Hungerstreik Seit vier Wochen ist Aminatou Haidar im Hungerstreik.Weltweit appellieren Prominente an den marokkanischen König, der Menschenrechtsaktivistin die Einreise zu erlauben
Eine Frau aus der Westsahara, Aminatou Haidar, ist auf dem Flughafen von Lanzarote im Hungerstreik und dem Tode nah. Ihr wurde die Einreise in ihr eigenes Land verwehrt, weil sie sich geweigert hatte, auf dem Ausreiseformular „marokkanisch“ als Nationalität anzugeben. Ihr wird der Kontakt zu ihren beiden Kindern in ihrer Heimatstadt El Aaiún verweigert, die von Marokko besetzt ist. Der Internationale Gerichtshof hat entschieden, dass die Sahrauis, die Bürger der Westsahara, ein Recht auf Selbstbestimmung haben. Marokko hält das Land unrechtmäßig besetzt. Trotzdem wurde Haidar ihr Pass abgenommen und sie wurde willkürlich in ein Flugzeug nach Spanien gesetzt.
Zeit für Klartext
Wir wurden darum gebeten, einen offenen Brief an den spanischen K
an den spanischen König zu unterzeichnen, den bereits eine Menge brillianter Autoren, Künstler, Politiker und Gewerkschaftler unterschrieben haben. Der Brief drängt darauf, dass Juan Carlos bei König Mohammed VI. intervenieren soll, um Haidars Leben zu retten. Wir respektieren den guten Willen der Unterzeichner und es ist uns klar, dass alle sich inständig wünschen, dass sich eine Tragödie vermeiden lässt. Wir hoffen von ganzem Herzen, dass die Initiative erfolgreich sein wird und dennoch sind wir davon überzeugt, dass sie unzureichend ist. Sie macht eines unmissverständlich klar: König Mohammed hält im Marokko die Macht in den Händen. Der Brief appelliert im Wesentlichen an den spanischen König, er möge den marokkanischen König darum bitten, uns allen einen „Gefallen“ zu tun und dieses Schlamassel beenden. Wenn doch nur ... und viel Glück.Es ist an der Zeit Klartext zu sprechen, anstatt weiterhin vor diesem Monarchen den Kopf zu senken. Mohammed VI. ist der achtreichste Herrscher der Welt, dem US-Magzin Forbes zufolge beläuft sich sein Vermögen auf 2 Milliarden US-Dollar. Laut seinem Wikipediaeintrag verfolgen Mohammed und seine Familie ein großes Handelsinteresse, das sich auf Minen, Lebensmittelverarbeitung, Einzelhandel und Finanzgewerbe erstreckt. Der Etat, den der Palast tagtäglich verschlingt, ist darüber hinaus astronomisch. Unabhängig von Mohammeds gigantischem Privatvermögen und seinem überragenden Einfluss auf die politischen Institutionen des Landes, ist Marokko ein Land, das internationale Abkommen mit verbindlichen Verpflichtungen unterschrieben hat. Mohammed VI. benimmt sich wie ein mittelalterlicher Despot, wenn er diese internationalen Standards missachtet, zu denen die Menschenrechte und die Anerkennung des Internationalen Gerichtshofes gehören.König Mohammeds Außenpolitik ist barbarisch und stinkt zum Himmel. Wenn es Schwierigkeiten gibt, dann droht er indirekt damit, er werde unzählige verzweifelte, verarmte Marokkaner über die Meerenge nach Europa entlassen. Oder er droht in Fragen des „Terrorismus“ die Zusammenarbeit zu verweigern und die islamischen Fundamentalisten gewähren zu lassen.Der König ist ein Heuchler. Im Juni 2000 empfing er die Ehrendoktorwürde der George Washington University „für seinen Einsatz für die Demokratie in Marokko“. Dieser Titel sollte ihm aberkannt werden. In einer Rede, die er am 4. November hielt, erklärte er, man sei „entweder ein Patriot oder ein Verräter“. Er verurteilte damit all jene, die Marokkos Herrschaft über die Westsahara ablehnen und unterstützte die Unterdrückung des friedlichen Protests.Wenn Aminatou Haidar ihren Pass wiederhaben will, so verlangen Beamte Mohammed VI.s von ihr, dass sie den König schriftlich für die Frechheit, die Westsahara anstelle Marokkos als ihr Heimatland angegeben zu haben, um Entschuldigung bittet. Sie verlangen dies von einer Frau, die vier Jahre lang in einem geheimen Internierungslager gefangen war und gefoltert wurde. Ihr waren die Augen verbunden worden, sie wurde geknebelt, geschlagen, mit Elektroschocks gefoltert und ihr wurden Vergewaltigungen angedroht. Besäße König Mohammed VI auch nur einen Funken Menschlichkeit, dann würde er sie um Entschuldigung bitten.Während große Teile der muslimischen Welt von Gewalt und Verzweiflung durchdrungen sind und große Teile des afrikanischen Kontinents blutgetränkt sind, ist das Zentrum dieses Konflikts Aminatou Haidar, eine zerbrechliche Person, die sich dem gewaltfreien Widerstand verschrieben hat.Das Völkerrecht respektierenWir hoffen deshalb, dass König Mohammed VI. ein anderer Brief vorgelegt werden wird, bevor Aminatou Haidar stirbt. Ein Brief, der von Bürgern auf der ganzen Welt (unter ihnen auch der gewählte spanische Ministerpräsident Zapatero) unterzeichnet wird und von dem König und seiner Regierung verlangt, dass sie das Völkerrecht respektieren und sich der zivilisierten Welt anschließen.Wenn wir uns diesen kleinen Mann in seinem großen Palast vorstellen, wie er da neben seinem Telefon steht und nur einen Anruf machen müsste, um Haidar ihren Pass zurückzugeben und ihr zu erlauben ihre beiden todunglücklichen Kinder wiederzusehen, kommen uns die römischen Kaiser in den Sinn, die mit einer Bewegung ihres Daumens über das Schicksal ihrer Gefangenen entscheiden konnte. Mag sein, dass Mohammed VI. sich in seiner prächtigen Umgebung allmächtig fühlt, doch wenn er auch nur einen Hauch von Einbildungskraft und ein wenig Geschichtsverständis hat, dann würde er eines erkennen: Wenn er es zulässt, dass Haidar stirbt, dann wird der reine Geist ihres gewaltfreien Widerstands seine kleinkarierte Grausamkeit, wo immer er auch sein wird, für alle Zeiten überschatten. Sollte es so etwas wie Gerechtigkeit geben, dann wird er so behandelt werden wie George W. Bush von jenem Mann, der in Bagdad einen Schuh nach ihm warf: als eine königliche Persona Non Grata in einer zivilisierten Welt. Wir bitten nicht um irgendwelche Gefälligkeiten, die zwei Könige aus ihrem stillen Kämmerlein hervorzaubern. Wir verlangen als einfache Menschen Gerechtigkeit.Übersetzung: Christine Käppeler
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.