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Jürgen Todenhöfer

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Politik : Eine Sonntag-Redakteurin zeigt Arbeitshaltung

Ironie der Geschichte – der "Sonntag" veröffentlicht die erste Reportage vom Mauerfall in der gleichen Ausgabe wie die Reden von der Kundgebung am 4. November 1989

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Die Redaktion der Wochenzeitung Sonntag hat im Herbst 1989 ihre Redaktionsräume in der Berliner Niederwallstraße. Sie befinden sich im Gebäude der ehemaligen Stadtvogtei unweit des Hausvogteiplatzes – nach heute üblichem Vokabular einst der Standort für die Berliner Konfektions- und Modebranche. Allerdings nur bis 1945 – der Zweite Weltkriegs zerstörte viele Ateliers, Werkstätten und Salons, so dass in den späten achtziger Jahren in diesem Teil der Berliner Mitte bestenfalls eine Ahnung von dem geblieben ist, was dieses Quartier in der Nähe des Gendarmen-Marktes einmal ausgemacht hat.

Zufall oder Absicht

Am 10. November 1989 streben die Journalisten vom Sonntag am frühen Vormittag hinaus ins Weite, von der Niederwallstraße in Richtung Westen. Doch allein die Kollegin Renate Rauch beweist die richtige Arbeitshaltung. Während die meisten Redakteure am gerade geöffneten Grenzübergang Invalidenstraße nur zusehen, wie sich ein Menschenstrom in Richtung Lehrter Bahnhof und Moabit bewegt, und sich dann doch zum Rückzug in die Mittagskantine des Aufbau-Verlages entschließen, folgt Renate Rauch den Grenzgängern und versorgte den Sonntag mit der ersten Story über den Mauerfall, der später noch andere folgen sollten. Dass sie ihrem Manuskript den Titel Wahnsinn gibt und darauf Wert legt, dass es dabei bleibt, liegt nicht nur in der Logik der Ereignisse, sondern ist auch dem kaum glaubhaften Vorgang geschuldet, dass eine zerrissene Stadt so urplötzlich und unerwartet wieder zueinander findet.

Bei diesem Text wie auch vielen anderen Berichten und Reportagen, die seinerzeit unter dem Eindruck des unmittelbaren Erlebens veröffentlicht oder gesendet werden, fällt auf: Man lässt sich von den Geschehnissen treiben und überwältigen, riskiert aber kaum ein Bewusstsein für deren Tragweite.

Bis heute ist nicht restlos geklärt, wie sich am 9. November 1989 historischer Zufall und politische Absicht wirklich begegnet sind. Anders formuliert, ob sich die damalige DDR-Führung völlig darüber im Klaren ist, worauf ihre neue Reiseregelung hinauslaufen muss. Deren vorzeitige Bekanntgabe durch Günter Schabowski vor der internationalen Presse am Abend des 9. November hat den Ansturm auf Ostberliner Grenzübergänge möglicherweise vorverlegt, doch kann die als Ministerratsbeschluss gedachte neuen Reiseordnung letzten Endes nur eine Konsequenz haben: Das Tor in den Westen wird aufgestoßen, ob es sich nun um die Westgrenze der DDR oder die Mauer in Berlin handelt.

Druck aus dem Kessel

Am 7. November 1989 hat die CSSR-Regierung wegen des noch immer anhaltenden Andrangs von DDR-Flüchtlingen, die weiter versuchen, über die Prager BRD-Botschaft in den Westen zu kommen, damit gedroht, die Grenze zur DDR zu schließen – das hätte das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Insofern soll die neue Reiseordnung zunächst einmal Druck aus dem Kessel nehmen und für all jene DDR-Bürger gelten, die ihren ständigen Wohnsitz unwiderruflich in die Bundesrepublik oder einen anderen Staaten verlegen wollen.

Dazu haben Egon Krenz als Staatsratsvorsitzender sowie DDR-Außenminister Fischer die sowjetische Seite konsultiert und sich die Zustimmung des damaligen Außenministers Schewardnadse geholt. Als die Regelung am 9. November generell auf sämtliche Privatreisen ausgedehnt und vom gerade tagenden SED-Zentralkomitee abgesegnet wird, hat es eine letzte Feinabstimmung mit der sowjetischen Botschaft vermutlich nicht mehr gegeben, wie sich ungehaltenen Nachfragen von Botschafter Kotschemassow im Namen von Gorbatschow und Schewardnadse am Vormittag des 10. November entnehmen lässt.


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