Präsident Barack Obama steht unter Druck. Er kann Premier Netanjahu beim Gipfel im Weißen Haus nicht wirklich von dessen Angriffsplänen gegen den Iran abbringen
Washington und Jerusalem haben oft weit auseinander gelegen in den gut drei Jahren seit dem Amtsantritt Barack Obamas Anfang 2009. Selten zuvor mussten sich ein US-Präsident und ein israelischer Premier darum bemühen, Eintracht zu suggerieren, wo kein wirkliches Einvernehmen war. So auch Anfang der Woche beim Treffen im Weißen Haus, als Benjamin Netanjahu seine Gedankenspiele für einen Angriff gegen den Iran mit der nötigen Abschreckung und den existenziellen Ängsten der Israelis begründete und sich das auch nicht ausreden ließ.
Präsident Obama hatte einen Tag zuvor mehr als die Hälfte seiner Rede vor dem American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) hinter sich gebracht, bevor er auf das Thema der Stunde zu sprechen kam: Wie umgehen mit
Übersetzung: Zilla Hofman
gehen mit Teheran? Das mag daran liegen, dass Staatsführer dazu neigen, heikle Konflikte in ihren Auftritten für den Schluss aufzusparen. Doch schien die Platzierung auch ein Indiz für das schwierige Verhältnis zwischen jüdischen Amerikanern und einem demokratischen Präsidenten in diesem brandheißen Wahljahr. Warum sonst benutzte Obama den größten Teil seines Vortrages, die eigene Israel-Politik kraftvoll zu verteidigen? Er wiederholte, was er schon dem Magazin The Atlantic gesagt hatte: Man stehe hinter Jerusalem, was auch immer geschehen sollte. Wer das glaubt, dürfte auch von dem überzeugt sein, was Obama zum Iran geltend machte: Man wolle keinen Militärschlag, aber sämtliche Optionen blieben auf dem Tisch. All jene amerikanischen Juden, die Obamas Rolle als treuer Verbündeter Israels und seines Premiers bezweifeln, dürfte das aber kaum überzeugen. Sie werden dem Präsidenten in Sachen Iran weiter misstrauen.Gerissener NahkämpferObama und Netanjahu bringen einander nicht das Maß an Vertrauen entgegen, wie man sich das für verbündete Staatsmänner vorstellt. Beide haben ihr Amt etwa zeitgleich angetreten, nur brachte Netanjahu schon einmal – 1996 bis 1999 – eine Periode als Regierungschef hinter sich, feilte am Talent des gerissenen politischen Nahkämpfers und verfügte schließlich über mehr Erfahrung auf der Weltbühne als der junge Präsident Amerikas. Der wirkte bei seinen ersten Vorstößen in der Nahostpolitik unbeholfen, schien sich zu übernehmen und verhedderte sich im politischen Dickicht der arabischen Welt.Man erinnere sich seiner Kairoer Rede vom 4. Juli 2009, deren Credo die ausgestreckte Hand gegenüber den Muslimen und das Verständnis für die legitimen Interessen der Palästinenser war. Doch moralische Autorität braucht den Willen zu politischer Tatkraft. Die fehlte Obama, als sich die Regierung Netanjahu im Herbst 2010 kategorisch weigerte, ein Moratorium für den Siedlungsbau in der Westbank zu verlängern, sooft das Weiße Haus auch darum bitten mochte. Gespräche mit Palästinenser-Präsident Abbas hatten sich danach erledigt.Das strittige Thema der Siedlungsaktivitäten klammerte Obama bei seiner jüngsten Begegnung mit Netanjahu gleich völlig aus. Aber vermutlich wird das einigen amerikanischen Juden nicht genügen, deren Argwohn von einer gut finanzierten und einseitigen Kampagne angefeuert wird. Sie zielt darauf, Obama nach Kräften zu diskreditieren. Dessen schien sich der Präsident im Atlantic-Interview bewusst zu sein, als er sagte: „Dies ist eine der wenigen Phasen in den Beziehungen zwischen Israel und den USA, in denen Israel eine rechte Regierung hat, und die USA eine Mitte-Links-Regierung haben. Das ist meiner Meinung nach die Projektionsfläche für viele politische Interpretationen unserer Beziehung.“Regelrecht aggressivNetanjahu kam – unabhängig von der Person – allerdings nie besonders gut mit Präsidenten der US-Demokraten aus. Seit dem Antritt Obamas suchte er nur noch entschiedener den Schulterschluss mit den Republikanern. Schon von daher konnte das Verhältnis zwischen beiden nie herzlich sein. Umso mehr fühlte sich Obama offenbar genötigt, die Rückendeckung seiner Regierung für Israel in diplomatischer, ökonomischer und militärischer Hinsicht vor dem AIPAC regelrecht aggressiv zu verteidigen. Er wolle nicht nur an Worten, sondern an Taten gemessen werden. „Es sollte nicht den geringsten Zweifel geben, dass ich – wenn es darauf ankommt – hinter Israel stehe.“ Um zugleich den Palästinensern gerecht zu werden, meinte er: „Ich entschuldige mich nicht, weil ich für den Frieden eintrete.“Wieder einmal wurde spürbar, wie der Präsident unter dem Druck des US-Kongresses steht, der darauf fiebert, sich wegen des iranischen Atomprogramms mit dem Regime der Ayatollahs anzulegen. Was die republikanische Mehrheit besonders anstachelt, ist die Versuchung, aus jeder vermeintlichen Schwäche des Amtsinhabers im Weißen Haus im Wahlkampf Profit zu schlagen.Dennoch behauptete Obama sich selbstgewiss vor der Aipac und warnte vor „zu viel leichtfertigem Kriegsgerede“: „Zum Wohl der Sicherheit Israels, Amerikas und des Friedens in der Welt ist es nicht an der Zeit, loszupreschen. Es ist an der Zeit, verstärkten Druck wirken zu lassen und die von uns errichtete breite internationale Koalition zu erhalten.“ Ob die Pro-Israel-Lobby in den USA Obamas Iran-Politik glaubt, hängt davon ab, ob sie ihm überhaupt glaubt. Die meisten jüdischen Amerikaner haben das bisher getan. Bei der Wahl im November dürften sie zeigen, dass sie es immer noch tun.