Besser hätte der Einstieg nicht sein können. Als der Republikaner 1981 erstmals als Präsident vereidigt wurde, ging am gleichen Tag die „iranische Geiselkrise“ zu Ende
Am Washingtoner Nationalflughafen kam es zu erheblichen Verspätungen an diesem kalten 20. Januar 1981. Auf den Rollbahnen südlich des Potomac-Flusses drängten sich Privatjets. Deren Eigentümer waren zum Feiern in die Hauptstadt gekommen. Ronald Reagan, Sportmoderator im Hörfunk, später Schauspieler, viele Jahre Werbesprecher für den Elektro- und Rüstungskonzern General Electric, Gouverneur von Kalifornien und charmanter Vertreter eines konservativen Republikanertums, wurde an diesem Tag ins Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten eingeführt.
Der 69-jährige Reagan, scheinbar kein graues Haar auf dem Kopf, zu seiner Seite Nancy Reagan, ganz in Rot. Der scheidende Präsident Jimmy Carter kehrte nach Plains in Georgia zurück. E
#252;ck. Er ging dorthin, wo seine Geschichte einst anfing – er war U-Boot-Offizier und Erdnussbauer, bevor er es bis ins Weiße Haus gebracht hatte. Der Demokrat hatte 41 Prozent der Stimmen bekommen, Reagan 51 Prozent und der unabhängige John Anderson sieben. Damit begann in Washington eine Ära, die man heute manchmal noch die „Reagan-Revolution“ nennt. Es wurde gefeiert, auch wenn der zur Schau gestellte Luxus selbst manche Konservative störte angesichts der misslichen Wirtschaftslage – 1981 lag die Inflationsrate bei zwölf Prozent, die Arbeitslosenquote bei sieben, während Zinsraten von über 20 Prozent gezahlt werden mussten.Freiheit zum Geld verdienenBesonders in schlechten Zeiten sähen es die Menschen gern, wenn Reichtum sichtbar gemacht werde, beschwichtigte Reagans Freund Charles Wick, der künftige Chef der Informationsbehörde United States Information Agency (USIA). Nach Umfragen waren Ende 1980, im vierten Carter-Jahr, nur 20 Prozent der Ansicht, dass die USA „auf dem richtigen Weg“ seien. Viele Wähler akzeptierten die Einladung zur Reise in ein Disney-artiges Reaganland, in dem grenzenloser Optimismus herrschte, weil die USA etwas Einzigartiges darstellten, wie Reagan in seiner Amtseinführungsrede betonte. Dieser Präsident habe ein gutes Gespür gehabt für Landsleute, die „keine Geduld haben für Ungewissheiten“, kommentierte der Historiker Garry Wills.„Wir Amerikaner haben heute wie früher die Fähigkeit, das zu tun, was getan werden muss, um die letzte und mächtigste Hochburg der Freiheit zu bewahren“, sagte Reagan. Und dabei sei „die Regierung nicht die Lösung zu unserem Problem“. Das war der Kern der „Revolution“. Der Geist einer Solidarität, wie sie die Sozialgesetzgebung in den dreißiger und sechziger Jahren geprägt hatte, wurde verdrängt vom Verlangen nach „Freiheit“ von einem angeblichen Vormund namens Regierung. Angesagt waren soziale Kürzungen. „Reagan war der netteste Präsident, der jemals eine Gewerkschaft zerschlagen“ und die Milchrationen bei Schülern reduziert hat, kommentierte der Autor Robert Lekachman. Und drastische Steuererleichterungen für die Wohlhabenden bewirkte, die angeblich die Wirtschaft ankurbelten, wäre zu ergänzen. Reagans Wirtschaftsberater Martin Feldstein schrieb dazu: Die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit sei ein „großes Puzzle“. Aber: „Wenn Sie mich fragen, ob es uns beunruhigen soll, dass einige Leute auf der Wall Street und Basketballspieler einen Haufen Geld verdienen, ich würde sagen – nein.