu befragen. Der für die BBC arbeitende britische Journalist afghanischer Herkunft, John Raki-Sarwar, meint ironisch: „Viele deutsche Kollegen brauchen keinen Zensor. Sie erahnen, wie beim Angriff auf den Tanklastzug in Kundus, was ­höheren Orts erwünscht ist.“
Tatsächlich ließ ein ZDF-Reporter nach Oberst Kleins Befehl des Luftangriffs, bei dem 142 Menschen verbrannten, einen Afghanen sagen, dass der deutsche Oberst nicht vor Gericht gestellt werden dürfe, sondern einen Orden verdient habe. Der Interviewte war an seiner flachen Filzmütze unschwer als Paschtune zu erkennen. Die Opfer des Angriffs aber waren Tadschiken. Beide Volksgruppen hatten sich bis vor Kurzem in einem Bürgerkrieg bekämpft. Nun denunzieren sie sich bei den ausländischen Militärs gegenseitig als Taliban. Das Weglassen solcher Fakten führt zur Desinformation.

Die tägliche, oft arglose Manipula­tion aber besteht in der Übernahme von sprachlichen Ausdrücken wie „Luftschlägen“ und ungeprüften, stereotypen Kollektiva wie „Taliban“. In fast jeder deutschen Nachrichtensendung werden die Aufständischen als „radikal-islamistische Taliban“ dargestellt. In Wahrheit sind die religiös motivierten Kämpfer einst von der CIA für den Krieg gegen die Russen und die linke afghanische Regierung rekrutiert und bewaffnet worden. Als markantes Merkmal tragen sie einen schwarzen Turban. In der afghanischen Rebellion bilden sie heute eine Minderheit.

saß rund 10 Jahre für die SPD im Bundestag. 2001 gab er seine Parteimitgliedschaft auf. Er arbeitet heute als Publizist und schreibt politische Theaterstücke.

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