Die Romantic-Comedy-Heroine Number one

Kino Mit offener Freude an femininer Flatulenz: „Bridesmaids“ von Paul Feig zeigt Aktrice Kirsten Wiig in Höchstform

Bei Saturday Night Live, der auch nach Jahrzehnten immer wieder bemerkenswert innovativen Talentveredler-Traditionsshow der amerikanischen Comedy-Szene, performte sie unter anderem als Sturmfrisur-Stewardess, hochnervöse Reiseexpertin und völlig hysterische Moderatorin eines Formats namens „Dream Home Extreme“; sie parodierte sich einmal quer durch das politische Establishment: von der Demokratin Nancy Pelosi bis zur Tea Party-Schreckschraube Michele Bachmann. Die Rede ist von Kristen Wiig, der begabtesten US-Komikerin ihrer Generation.

Wiig stand lange ein wenig im Schatten von Tina Fey, zu deren multimedialer Begabung wiederum nicht zuletzt ein gutes Gespür für die Mainstreamreife von Subkulturmaterial und gerade noch okaye Selbstvermarktung zählt (zuletzt erschien ihr Bestseller Bossypants). Mit der Hochzeitskomödie Bridesmaids, den der deutsche Verleih meinte, Brautalarm nennen zu müssen, hat sich Wiig nun aber (auch als Autorin) eine eigene Homebase im hochvernetzten Spielfeld des Judd Apatow gesichert. Apatow, der Übervater der avancierteren US-Komödie der letzten Jahre, hatte sie bereits peripher in Knocked Up besetzt – Wiig dankte es ihm mit einer Demonstration, wie viel passiv-aggressive Kolleginnen-Missgunst sich durch die Betonung einer Silbe artikulieren lässt.

Moderne Claudette Colbert

Obwohl Bridesmaids gerade im Nuancenbereich sprachlicher Distinktion eine Fülle an großartigen Nummern aufbietet, verkommt der Film nie zur Revue. Das ist einerseits das Verdienst der liebevollen wie effektsicheren Regie von Paul Feig (Freaks Geeks), kommt zum anderen aber daher, dass Wiig, die im Zentrum dieser Freundinnenkomödie alle Register zieht, das „female bonding“ als Sonderfall sozialer (In-)Kompetenz durchspielt. Die ohnehin schon feindifferenzierten „dudes“ der Apatow-Jungsfilme kehren nicht einfach als (Anti-)Heldinnen eines „chick film“ wieder, sondern als Frauenfiguren mit eigenem Horizont.

Konsequent betreibt Bridesmaids eine (freilich unqueere) Umschrift der männlich codierten Standards des Genres, die vor allem in den schwächeren Komödien wie Hangover immer noch voll durchschlagen. Das erste Opfer ist Jon Hamm, der auffallend lustvoll eine verrohte Variante seiner Mad Men-Paraderolle Don Draper hinlegt. Ohne historisches Kostüm, Zigarettenrauchmelancholie und distinguierte Undurchschaubarkeit bleibt hier nur ein debil grinsender Besserverdiener mit einem Faible für Sportsex übrig.

Bridesmaids ist zwar trotz solcher Manöver kein radikalfeministisches Projekt, grenzt sich aber dennoch von Tina Feys eher harmlosem „tough girl feminism“ ab. Mit Vehemenz und offener Freude an femininer Flatulenz gewinnt Wiigs Film ein gendermäßig ziemlich vernageltes komödiantisches Repertoire für grandiose Körper-Schauspielerinnen wie Melissa McCarthy zurück. Deren Fäkaleskapaden stehen den einschlägigen Geniestreichen von Jim Carrey um nichts nach.

Wiig selbst entwickelt ihre Figur nicht auf dem Feld von Slapstick und „Body Horror“, sondern als aufgeklärte Romantic-Comedy-Heroine, die trotz massiver Albernheitsanfälle immer noch deutlich zurechnungsfähiger ist als jede Figur, die Julia Roberts oder Sandra Bullock in diesem Genre je gespielt haben. Eine moderne Claudette Colbert, in der Jerry Lewis’ Anarchie schlummert. Jederzeit zum Ausbruch bereit.

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