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Politik : Politische Ökonomie

Medien und Politiker werden bisweilen Geschäftspartner – und die verbindet keine ewige Loyalität. Über Wulff, Guttenberg und die Bild-Zeitung

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Vielleicht sollte man sich darüber freuen, dass Christian Wulff als alter Freund des Hauses nicht bestimmen kann, was Bild berichtet und was nicht; dass Bild, nach allem, was die Öffentlichkeit weiß, über die Undurchsichtigkeiten der Finanzierung seines Privathauses berichtet hat, obwohl Wulff tags zuvor den Anrufbeantworter von Chefredakteur Kai Diekmann mit Drohungen vollgequatscht hat. Aber auch nur vielleicht. Man kann ja nicht jede Selbstverständlichkeit bejubeln.

Es ist nicht lange her, dass Bild zeigte, wie wenig Sachfragen zählen, wenn es eine bessere Geschichte gibt, eine mit schönen Haaren und vorzeigbarer Frau. Karl-Theodor zu Guttenberg hieß der Mann, den Bild zum Superhelden hochschrieb – mit einer Penetranz, dass allen, die Medien ein wenig kritisch zu betrachten in der Lage sind, aber halt nur denen, ganz schummrig werden musste. Anders gesagt: Dass Bild nach journalistischen Kriterien arbeitet, kann vorkommen, ist aber nicht verallgemeinerbar.

Die persönliche Beziehung zwischen Politiker und Medienvertreter ist erst einmal nicht anstößig. Keine politische Figur kann in einer repräsentativen Demokratie verbreiten, wofür sie steht, wenn sie keinen Zugang zur Öffentlichkeit findet, und damit zu Mittlern, also Medien. Das Berliner Café Einstein, in dem Abgeordnete und Kabinettsmitglieder Journalisten auch mal ohne Aufnahmegerät treffen, ist kein Sumpf.

Bemerkenswert ist aber eine fortschreitende Ökonomomisierung der Beziehungen, die bisweilen quasi zu Geschäftspartnerschaften werden: Man verspricht sich nur noch etwas voneinander. Die einen wollen Popularität gewinnen; Wulff präsentierte dafür auch bereitwillig seine neue Familie und seine Friseurbesuche – unter anderem in Bild. Die anderen setzen wohlwollend in Szene, wollen dafür aber Zugang zu besonderen Informationen. Die nur dann besonders sein können, wenn sie von jemandem kommen, der ganz oben mitzureden hat. Dafür ist es wiederum hilfreich, für Bild-Leser Sympathieträger zu sein. Oder anders gesagt: Über die neuen Frisuren von Hinterbänklern liest man erstaunlich wenig.

So kam es wohl auch, dass zu Guttenberg, von dem es heißt, er habe „mit ungeheurem Charme“ in diverse Redaktionen „belastbare Beziehungen“ aufgebaut, hochgeschrieben wurde, solange er als kommender Großmufti galt. Man will ja vielleicht mal eine Reportage aus dem Mufti-Hobbykeller schreiben dürfen. Seit er aber von denen, die andere Maßstäbe anlegten, als die Blendgranate geoutet wurde, die er schon vorher war, bejubelt ihn kaum noch ein Medium, obwohl sich an seinen vielgepriesenen Fähigkeiten nichts geändert hat. Er ist kein potenzieller Mufti mehr.

Was genau Wulffs Beziehung zu Bild kaputt machte, ist schwer nachzuvollziehen; der Zug dürfte abgefahren gewesen sein, als sie 2010 fragte: „Warum hofieren Sie den Islam so, Herr Bundespräsident?“ Vielleicht ist Wulffs Verhängnis nun geworden, dass er, ganz hannoveranisch, ewige Loyalität erwartete, wo es für Bild immer nur eine Geschäftspartnerschaft gegeben hatte. Vielleicht erklärt das seinen wütenden Anruf bei Diekmann: persönliche Enttäuschung. Auch interessant: dass man als oberster Repräsentant darüber stolpert, dass man mal ganz ungefiltert man selbst ist.

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