Forcierte Zwangsarbeit

Lohn und Brot Soeben hat die Drogeriekette Schlecker vorgemacht, wie man Beschäftigung erhält – und auch der Druck auf Erwerbslose wird erhöht

Die Bundesrepublik gibt sich nach dem globalen Konjunktureinbruch zwar nicht als Insel der Seligen, aber doch als das Industrieland, das die drohende zusätzliche Massenarbeitslosigkeit am besten aufgefangen hat. Obwohl die Konzerne seit Monaten Personal abbauen, ist die Erwerbslosenzahl bislang nur moderat gestiegen. Des Rätsels Lösung: Hierzulande leistet man sich dank gesetz­licher Vorgaben den größten Billiglohnsektor in Westeuropa, der sich in der Krise weiter ausdehnt. Soeben machte die Drogeriekette Schlecker vor, wie man Beschäftigung erhält: Ein Großteil der Belegschaft wurde einer Leiharbeitsfirma überantwortet und zu wesentlich schlechteren Konditionen wieder eingestellt. Die frisch gebackene Arbeitsministerin Ursula von der Leyen gab sich bedenklich, ob hier alles mit rechten Dingen zugegangen sei.

Das ist schon deshalb unglaubwürdig, weil sie zuvor größeren Druck auf die Hartz-IV-Empfänger angekündigt hat. Vorgegeben wurde die Richtung vom Sachverständigenrat der Bundesregierung, den „Wirtschaftsweisen“, der schon pünktlich zu Weihnachten eine Kürzung des Regelsatzes um 30 Prozent auf 251,30 Euro pro Monat vorgeschlagen hatte. Das wäre der bisherige Satz für Kinder von 6 bis 13 Jahren. Dafür sollen die Zuverdienstgrenzen heraufgesetzt werden. Die Hartz-IV-Empfänger könnten dann durch ­erzwungene Billigarbeit – vielleicht! – wieder ein Hunger­einkommen auf Höhe des alten Regelsatzes erzielen.

Vorige Woche legte der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz nach, indem er als Ergänzung eine forcierte kommunale Zwangsarbeit für die lästigen Überflüssigen ins Spiel brachte. Die Weisheit besteht offenbar darin, dass „Lohn und Brot“ als gezielte Schaffung einer Kaste von Leibeigenen der Arbeitsverwaltung und der Halsabschneider-Klitschen verstanden wird. Wenn es im Knast besseres Essen gibt, als es sich Millionen von „arbeitenden Armen“ leisten können, hofft man „gestärkt aus der Krise“ hervorgegangen zu sein – falls der Weltmarkt nicht einen Strich durch die weisheitstriefende Rechnung macht.

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Geschrieben von

Robert Kurz

Publizist und Journalist

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