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Kultur : Die Ordnung des Chaos

Städte können auch sterben: Die Fotografen der Berliner Agentur Ostkreuz präsentieren im Berliner Postfuhramt bei C/O Berlin ihren realistischen Blick aufs Urbane

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Am Anfang war ein Pfeil. Der Berliner Fotograf Maurice Weiss fand das Kreidezeichen in China. Mitten in der Steppe, am Rande der Wüste Gobi markiert es den Bauabschnitt der Stadt Ordos, die es schon gibt, die aber noch nicht lebt. 800 Kilometer nordwestlich von Peking baut das von Landflucht und Bevölkerungsexplosion geplagte Reich der Mitte eine Metropole, in der einmal fünf Millionen Menschen wohnen sollen: Straßen, die ins Nichts führen, schlüsselfertige Siedlungen, riesige Ampelmasten an unbefahrenen Straßen. Was an dieser menschenleeren Kulisse unter Wüstenhimmel mehr erschreckt als ihre Größe, ist die architektonische Vorwegnahme des Lebens, das einmal in ihr stattfinden soll.

Es gibt Brasilia und Eisenhüttenstadt. Aber die wenigsten Städte dürften so entstanden sein wie Ordos. Sondern eher wie Talayan Riverside. Der Slum im Großraum Manila, in dem die Menschen in Wellblechhütten und Häusern aus löchrigem Ytong am Rande eines Flusses leben, der ihre baufälligen Behausungen regelmäßig unter Wasser setzt, ist eine fragile Notgeburt. Wie das Leben in der chinesischen Retorte Ordos eines Tages aussehen wird, kann man an der Kunstlandschaft Dubais sehen. Thomas Meyer hat an den Glas- und Stahltürmen und den Townhouses am Rande künstlicher Lagunen vor allem eines fasziniert: ihre Künstlichkeit.

Das „Werden und Vergehen“ der Stadt, das die 18 Fotografen der Berliner Foto-Agentur Ostkreuz in aller Welt dokumentieren wollten, klingt wie der Versuch, ein soziales Institut zu naturalisieren. Aber so wie sich die Natur in Pripyat bei Tschernobyl die Stadt zurückerobert, fällt es schwer, ein anderes Wort dafür zu finden. In einer Hotelbar der 1986 binnen Stunden evakuierten Stadt hat Andrej Krementschouk eine Birke fotografiert.

Eine Stadt kann auch von innen sterben. Dawin Meckels Detroiter Fotoserie Downtown zeigt den Ort als Doughnut: Das Zentrum der einstigen Autostadt ist leer. Die Bewohner leben in namenlosen Suburbs an ihrem Rand. Trotzdem bleibt die Stadt ein Synonym für Utopia. Rund 5.000 Menschen wohnen in dem 1968 als universelle Stadt gegründeten Auroville im Südosten Indiens. Die goldene Kuppel des tempelartigen Zentralgebäudes in ihrer Mitte, auf die Anne Schönharting durch den umgebenden Dschungel ihre Kamera gerichtet hat, steht für ein Lebensprinzip, das alle Menschen „über ihre Begrenzungen hinausheben“ will.

Neu aufgerollt wird das Phänomen Stadt in der Ausstellung nicht. Die Ostkreuz-Fotgrafen sind eher Realisten als Avantgardisten. So metaphorisch wie Jordis Antonia Schlösser, die den Mikrokosmos der Untersuchungshaftanstalt Moabit als Stadt in der Stadt definiert oder so spielerisch wie Sibylle Bergemann mit ihren fast surrealistischen Porträts im Nachwende-Berlin, fasst keiner der Beteiligten das gemeinsame Thema auf. Und nur wenige wagen sich ohne die schützende Distanz (der Totalen) an Städtebewohner heran. Doch die faszinierende Bestandsaufnahme belegt die ungebrochene Attraktion des Mediums globaler Vergesellschaftung. Entstanden als Bindeglied zwischen Ich und Wir scheint in diesen Städtebildern eine Menschheit auf, die nur mit Mühe zwischen Chaos und Ordnung changiert, zwischen Hoffnung und Untergang.

Ostkreuz Die Stadt. Vom Werden und Vergehen. C/O Berlin. Bis zum 4. Juli. Ein Katalog ist bei Hatje Cantz erschienen und kostet 39

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