Nach der Wahl ist eins klar - allen drei Oppositionsparteien im Bundestag mangelt es an ökologischer Kompetenz und dem Willen den Strukturwandel auf die Agenda zu setzen
Was immer man vom Sigmar Gabriel hält, seine Designierung zum SPD-Chef deutet darauf hin, dass Ökologie zum roten Faden künftiger Oppositionspolitik werden könnte. Auch wenn die Grünen Gabriels befürwortende Haltung zu neuen Kohlekraftwerken kritisieren, wirkt die Karriere des bisherigen Bundesumweltministers wie eine Einladung zum rot-grünen Bündnis. Wie steht es jedoch mit der dritten Oppositionspartei?
Nach dem jüngsten Wahlkampf im Saarland könnte man meinen, die Linke falle, was Kohlekraftwerke angeht, noch hinter die SPD zurück. Denn dort war sie es, die sich „gegen den beabsichtigten Kahlschlag“ in der Kohleförderung wandte, nachdem die Regierung von Peter Müller, CDU, mit Zustimmung der SPD bereits den Auss
s den Ausstieg beschlossen hatte. Muss die Linke erst ökologisiert werden, bevor sie zum Teil eines neuen Linksbündnisses werden kann? Nein, so verhält es sich nicht. Das Saarland ist ein Sonderfall. Die Probleme, die eine entschiedene Ökologiepolitik hemmen, betreffen sonst alle drei Oppositionsparteien gleichermaßen.Die Linke als Bundespartei spricht sich gegen eine Zukunft der Kohle sogar noch entschiedener aus als die Grünen. Neue Kraftwerke werden von beiden abgelehnt. Die Grünen lassen aber ein Hintertürchen offen, indem sie eigentlich nur ein „Moratorium“ fordern, bis sich herausstelle, wie wirksam die neue Technik der CO2-Abscheidung sei. So können sie von Kohlegegnern wie -befürwortern gewählt werden: Die einen halten das „Moratorium“ für bloße Konsenstaktik, die andern glauben daran. Im Bundeswahlprogramm der Linken gibt es keine solche Zweideutigkeit. Sonst findet man Differenziertheit so gut wie bei den Grünen.Die Thüringer Linken zum Beispiel unterscheiden zwischen der Technik der Energiespeicherung und der Frage, wofür sie genutzt wird: Wo es nicht um die Sequestrierung von Abgasen geht, wird die Entwicklung der Speicherungstechnik begrüßt und detailliert erörtert. Der Ablehnung des Projekts unterirdischer CO2-Speicherung, das der Rechtfertigung neuer Kohlekraftwerke dient, steht das nicht im Wege.In Brandenburg sieht man, wie die Linke sich als ökologische Partei gegen die SPD abgrenzt. Sie würde gern mit ihr koalieren, doch wendet sie sich „gegen die Pläne der Landesregierung, die Kohleverstromung für weitere 80 Jahre einzuplanen“.Warum agiert die saarländische Linke so anders? Es liegt an der Person Oskar Lafontaines. Er war einmal Ministerpräsident dieses Landes, er kann die Vergangenheit nicht abschütteln. Zeitungen hatten ihn geradezu als „Schutzherrn der Kohle“ apostrophiert. Die Art, wie er sich seinerzeit für das Werk Bexbach II eingesetzt hat, war einer Missachtung des Genehmigungsverfahrens recht nahe gekommen. Man schüttelte schon damals den Kopf, war er doch einst als der ökologische Hoffnungsträger der SPD aufgetreten, und immerhin hatte das Saarland die bundesweit höchste Dichte an Solaranlagen vorzuweisen.Das ist lange her. Als vor anderthalb Jahren ein Grubenerdbeben von der Stärke 4 bis 4,5 auf der Richterskala, von dem das halbe Saarland erschüttert wurde, den Kohleausstieg nachgerade erzwang, widersprach auch Lafontaine dieser Notwendigkeit nicht. Er forderte nur, für die Kumpel, die ihre Arbeit in den Bergwerken verlieren, müssten Beschäftigungsgesellschaften eingerichtet werden. Im Wahlkampf 2009 behauptete er jedoch, das Feld Friedrigsweiler in der