Bei Preisverleihungen geht es oft nicht darum, die Preisträger auszuzeichnen, sondern die Preisverleiher. So auch bei der „Goldenen Kamera“. Denn es ist in erster Linie schmeichelhaft für Mathias Döpfner, Friede Springer und, äh … (wie heißt der neue Chefredakteur der Hörzu noch mal?), dass Dany DeVito einen Preis von ihnen annimmt.
Bei der „Oscar“-Preisverleihung (und selbst beim „Grimme Preis“) stehen die Künstler im Vordergrund. Bei der „Goldenen Kamera“ könnte man eher auf die Idee kommen, dass diese jährliche Auszeichnung für internationale und deutsche Musik-, Film- und Fernsehschaffende in Wahrheit die letzte Exiszenzberechtigung für die Fernsehzeitung Hörzu ist.
Früh
zenzberechtigung für die Fernsehzeitung Hörzu ist.Früher war die Hörzu so etwas wie die „Academy of Motion Picture“ für Deutschland: das Bollwerk einer Fernsehnation mit drei Sendern. Eine Aufsichtsbehörde des öffentlichen Fernsehgeschmacks, ansatzweise mit dem Glamour der Bunten und, dank großer Interviews und langer Reportagen, sogar einem Hauch von Stern. Die „Goldene Kamera“ war damals noch wirklich eine Auszeichnung für die Preisträger.Inzwischen hat sich die Welt verändert: Fernsehzeitungen heißen im Fachjargon „Programmies“, locken mit tief dekolletierten Damen auf dem Cover für Zweiwochen-Programme mit „Tipp-Tipps“ zu „Film-Filmen“ für hunderte von dvb-t-, Kabel- und Satelliten-Programmen. In dieser Fernsehwelt ist die Hörzu so etwas wie ein Dinosaurier, der hauptsächlich von Rätselecken und Tabletten-Anzeigen lebt. Alles, was sie von der Apothekenrundschau unterscheidet ist ihr stolzer Kauf- und ihr goldener Fernsehpreis. Unwahrscheinlich, dass die Hörzu an den Promi-Swimming-Pools in Hollywood neben dem People-Magazin liegt. Unwahrscheinlich, dass sich Brad Pitt, Richard Gere und Dany DeVito über Mecki-Comics scheckig lachen und dann die Fehler im großen Bilderrätsel suchen. Oder dass sie Texte über Herzprobleme, Abenteuerreisen und die Architektur von Tanklastern studieren. Ihr Freunde heißen „Oscar“ und „Golden Globe“ – für eine „Goldene Kamera“ würden sie kaum nach Europa kommen.Und letztlich ist es der Hörzu auch egal, wer den Preis als „bester Schauspieler International“ bekommt. In Hollywood stehen Brad Pitt, Clint Eastwood und Meryl Streep auf den Listen der Buchmacher. Und selbst Christoph Walz kann sich Chancen für den „Oscar“ ausrechnen. Dass keiner von ihnen zur Hörzu-Preisverleihung kam, nimmt ihnen niemand übel. Hauptsache irgendein US-Promi hatte Zeit.Glamour ist hier eher zufälligMit Diane Kruger aus Inglorious Basterds ist den Veranstaltern tatsächlich ein kleiner Scoop gelungen, aber dass Richard Gere und Dany DeVito gerade nichts zu tun hatten, war wohl eher eine Frage des Zufalls. Manchmal reicht der richtige Terminkalender eben schon, um in Deutschland als „Bester Schauspieler International“ ausgezeichnet zu werden. Gut, dass DeVito ein professioneller Strahler ist und Michael Douglas noch schnell die Laudatio hielt. Bei so viel Zufalls-Glamour strahlen dann sogar Starlets wie Supertalent-Jury-Blondchen Sylvie van der Vaart und Alexandra Kamp.Ach ja, und weil wir gerade dabei sind. So eine Preisverleihung ist natürlich auch eine prima Gelegenheit für die Laudatoren, um PR in eigener Sache zu machen. Horror-Casting-Tenor Paul Potts wurde zwar nicht ausgezeichnet, hat aber noch einmal seine Telefon-Tenorkarriere erzählen dürfen. Und selbst der Preisträger für „Musik International“, der Saitenschneider und Pop-Geiger David Garrett, konnte dank „Goldener Kamera“ (und weil Daniel Barenboim, Robbie Williams und Lady Gaga wohl abgesagt haben) sein Gesicht einmal mehr im Fernsehen zeigen. Simply Red mussten sich sogar von Thomas Anders loben lassen.Zugegeben, all das war nicht ganz so peinlich wie jüngst die Preisverleihung beim Dresdener Opernball, in dem Michael Jackson posthum geehrt wurde. Wider Erwarten schaffte er es nicht, den Preis persönlich in Empfang zu nehmen. Dafür lobte eine MDR-Moderatorin den Sänger so lange, bis er sich im Grab umdrehte, und der Übersetzer wurde bei der Interpretation von Latoya Jacksons Dankesworten in Stotter-Sächsisch unfreiwillig zum Youtube-Star.Hape Kerkeling fühlt sich gutDiese Peinlichkeit blieb Friede Springer und Mathias Döpfner erspart – sie klatschten ihre Preisträger in der ersten Reihe des zweiten Fernsehens gut gelaunt ab. Letztes Jahr, in Zeiten der Krise, war Springer gar nicht nach Feiern zumute. Gerade mal „Ein Herz für Kinder“ ging mit Thomas Gottschalk über die Bühne. Nun scheint es wieder bergauf zu gehen. Die Zeitungen haben sich gesund gespart, die Hörzu wird inzwischen von einem kleineren „Programmie“-Kollektiv zusammengebastelt. Weniger Qualität ermöglicht mehr Aufmarsch. Heute können sich Zeitungen wieder Fernsehen leisten: „Ein Herz für Kinder“, „Bambi“ und „Goldene Kamera“. Werbezeit zur besten Sendezeit! Das ZDF zeigt die große Show im Hauptprogramm und torkelt nach dem Aktuellen Sportstudio noch schnell über die „After Show Party“ durch die „Mittelbar“ des Springerverlages.Hier durfte Hape Kerkeling nun auch noch mal sagen, „wie er sich gefühlt hat“. Kerkeling übernahm die Moderation von Thomas Gottschalk. Dabei macht Gottschalk an Michel Hunzikers Seite seit einigen Monaten wieder richtig gutes Fernsehen: er ist moderner, hat bessere Stars und ist lustiger als die gesamte „Goldene Kamera“.Kerkeling antwortete allerdings mit einem der interessantesten Sätze des Abends. Es sei gut, eine „Goldene Kamera“ zu bekommen, sagte er, aber den Abend zu moderieren sei auch nicht ohne. Schließlich würden da so viele Stars und Intendanten sitzen und einen ansehen. Nicht zu vergessen Friede Springer, bei der er sich brav für jeden seiner sparsam dosierten guten Witze entschuldigte. Die Preisträger? Sind nur die schillernde Kulisse einer vergangenen Zeitschriftenkultur. So alt sah Hollywood selten aus.