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Die Psychologie des Populismus

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Huub Buijssen

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256 Seiten

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Politik : Piraten an Bord

Im Wahlkampf hatten die etablierten Parteien oft nur Spott übrig für die Piraten. Das Wahlergebnis zeigt aber: Ihre vermeintliche Naivität ist Grund des Erfolgs

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Vor dem Tor musizieren zwei parteitreue Rastas mit Quetschkommoden im strömenden Regen. Als die Meute einfällt, liegen Prinzenrollen und selbstgeschmierte Stullen bereit. Und an der Bar kostet der Aufwärm-Schnaps mit Namen „Parliament“ vier Euro. Man kann der Berliner Piratenpartei nicht vorwerfen, dass sie etwas unversucht gelassen hat, um ihre Anhänger bei Laune zu halten. Und das, obwohl an diesem Sonntag wohl nichts so unnötig erscheint.

Das einzige, worum die Piraten bei ihrer Wahlparty bangen müssen, ist die Frage, ob sie mit ihren 15 Kandidaten auf der Landesliste genügend Menschen aufgestellt haben, um all die Sitze zu besetzen, die sie nun im Abgeordnetenhaus gewonnen haben. Als im Event-Lokal „Ritter Butzke“ die erste Prognose um 18 Uhr klar macht, dass die Internet-Partei etwa neun Prozent geholt hat, recken die meisten der Parteigänger im Jubel meist noch Limo-Flaschen in die Höhe. Bei der ersten Hochrechnung um 18.15 Uhr ist es dann meist schon Bier. Und als die Demoskopen um 18.40 Uhr die Partei von der 10-Prozent-Marke träumen lassen, weiß die Barfrau schon gar nicht mehr, wo sie jetzt noch eine Flasche „Parliament“ findet.

Als das Siegesgeschrei - und das Klingeln in den Ohren der Anwesenden – erst einmal verflogen ist, kommt der Berliner Landesvorsitzende Gerhard Anger zu einer ersten Einschätzung: „Ich sag mal... krass!“ Dann bricht der Jubel erneut los. Im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 haben die Piraten die Zahl der Stimmen in Berlin auf etwa 120.000 verdoppelt. Anders als früher überzeugten sie nun nicht vor allem Jungwähler, sondern punkteten auch bei Wählern, die die 30 schon weit überschritten haben.

Die andere Art der Politik

„Eine andere Art der Politik“ versprechen die Piraten den Bürgern. „Wir wollen nicht auf alle Probleme schon Antworten präsentieren, sondern die Menschen bei der Suche nach der besten Lösung beteiligen“, erklärt Bald-Abgeordneter Fabio Reinhardt. Im Wahlkampf hatten Klaus Wowereit und Renate Künast für das inhaltlich dünne Piratenprogramm vor allem Spott übrig. Und hatte Piraten-Spitzenkandidat Andreas Baum nicht wirklich Ignoranz bewiesen, als er den Schuldenstand Berlins im Wahlkampf nicht genauer als mit „viele viele Millionen“ beziffern konnte?

Dabei ist das, was den Berufspolitikern naiv erscheint, in Wahrheit der Grund für den Erfolg der Piraten: Statt politische Kompetenz zu simulieren, demonstrierten sie ihren authentischen Glauben an die Kraft von Transparenz und Demokratie. Während andere Parteien – seit Jahren mit schwindender Überzeugungskraft - vorgeben, die besten Rezepte gegen alle möglichen Probleme zu haben, stellen die Piraten ihre Zweifel aus – gemeinsam mit ihrem Willen, das Wissen der Bürger auch nach der Wahl in ihre Entscheidungen einzubeziehen.

Wer den Kandidaten auf der Wahlparty zuhört, versteht schnell, dass ihre postideologische Offenheit weder beliebig ist, noch ein geringer Anspruch. „Wir werden ständig aus der Fraktion berichten, den Leuten sagen, wie unser Wissensstand ist – und dann beraten, wie wir abstimmen sollen“, sagt etwa Fabio Reinhardt. Ständiges Feedback, Debatten mit der Basis, wer noch keine fertige Meinung hat, wird nicht ausgelacht, sondern bildet sich eine. Es ist der Traum des idealen Diskurses auf der griechischen Agora, umgesetzt mit den Mitteln des Web 2.0.

Piraten-Mitglied Julia Schramm formuliert es so, als sie im Freudentaumel den erfolgreichen Wahlkämpfern gratuliert: „Fangt schon mal an, vor mir zu zittern. Ich bin die Terrorbasis. Ihr werdet uns nicht vergessen.“

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