Auf wenig ist so viel Verlass wie auf regelmäßige Denunziationen und Gerüchte gegen Linke aus dem Hause Springer. Miriam Hollstein von der Welt berichtete am 22. August, „Wagenknecht als talentierte Demagogin“ lasse „Lafontaine alt aussehen“ bei ihrem Bundestagswahlkampf in NRW. Drei Monate später kolportiert Miriam Hollstein das von den Spiegel-Autoren Stefan Berg und Markus Deggerich sowie der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in die Welt gesetzte Gerücht, von einer „Affäre des Linken Parteichefs Oskar Lafontaine mit seiner Genossin Sahra Wagenknecht“.
Selbst wenn an dem Gerücht etwas dran wäre, beschäftigen solche Geschichten aus dem Privatleben nur den Blut- und Sperma-, aber nicht den Qualitätsjournalismus. Der vorliegende Fall demonstriert jedoch exemplarisch, wie symbiotisch die beiden Arten mittlerweile zusammenleben. Am Montag kamen die Spiegel-Leute mit ihrem Gerücht an die Öffentlichkeit. Am Dienstag berichteten praktisch alle Zeitungen mindestens distanziert darüber. Und am Dienstagnachmittag platzten dann die Spekulationen über die Motive für Lafontaines Rückzug vom Amt des Fraktionsvorsitzenden.
Die Saarland-Grünen mit ihrem Vorsitzenden Hubert Ulrich, den sein Parteifreund Daniel Cohn-Bendit einen „Mafioso“ nennt, bastelten aus dem Teilrückzug aus Berlin nachträglich ein Motiv für die Jamaika-Koalition mit der CDU und der FDP. Die Teil-Rückkehr Lafontaines an die Saar wurde so zum Argument gegen eine rot-rot-grüne Koalition frisiert. Die Grünen erklärten ihre Erfindung, Lafontaine wolle gleichsam Neben-Ministerpräsident an der Saar werden, nachträglich zum Grund für ihre Ablehnung einer rot-rot-grünen Koalition. War es für den Spiegel eben noch die angebliche „Affäre“ mit Wagenknecht, die Lafontaine zum Verzicht auf das Amt des Fraktionsvorsitzenden bewog, so schwenkte man nun um auf „Krebs“, weil Lafontaine inzwischen ankündigte, er wolle sich am Donnerstag einer Krebsoperation unterziehen.
Erledigt haben sich über Nacht die Spekulationen über Lafontaines Gesundheitszustand ebenso wie das Konstrukt, Lafontaines Ehefrau Christa Müller habe „ihren Oskar“ an die Saar zurückbeordert, um ihn von Sarah Wagenknecht fernzuhalten. Sex, Krebs, Gesundheitszustand, Rückzug aus einem politischen Amt – alles einerlei, wenn der Spiegel und andere Blätter mit vereinten Kräften zur Jagd auf Linke blasen.
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