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Kultur : Screwball light

Lionel Jospin spielt sich selbst und entschärft als Geschenk ein vermintes Familienfest: "Der Name der Leute" von Michel Leclerc geht verspielt mit dem Thema Herkunft um

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Arthurs Geburtstagsfeier ist alles andere als harmonisch verlaufen. Seine Eltern und die seiner Freundin Bahia sind heftig in Streit geraten. Ihre Herkunft ist sehr gegensätzlich, Minenfelder gibt es also genug. Doch der Abend wendet sich: Kaum sind die Elternpaare gegangen, präsentiert Bahia einen Überraschungsgast. Es ist Lionel Jospin.
Der ehemalige französische Regierungschef spielt, gut aufgelegt, sich selbst. Arthur (Jacques Gamblin) ist einer seiner wackersten Anhänger. Bahia (Sara Forestier) hätte ihm kaum ein schöneres Geschenk machen können. Natürlich kann der Gast nicht umhin, auch über Politik zu reden. Aber bald, in entspannter Atmosphäre, spricht er über Privates: Sein Familienname, erläutert er, stamme aus Flandern, mit allen anderen Jospins in Frankreich sei er mehr oder weniger verwandt.

Was der Name über die Herkunft eines Menschen offenbaren oder verbergen kann, ist ein Thema, das Michel Leclercs Film schon in seinem Titel anspricht. Bahia ließe auf brasilianische Wurzeln schließen. Ihr Nachname lautet jedoch Benmahmoud, denn ihre Mutter hat einen algerischen Einwanderer geheiratet. Arthur Martin hingegen ist mit einem Allerweltsnamen geschlagen, der jeden Franzosen über 30 an die gleichnamige Firma für Küchengeräte erinnert. Dass seine Großeltern griechische Juden waren, die während der Okkupation deportiert wurden, verrät sein Name nicht.

Gutgeölte Mechanik

Das Geschenk, das Bahia Arthur zum Geburtstag macht, ist eine großzügige, respektvolle Geste. Es erzählt über den Beschenkten ebenso wie über die Schenkende: Der Jospinsche Besetzungscoup gemahnt daran, dass man für politische Überzeugungen mit seiner Person einstehen muss. Das Geschenk entbehrt nicht der Romantik: Es verrät den Glauben an unbekannte Möglichkeiten. Seit langem hat keine französische Komödie derart beharrlich die Erotik des politischen Engagements gefeiert.

Die Handlung von Der Name der Leute lässt sich mit gleichem Recht als Liebes- wie als Politkomödie nacherzählen. Beide Leidenschaften sind unauflöslich miteinander verknüpft. Der Film folgt einerseits der gutgeölten Mechanik einer screwball comedy: Ein schüchterner, reservierter Wissenschaftler (Arthur ist Ornithologe) trifft auf eine etwas überspannte Frau, die diese Grenzen freizügig und unternehmungslustig überschreitet. Die ehernen Gesetze der romantischen Komödie sähen eigentlich vor, dass Arthur und Bahia Antagonisten sein müssen; in der Liebe wie in der Politik. Leclerc genügt es jedoch bereits, dass sie gegensätzliche Temperamente sind, er vermeidet die schematische Opposition zwischen Links und Rechts: Die Komik nistet in den Nuancen, schlägt Funken aus den unterschiedlichen Graden politischer Hingabe.
Zugleich erzählen er und seine Co-Autorin Baya Kasmi die Liebesgeschichte als zweifache, politische Biografie. Übergeordnete Ereignisse setzen sie als deren Wegmarken (das schamvolle Dilemma, Chirac wählen zu müssen, um Le Pen zu verhindern) und verwenden aktuelle Konflikte (nationale Identität, Ökologie und Integration) sowie historische Traumata (Algerienkrieg, Deportation) als dramaturgisches Unterfutter. Das Drehbuch ist angereichert mit zahlreichen Anekdoten aus ihrem jeweiligen familiären Hintergrund. Die doppelte Perspektive setzt die Hauptfiguren in gleiches Recht. Dieser Geschlechterkrieg wird nicht durch Siege entschieden, sondern durch die Annäherung, den wechselseitigen Lernprozess.

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