Die israelische Regierung will NGOs stärker auf ihre Geldgeber kontrollieren. Die Initiativen wehren sich. Doch zeigt der Konflikt auch deren gewachsenen Einfluss
Das Bündnis an Initiativen, das am Wochenende in der israelischen Hauptstadt Tel Aviv demonstrierte, war breiter als sonst. Unter dem Motto "Demonstration (since it's still possible) for democracy” protestierten mehrere tausend Israelis für den Erhalt der Demokratie in Israel.
Hintergrund ist ein Gesetz, das die Knesset vor knapp zwei Wochen verabschiedet hat. Es sieht einen parlamentarischen Ausschuss zur Untersuchung von Finanzquellen linker Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vor. Kritiker unterschiedlicher politischer Spektren werten dies als Angriff auf die israelische Demokratie. Die Demonstrationsteilnehmer trugen Transparente mit den Aufschriften "Frieden statt Kriegsverbrechen" und "Demokratie schützen, damit sie uns schützt". Weiterer Anlass der Proteste
r Proteste war ein ebenfalls kürzlich erlassenes umstrittenes Gesetz, nach dem nicht-jüdische Antragsteller vor der Einbürgerung ein “Loyalitätsversprechen” gegenüber dem "demokratischen und jüdischen Staat Israel" abgeben müssen.Der Parlamentsabgeordnete Nitzan Horowitz von der linksliberalen Partei Meretz erklärte gegenüber der Zeitung Haaretz, die Verfolgung von Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen habe einen neuen Tiefpunkt erreicht. Initiativen wie die Menschenrechtsorganisation B'etselem, das Public Committee Against Torture in Israel und Breaking the Silence lehnen die Untersuchung ab. Über ein Dutzend Organisationen weisen in einem offenen Brief auf den rein deklatorischen Charakter der parlamentarischen Untersuchung hin, “Wir haben nicht zu verbergen”, heißt es in der Erklärung, alle Informationen zu Spendern seien ohnehin auf den jeweiligen Internetseiten einsehbar.Der so genannte Dritte oder Nonprofit-Sektor Israels verfügt weltweit über eines der größten Finanzvolumen, das sich zu einem beachtlichen Teil aus internationaler Hilfe der EU-Länder und der USA zusammensetzt. Ein breites Spektrum unterschiedlicher Akteure engagiert sich in der Konfliktbearbeitung und hat in der Vergangenheit an gesellschaftlichem Einfluss gewonnen. Selbstverständlich decken sich die Herangehensweisen dieser Initiativen nicht grundsätzlich mit staatlichen Ansätzen der Konfliktlösung. Doch insbesondere die Vergabekriterien von europäischen Hilfsgeldern sorgen in Israel immer wieder für Irritationen. Beispielsweise hat sich die EU 2001 mit der Finanzierung judenfeindliche Schulbücher für Palästinenser blamiert. Aktuell wirft die in Jerusalem ansässige Organisation NGO-Monitor den Niederlanden vor, die Nachrichtenseite Electronic Intifada finanziell zu unterstützen. Laut NGO-Monitor wird das israelische Militär auf der genannten Seite mit Nazis verglichen und zum Boykott von Israel aufgerufen.Das äußerste rechte Spektrum der israelischen Regierung wirft Menschenrechtsorganisationen immer wieder vor, Terroristen zu unterstützen und die Armee des Landes schwächen zu wollen. Im Fokus stehen zumeist Initiativen, die Aktivitäten des Militärs und den Siedlungsbau in Israel beobachten. Die Soldatenorganisation Breaking the Silence sorgt immer wieder für Diskussionsstoff, weil sie Berichte ehemaliger Soldaten über ihren Einsatz in den palästinensischen Gebieten veröffentlicht, die zum Teil Menschenrechtsverletzungen seitens der israelischen Armee nahelegen. Auch die umstrittene Nicht-Regierungsorganistation Peace Now war in der Vergangenheit harscher Kritik ausgesetzt, weil sie israelischen Siedler auf internationaler Ebene in Verruf bringt und Informationen an ausländische Regierung weiterleitet. Während der Demonstration am vergangenen Samstag ließ sich der Generaldirektor der Organisation Yariv Oppenheimer zu der Bemerkung hinreissen, der ultra-nationale Außenminister Avigor Liebermann, der den Vorschlag zu einer Untersuchung der NGOs ins Parlament eingebracht hatte, sei für Israel eine größere Bedrohung als der Iran. Peace Now veröffentlicht regelmäßig Berichte über israelische Siedlungen, im vergangenen Jahr kritisierte sie die Verstärkung der Siedlungsaktivitäten in Ostjerusalem, weil diese die Möglichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung massiv gefährdenDie größte Sorge der Regierung ist, dass Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen dem Ansehen Israels im Ausland schaden. Diesbezüglich entgegnete eine Sprecherin des New Israel Fund, die politische Verfolgung von Menschenrechtsgruppen werde einen viel größeren Schaden anrichten. Auch ein Kommentar der Jerusalem Post warnt angesichts der anhaltenden Serie von Verdächtigungen, wobei selbst Flüchtlingsorganisationen antizionistische Aktivitäten oder die Kollaboration mit Terroristen unterstellt werden, vor einer “Erosion der Demokratie”. Ohnehin marginalisierte Gruppen, Positionen und Orientierungen würden mehr und mehr an den Rand gedrängt und delegitimiert, während sich der politische Diskurs nach rechts verschiebe. Allein deshalb sei das gesteigerte Kontrollbedürfnis der amtierenden israelischen Regierung unverhältnismäßig. Doch zeigt diese Angst vor Kontrollverlust umgekehrt womöglich auch, dass die Regierung unter Benjamin Netanjahu ihre Stabilität schwinden sieht – ein Unbehagen, das durch den neuerlichen Verlust an Parlamentssitzen nach der Spaltung des Koalitionspartners Arbeitspartei zu Wochenbeginn noch gewachsen sein dürfte.