Die Emissäre von nebenan

Afrikanische Union Höchste Zeit, dass sich der afrikanische Staatenbund demonstrativ engagiert, in Libyen politisch interveniert und dabei kein Handlanger der NATO sein will

Die Afrikanische Union (AU) hat sich bisher kaum als Anhänger von NATO-Luftschlägen gegen Libyen zu erkennen gegeben. Sie betrachtet einen derartigen Eingriff in innere Konflikte eines ihrer Mitgliedsstaaten mehrheitlich als unerwünschten Präzedenzfall. Von daher ist die diplomatische Offensive der fünf Staatschefs unter Führung des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma längst überfällig. Will der Staatenbund noch Einfluss auf den Gang der Ereignisse nehmen, dann jetzt. Die NATO-Intervention hat einen kritischen oder auch toten Punkt erreicht, die Bürgerkriegsparteien verharren alles in allem bei einem militärischen Patt, eine Waffenruhe wäre Gebot der Stunde und der Vernunft, die Situation der Zivilbevölkerung in den Kampfzonen wird immer prekärer. Sie kann zum Katalysator für eine humanitäre Intervention werden, die als militärisches Geleit für Versorgungskonvois und deren Routen daher kommt.

Nach Lage der Dinge dürfte es die NATO sein, die sich mit Truppen zu entsprechendem Vorgehen ermächtigt. Wer sonst? Bei kreativer Deutung kann die UN-Resolution 1973/2011 auch einen solchen Ausfallschritt rechtfertigen. Eine Legitimation durch eine weitere Libyen-Resolution des Sicherheitsrates ist gleichfalls denkbar, auch wenn sie wieder auf einem Mehrheitsvotum – keinem Konsens – fußen dürfte. Also müssen die Afrikaner um Zuma etwas tun, wollen sie nicht überrollt werden. Die AU als Zusammenschluss von 52 Staaten kann nicht darüber hinweg sehen, dass es um das politische Schicksal einer ihrer Galionsfiguren des vergangenen Jahrzehnts geht. Es war 2009, als ein AU-Gipfel Muammar al-Gaddafi für einen Jahr zum Präsidenten der Gemeinschaft wählte. Dies geschah nicht etwa deshalb, weil der Turnus vorschrieb, den „Bruder Oberst“ zu bedenken, sondern der als unbeirrbarer Afrikaner und Pan-Afrikaner in Erscheinung getreten war. Das Gros der Mitgliedstaaten sympathisierte mit seiner Philosophie des Trotzes, die Postkolonialismus genauso geißelte wie die im Gewand eines „demokratischen Interventionismus“ stattfindenden Eingriffe in die Souveränität afrikanischer Staaten. Es waren afrikanische Delegierte, die im Saal blieben und Beifall spendeten, als Gaddafi bei seinem Auftritt vor der UN-Generalversammlung im September 2009 den Westen scharf angriff und zu einer Entschädigung von 7,77 Billionen Dollar für die Kolonialzeit aufforderte. Das heißt, die Afrikanische Union hat sich vom libyschen Staatschef zu sehr führen und vereinnahmen lassen, als dass sie ihn jetzt einfach fallen lassen könnte.

Der von Jacob Zuma angeregte und von Gaddafi angenommene Waffenstillstand wird zunächst auf sich warten lassen, weil die Rebellen erst den Abgang ihres Feind erleben wollen. Aber schon morgen, bei anberaumten Gesprächen zwischen dem Übergangsrat aus Benghazi und den EU-Außenministern in Luxemburg, dürfte ein solch temporärer Kompromiss wieder auf der Tagesordnung stehen. Einfach deshalb, weil er der NATO willkommen wäre. Das Bündnis könnte eine sich hinschleppende Intervention aus der Luft durch ein Eingreifen am Boden ergänzen – die Kontrolle von Waffenstillstandslinien und der Schutz humanitärer Korridore bieten vorzügliche Anlässe. Ob eine solche Operation nun „humanitäre Mission“ oder „humanitäre Intervention“ genannt wird, erscheint zweitrangig. Entscheidend ist allein, die NATO setzt einen Fuß auf afrikanisches Territorium und kann einen ganzen Kontinent anders beeinflussen und kontrollieren, als das vor der Libyen-Krise der Fall war. Es wäre der Beweis erbracht, wie sich die Banner Demokratie, Menschenrechte, Freiheit, Liberalität und humanitäre Hilfe nutzen lassen, um westlichem Neo-Kolonialismus Vorschub zu leisten. Die NATO kann in Libyen vollbringen, was den USA im Irak misslang.

Möglicherweise wurde die Afrikanische Union zu spät in Tripolis und Benghazi vorstellig.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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