Hand oder Faust

Stille Post Obama kann Briefe schreiben, soviel er will – eine politische Entkrampfung zwischen Iran und den USA ist nur als Teil einer Gesamtlösung im Mittleren Osten denkbar

Wo die Diplomatie heute noch den Postweg beschreitet, kann man getrost sein, dass noch ein weiter Weg zu gehen ist. Da Präsident Obama schon lange signalisiert hat, er wolle mit Teheran einen Neuanfang wagen, überrascht die Nachricht wenig, dass in Washington an einem Brief an die iranische Regierung gearbeitet wird. Einen Neuanfang zu wollen und einen zu kriegen, sind bekanntlich zwei paar Stiefel. Das letzte Mal wurde ein solcher Versuch 2005 von iranischer Seite unternommen. Damals wurde der Brief an Präsident Bush von einem Schweizer Diplomaten überbracht – ein Gesprächsangebot zu den Themen Irak, iranisches Nuklearprogramm, die Hilfe Irans für Hamas und Hizbollah. Alles gebunden an eine Bedingung: Washington hebt die Sanktionen auf und kehrt zu normalen Beziehungen zurück. Bush und Cheney warfen das Schreiben zum Fenster hinaus, verweigerten jede Antwort und schimpften gar noch auf die Schweizer. Warum hatten die es überhaupt weitergeleitet? Obamas Brief an die Führung in Teheran könnte also in gewisser Weise als verspätete Antwort auf jenes iranische Schreiben verstanden werden. Aber die Islamische Republik von heute ist nicht mehr die des Jahres 2005, sie hat ihr Atomprogramm weiter entwickelt und den Beistand für Hamas und Hisbollah inzwischen verstärkt.

Das bedeutet wohl kaum, dass die Iraner einen Brief der Amerikaner zurückweisen. Sie werden ihn unter großen Vorbehalten begrüßen, aber auch keinen Zweifel lassen, dass jede heraufbeschworene Krise jegliche Entspannung wieder zunichte mache. Gemäßigte und liberale Politiker im Iran werden auf Verständigung über einige Themen hoffen, einige wenige vielleicht sogar auf den großen Wurf, der alle Differenzen zwischen beiden Ländern mit einem Schlag aus der Welt räumen könnte. Aber selbst die größten Optimisten gehen davon aus, dass eine Détente immer nur eine teilweise sein dürfte, da ein großer Wurf für das Verhältnis zwischen Iran und den USA nur denkbar wäre als Teil einer Gesamtlösung für den gesamten Mittleren Osten. Würde der Iran beispielsweise seine Unterstützung von Hamas und Hizbollah aufgeben, ohne dass diese Organisationen in eine Übereinkunft zwischen Israelis und Palästinensern und im Libanon miteinbezogen würden? Könnte Teheran eine Drosselung seines Atomprogramms akzeptieren, solange Israels Nuklear-Monopol weiterhin unangetastet bleibt und von den USA noch nicht einmal eingestanden wird? Selbst in Bezug auf den Irak und Afghanistan, wo sich die Interessen der beiden Länder überschneiden, ist bei weitem noch nicht ausgemacht, dass Washington und Teheran sich auf mehr einigen können als darauf, dass sie bei vielen Themen sehr verschieden denken.

Selbst die Sprache, mit der Obama seine Gesprächsbereitschaft signalisierte, ist problematisch. Den Iran zu bitten, die geballte Faust zu öffnen und die ausgestreckte Hand der Amerikaner zu ergreifen, unterstellt, die Aggressionen lägen allein auf der einen Seite, während die andere nur die friedlichsten Absichten hege. Die Iraner sehen das völlig anders, egal was sie sonst glauben mögen. Präsident Ahmadinedschad hat zuhause stark an Popularität eingebüßt und diese bei der großen, auf dem ganzen Erdball verstreuten iranischen Exilgemeinde noch nie genossen. Aber er sprach für eine Mehrheit, als er diese Woche eine Entschuldigung der Amerikaner für deren anti-iranisches Verhalten während der vergangenen Jahre forderte. Für die Iraner beginnt der Streit mit den Amerikanern 1952, als diese zusammen mit den Briten den Premierminister Mossadeq durch einen Staatsstreich aus dem Weg räumten und so dem Schah ermöglichten, sein autokratisches Regime zu errichten, welches erst ein Vierteljahrhundert später durch die islamische Revolution wieder entmachtet wurde.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Martin Woollacott, The Guardian | The Guardian

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