Nach dem Sieg des Vertriebenenbundes im Streit um die Besetzung des Stiftunsrates war die Empörung groß. Die SPD sprach von „Erpressung“, die Grünen zürnten, Merkel und Westerwelle hätten sich „am Nasenring durch die innenpolitische Arena schleifen“ lassen. Und die Linkspartei fürchtete „Schlimmstes für den Gedanken der Versöhnung als Aufgabe dieser Stiftung“.
Nicht zu Unrecht, immerhin hat ein Verband seinen Einfluss ausweiten können, der nicht nur geschichtspolitisch im Gestern steht, sondern auch auf eine mit braunen Flecken übersäte Historie zurückblickt. Eine Aufarbeitung der BdV-Vergangenheit war von diesem selbst lange für unnötig, mindestens aber unbezahlbar gehalten worden R
orden – von Präsidentin Erika Steinbach ist der Satz überliefert, man habe sich „da nichts vorzuwerfen“.Inzwischen sitzt das Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ) an einer „gruppenbiografischen Studie“. Ergebnisse gibt es noch nicht, wohl aber eine kleine Aufregung um die Expertise. Die Linksfraktion im Bundestag hat sich jetzt bei der Bundesregierung nach den Umständen erkundigt, unter denen diese zustande gekommen ist: Wer bezahlt was nach welchen Kriterien und zu welchem Zweck?Ein Rückblick: Schon im Sommer 2006 hatte der Spiegel zur Geschichte des BdV recherchiert. „Ein Blick in die Archive zeigt tatsächlich, dass die Vertriebenenführungsspitze der ersten drei Jahrzehnte noch stärker mit Ex-Nazis durchsetzt war als vermutet: Von knapp 200 hochrangigen Funktionsträgern des BdV und seinen Vorgängerorganisationen, von Landesverbänden und Landsmannschaften in der Zeit vor 1982 finden sich über ein Drittel in der Mitgliedskartei der NSDAP oder werden durch andere Quellen belastet. Betroffen sind gleich drei ehemalige BdV-Generalsekretäre und mehrere Vizepräsidenten“, schrieb das Magazin. „Der Anteil der SS-Mitglieder liegt ungefähr dreimal so hoch wie im Durchschnitt der Bevölkerung.“Ausmaß individueller SchuldDie Autoren kam damals zu dem Schluss, dass man noch gar nicht recht Schlüsse ziehen könne: „Die Dokumente werfen viele neue Fragen auf – nicht zuletzt nach dem Ausmaß individueller Schuld.“ Steinbach, damals dazu befragt, nannte die Zahlenangaben "nicht sehr aussagefähig" und meinte, sie habe "nicht den Eindruck, dass die Vertriebenen einen größeren Anteil an Tätern in ihren Reihen haben als der Rest der Nation". Die CDU-Politikerin steht dem BdV seit 1998 vor, die Darstellung der eigenen Geschichte auf der Homepage des Verbandes ist mit dürftig noch sehr zurückhaltend beschrieben.Die Linksfraktion im Bundestag hatte die Berichterstattung seinerzeit zum Anlass genommen, die Bundesregierung zu befragen. Im Mittelpunkt des Interesses: Wenn ohne größere Mühe Journalisten die Nazi-Tradition im BdV enthüllen konnten, hätte dies mit ein wenig Anstrengung auch den Ministerien bekannt sein können, die den Vertriebenenbund mit beträchtlichen Summen an Steuergeld alimentieren. Und es hätte dann durchaus der Gedanke nahe gelegen, diese Förderung zu überdenken. Oder wenigstens, sozusagen als Voraussetzung für weitere Zuwendungen, auf eine kritische Aufarbeitung der BdV-Geschichte zu drängen.Die Vertriebenen-Organisation erhielt zu dieser Zeit nach Angaben des Innenministeriums jährlich 920.000 Euro aus dem Bundeshaushalt, dazu weitere 70.000 bis 90.000 Euro Projektmittel unter anderem „zur Förderung des friedlichen Miteinanders mit den Völkern Ostmittel-, Ost- und Südosteuropas“ sowie noch einmal rund eine Million Euro vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für die Spätaussiedler-Integration und Beratungsaufgaben. Der Spiegel-Bericht über die BdV-Vergangenheit scherte die Bundesregierung wenig. Die große Koalition ließ im September 2006 antworten: Sie bewerte „keine für sie nicht nachprüfbaren Pressemeldungen über behauptete, in der Vergangenheit liegende Vorgänge bei zivilgesellschaftlichen Zuwendungsempfängern“ und sehe es auch nicht als ihre Aufgabe an, die Geschichte des BdV zu erforschen."Geld, das wir nicht haben"Dennoch brachte der Beitrag des Hamburger Magazins Bewegung in die Angelegenheit. Erika Steinbach, die vorher den Standpunkt vertreten hatte, Aufarbeitung der BdV-Vergangenheit „kostet Geld, das wir nicht haben“, stellte nun eine wissenschaftliche Untersuchung in Aussicht. Beim Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ) wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die bereits 2008 abgeschlossen wurde – "mit dem wenig überraschenden Ergebnis, dass eine Aufarbeitung möglich sei", wie der Spiegel schreibt.Das Forschungsprojekt „über Präsidialmitglieder des Bundes der Vertriebenen“ geht der Frage nach, „ob und in welchem Ausmaß Angehörige dieser Personengruppe in die nationalsozialistische Diktatur verstrickt waren“. Erstes Ergebnis der wissenschaftlichen Bemühungen des IfZ war ein „internes Arbeitspapier“. Dieses, erfährt man beim Institut, benennt „die zu untersuchende Personengruppe, fasst das unmittelbar zugängliche Material zu den Lebensläufen zusammen und zeigt schließlich auf, welche weiteren Arbeitsschritte die wissenschaftliche Überprüfung dieser Informationen erfordert“. Im vergangenen Jahr wurden dann „Archivstudien durchgeführt“, eine „weitaus umfangreichere Arbeit“, die offenbar vom Bundesinnenministerium bezahlt wurde. Ergebnis ist eine Materialsammlung, die nun zur Vorbereitung einer „dritten Projektphase“ dient – diese soll noch 2010 abgeschlossen werden.Gemessen am bisherigen Kenntnisstand der Öffentlichkeit sind diese Erläuterungen von IfZ-Sprecher Bernhard Gotto geradezu ausführlich zu nennen. Doch die Klarstellung kam nicht aus heiterem Himmel. Ende Januar war es wiederum der Spiegel, der das Thema aufgenommen hatte. Der Bund der Vertriebenen verweigere die Mittel zur Fortsetzung des Projekts und habe „auch bisher kein Geld zur Verfügung gestellt“, hieß es. Institutsdirektor Horst Möller wolle auch nicht preisgeben, „woher die Mittel für die Machbarkeitsstudie stammen“, schrieb das Magazin.Beim IfZ brauchte man dann noch ein paar Tage, bis am 12. Februar die „Gerüchte und Fehlinformationen“ über das Vertriebenen-Projekt richtiggestellt wurden. Zum möglichen Ergebnis der Forschungen über die BdV-Spitze früherer Jahre könne und wolle sich das Institut noch nicht äußern – erst wenn die dritte Projektphase abgeschlossen sei, werde man „quellenmäßig fundierte Ergebnisse veröffentlichen“. In der Zwischenzeit hatte die Linksfraktion ihre Anfrage an die Bundesregierung gestellt, die entsprechende Drucksache trägt das Datum vom 10. Februar. Auf die Antwort der nunmehr schwarz-gelb tragenden Koalition darf man gespannt sein.