Himmelfahrtskommando "Partnering"

Afghanistan Eine eindringliche Lektion ist mit dem Tod der drei Bundeswehrsoldaten auf einem Außenposten in Kunduz verbunden, weil damit eine Strategie in Frage gestellt wird

Das so genannte „Partnering'“ mit der afghanischen Nationalarmee (ANA) soll den Eindruck erwecken: Von der Ausbildung einheimischer Soldaten bis zur Sicherheitspartnerschaft tut die Bundeswehr, was möglich ist, um 2014 das Feld räumen zu können. Doch die Risiken dieser Einsatzstrategie sind hoch und tödlich, wie der Zwischenfall vom 18. Februar am Außenposten "Op North" im Norden des Landes bezeugt. Zugespitzt formuliert: die im Raum Kunduz stationierten Bundeswehrsoldaten stehen mit ihrem Leben dafür ein, dass Abzugsabsichten von Merkel, Westerwelle und zu Guttenberg nicht nur überzeugend klingen, sondern glaubwürdig erscheinen. „Partnering“ als Übergang zum Ausstieg – dieses Modell hat es nach dem 18. Februar mehr denn je verdient, auf seine Brauchbarkeit hin befragt zu werden. Denn Bundeswehr und Nationalarmee sind einander nicht als Waffenbrüder verbunden, sondern als Partner zugeordnet, weil die Umstände dazu zwingen.

Genau darin wurzeln Unwägbarkeit und Risiko. Bevor sie als Speerspitze nationaler Wehrhaftigkeit in Betracht kommt, ist Hamid Karzais Nationalarmee zunächst ein Mikrokosmos der afghanischen Gesellschaft. Wenn die mehrheitlich den Abzug der fremden Militärs wünscht – welchen Einfluss hat auf die inzwischen fast 100.000 Soldaten der ANA? Noch dazu, wenn ihnen die Partner zu verstehen geben, sie würden nur noch Besatzer auf Zeit sein. Sollte tatsächlich 2014 die NATO zum großen Exodus ausholen, wird nicht nur die Besatzungsmacht, sondern auch die Schutzmacht der afghanische Nationalarmee ihren Abschied nehmen. Was wird dieses Heer in den Augen vieler Afghanen dann sein? Ein verachteter Haufen von Kollaborateuren oder die jederzeit belastbare Säule der nationalen Sicherheit?

Das darauf keine eindeutige Antwort gegeben werden kann, verweist auf eine höchst widersprüchliche Situation, in der sich diese Armee befindet. Sie soll im Verbund mit dem ISAF-Verbänden Aufständische bekämpfen, auf die aber ein Nachkriegsregime in Kabul angewiesen sein könnte, um regierungsfähig zu sein. Damit wird militärische Konfrontation des Jahres 2011 zwangsläufig zum Vorspiel von politischer Koexistenz im Jahr 2014. Alles andere erscheint unrealistisch und kakuliert innere Zerreißproben ein, die in einen Bürger-, Warlord- oder auch Glaubenskrieg mit den Taliban münden können. Wer als Soldat der ANA in dieser Grauzone der Ungewissheiten sein Leben in die Waagschale werfen soll, kann nicht wirklich motiviert sein, dies zu tun. Der kann sich im Affekt auch an die halten, die ihm die eigene persönliche Zerreißprobe mutmaßlich beschert haben, sein Land seit einem Jahrzehnt in Schach halten und für sich selbst einen möglichst schadlosen Abgang suchen.

Es kommt hinzu, dass im Vielvölkerstaat Afghanistan lokale Autorität und tribale Tradition die Skepsis gegenüber dem Zentralstaat und seinen Instituten, also auch der Armee, nie versiegen lassen. Ob nach 2014 regionale Loyalität gegenüber zentralem Willen einen Aufschwung erfährt, darf bezweifelt werden. Wer unter all diesen Umständen in der Nationalarmee dient und sich von fremden Militärs ausbilden lässt, hat mindestens eine ungewisse – um nicht zu sagen: belastete – Zukunft vor sich. Davon wird das „Partnering“ überschattet. Wie sehr, das zeigen die Todesumstände für die Bundeswehrsoldaten im Außenposten Op North. Sie sind auch Opfer einer gefährlich inkonsistenten Strategie, für die besonders die Bundesregierung Verantwortung trägt. Wieder einmal zeigt sich, das eine militärische Strategie niemals politische Defizite kompensieren kann. Und die sind im Blick auf das Jahr 2014 und die Zeit danach augenblicklich gravierend. Die Soldaten der afghanischen Nationalarmee müssen wissen, wofür sie kämpfen, und welche Nachkriegsordnung sie erwartet. Solange dies nebulös, um nicht zu sagen offen völlig bleibt, empfinden sie sich zu Recht als Manövriermasse, auf die es letzten Endes nicht ankommt, wenn die westliche Schutzmacht das Weite sucht.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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