“ Freiheit war eben Freiheit zum Geld verdienen.Das hielt sich auch bei Reagans Nachfolgern. Heute besitzt das reichste Prozent amerikanischer Haushalte mehr als die unteren 90 Prozent, wie der Politikwissenschaftler Jeffrey Sachs nachrechnete. Die Privatjets waren Anfang 1981 zur richtigen Party gekommen. Und dazu hätte Hollywood kaum erfinden können, was sonst noch passierte an diesem 20. Januar 1981: Nur Minuten nach Reagans Amtseid ging die „iranische Geiselkrise“ zu Ende. Die Regierung in Teheran ließ 52 US-Botschaftsangehörige frei, die nach dem Sturm auf das „Nest der Spionage“ (sprich: die US-Botschaft) 444 Tage lang von „militanten Studenten“ festgehalten worden waren. Eine Boeing 727 der algerischen Fluglinie brachte die Geiseln außer Landes. Die Sache hatte Carter schwer zu schaffen gemacht: Stützte sie doch das von den Republikanern aufgebaute Image der Schwäche des demokratischen Präsidenten. Inzwischen liegt der Verdacht nahe, dass es für die eigenwillig getimte Freilassung ein Drehbuch gab: Geschrieben von Reagans Wahlhelfern einschließlich des späteren CIA-Direktors William Casey. Ganz sicher wird man es nie wissen, aber der damalige iranische Präsident Bani Sadr (1980/81 im Amt), der seinerzeit im Nationalen Sicherheitsrat für den Persischen Golf zuständige Berater Gary Sick und Enthüllungsjournalisten (unter anderem für die Sendung Frontline) lassen wenig Zweifel – es hat offenbar einen Deal zwischen der Reagan-Wahlkampagne und iranischen Regierungsvertretern gegeben: Die Geiseln kommen erst nach Reagans Amtsantritt frei – die Islamische Republik erhält im Gegenzug via Israel „beträchtliche“ Lieferungen amerikanischer Rüstungsgüter.Was anfangs eher unwahrscheinlich schien – die Republikaner dealen mit dem islamischen Erzfeind –, fiel spätestens Ende der achtziger Jahre in die Kategorie „durchaus denkbar“. 1991 forderte selbst Jimmy Carter eine umfassende Untersuchung. 1986 war eine in den Worten von Außenminister George Shultz „perverse Geheimaktion“ aufgeflogen: Mit israelischer Hilfe sowie amerikanischer und iranischer Waffenhändler verkauften die USA TOW-Anti-Panzerraketen und Hawk-Flugabwehrraketen an die Regierung in Teheran, der sich im Gegenzug für die Freilassung amerikanischer Geiseln in Beirut einsetzte. Die Profite flossen an die nicaraguanischen Contra-Rebellen, Reagans „Freiheitskämpfer“ gegen die „marxistischen“ Sandinisten.Der Präsident hat sich im offiziellen Iran-Contra-Untersuchungsbericht möglichst weit von der Affäre distanziert, räumte aber in seinem Tagebuch am 17. Januar 1986 eher beiläufig ein, er habe an diesem Tag dem Verkauf der TOW-Raketen zugestimmt, um „unsere fünf Geiseln aus dem Libanon rauszukriegen“. Im weiteren befasst sich dieser Eintrag mit der Einnahme von Abführmitteln und Reagans Darmspiegelung und anderen Vorsorgeuntersuchungen, die zu dem erfreulichen Befund geführt hätten, dass „der Doktor (eine Frau) sagte, meine Innereien sehen so aus wie die eines um 20 Jahre jüngeren Mannes“.Gegen die UdSSRIn seiner Ansprache bei der Amtseinführung zog Ronald Reagan klare sicherheitspolitische Linien. Es war die Zeit der sowjetischen SS-20-Mittelstreckenraketen und des NATO-Doppelbeschlusses mit der geplanten Stationierung von Pershing-2-Raketen in Westdeutschland – eine Zeit auch der Friedensbewegung, weil Atomstrategen laut über einen „gewinnbaren“ Nuklearkrieg nachdachten. Reagan erklärte beim Amtsantritt: Die USA würden so rüsten, dass „wir den Sieg davontragen“ können. Derartig gerüstet zu sein, gebe einem auch die beste Chance, „seine Stärke nie benutzen zu müssen“.Der Reagan von 1981 gilt seinen Anhängern bis heute als Visionär, der den Kalten Krieg dank seiner harten Linie gegen die Sowjets siegreich zu Ende gebracht hat. Das Risiko war groß. Reagans Rhetorik und die forcierte Aufrüstung, die Strategische Verteidigungsinitiative (SDI) und eine psychologische Kriegführung gegen die UdSSR, so eine 2007 publizierte CIA-Studie über das sowjetische Denken im Kalten Krieg, führten dazu, dass die Moskauer Führung in den achtziger Jahren tatsächlich der Ansicht war, die Gefahr eines US-Angriffs sei merklich gestiegen. Heftige Propaganda gegen Reagan hätte diese Besorgnis maskieren sollen. KGB-Männer, so die Studie, seien beauftragt gewesen, Nacht für Nacht in Washington zu prüfen, ob im Pentagon ungewöhnlich viele Fenster erleuchtet waren.Washingtons Flughafen, auf dem einst die Privatjets landeten, heißt heute Ronald-Reagan-National-Airport. Der ehemalige Präsident verstarb 2004 nach Jahren des Leidens an der Alzheimerschen Krankheit.