Umgebung der Kreisstadt Saarlouis könne noch abgebaut werden. Sein Wahlerfolg von über 20 Prozent Stimmen war sicher auch dieser groben Form der Interessenvertretung zu verdanken. Jetzt bei der Regierungsbildung gibt er sich wieder mit Beschäftigungsgesellschaften zufrieden.Es ist oft bare Polemik, Lafontaine einen Populisten zu nennen, hier ist er es aber gewesen. Jetzt heißt es, er könne seine Position während des Wahlkampfs ohne Gesichtsverlust aufgeben, wenn sich nur herausstelle, dass der Kohleausstieg wegen laufender Verträge nicht mehr rückgängig zu machen sei. Genau wegen dieses „Arguments“ – als wüsste man nichts von Verträgen, als fielen solche immer erst am Morgen nach der Wahlnacht vom Himmel – hat man den Hamburger Grünen Wahlbetrug vorgeworfen. Ob Linke oder Grüne, wie gern würden sie konsequent sein! Doch wer wundert sich, dass sie noch lieber gestärkt aus Wahlkämpfen hervorgehen! Wenn man es so sieht, möchte man fast glauben, dass die SPD es immer noch am besten macht: indem sie ihr Bemühen, den Wählern als bedingungslose Verteidigerin von „Arbeitsplätzen“ zu erscheinen, wenigstens nie verleugnet. Jedenfalls zeigt sich Lafontaine als der Sozialdemokrat, der er immer noch ist.Aber auch das Bundesprogramm der Linken, so konsequent seine ökologischen Forderungen sind, zeigt sozialdemokratischen Charakter: darin, dass es übehaupt auf die Idee kommt, Ökologie und Wirtschaftspolitik als Unterabteilung von Sozialpolitik azuhandeln. Denn das wirft die Frage auf, ob sich etwa auch die Linke, wie die SPD schon seit langem, als bloßer „Gesamtbetriebsrat der Gesellschaft“ auffasst. Wie kommt man hier weiter, unter Berücksichtigung der Inkonsequenz aller Oppositionsparteien?Sie könnten selbst dann mehr tun, wenn sich an ihrer Zagheit den Wählern gegenüber nichts ändert. Lafontaines Idee einer Beschäftigungsgesellschaft war nicht die allerschlechteste. Es war doch ein Versuch, den Kumpeln zu helfen, ohne die Notwendigkeit des Kohleausstiegs zu leugnen. Die Form der Beschäftigungsgesellschaft unterstreicht den Anspruch auf Arbeit besonders stark. Es kann freilich nur einen Anspruch auf gesellschaftlich sinnvolle Arbeit geben. Dies ist bei der Beschäftigungsgesellschaft nicht mitbedacht, es ist nur wenigstens nicht ausgeschlossen, dass ein Sinn noch nachgereicht wird.So ist diese Form insgesamt besser als der „Solidarpakt für die Bergleute“, den der bisherige Unionsministerpräsident Müller in die Wege geleitet hat und der einfach auf Umschulungsmaßnahmen hinausläuft, die neue Arbeit nicht garantieren. Besser, doch nicht am besten. Ein Bürgermeister aus Lothringen hat nach dem Grubenerdbeben bemerkt, die Notwendigkeit des Kohleausstiegs in der ganzen lothringisch-saarländischen Montanregion sei doch schon seit Jahrzehnten bekannt. Mit jahrzehntelanger Voraussicht, wie die französische Regierung sie gezeigt habe, könne er dann auch bewältigt werden. Das Stichwort dafür heißt „Strukturwandel“.Darum geht es genau. Warum legt die Linke kein Konzept des Strukturwandels vor? Auch die Saargrünen füllen die Lücke nicht aus. Der Unionsministerpräsident hatte freilich sein Konzept: Mehr Autoindustrie soll die Ausfälle beim Bergbau ersetzen. Ausgerechnet. Auch in Lothringen war der Strukturwandel nicht zuletzt ein Wandel zum Auto hin. Lothringen ist nicht das Vorbild. Wahr ist aber, dass eine Opposition, die ihren Namen verdient, der Gesellschaft und darunter den Bergleuten Wege zum Strukturwandel aufzeigen muss. Es müsste nur der Wandel zum ökologischen Umbau sein, statt zum Auto.