Faţadă/Fassade
Zur Ausstellung
Die Ausstellung »Faţadă/Fassade«, die seit dem 24. Oktober im HMKV zu sehen ist, holt ein Kunstprojekt ins Dortmunder U, das bereits in der Dortmunder Nordstadt ein sichtbares und positives Zeichen für die Präsenz einer der am stärksten marginalisierten gesellschaftlichen Gruppen in Europa setzen konnte – der Rom*nja.
Die Ausstellung »Faţadă/Fassade« führt dieses Projekt im HMKV fort und lädt dazu ein, das kaum bekannte Phänomen der Roma-Baukultur kennen zu lernen: Diese besondere Form von Architektur, die in den letzten 30 Jahren u.a. in Rumänien entstanden ist, zeichnet sich durch besonders expressive Fassaden aus, in denen sich viele unterschiedliche Gestaltungsformen wiederfinden. Diese (Traum-)Häuser sind oft mit Kuppeln, Burgzinnen oder silbrig schimmernden Zwiebeldächern versehen – den charakteristischen Spenglerarbeiten der Roma.
Die Ausstellung »Faţadă/Fassade« baut auf dem gleichnamigen kollaborativen Kunstprojekt der Werkstatt Mallinckrodtstraße auf, das von Akteur*innen aus der Dortmunder Roma-Community zusammen mit den Künstlern Christoph Wachter und Mathias Jud und Interkultur Ruhr initiiert wurde. Seit 2018 wird die Werkstatt Mallinckrodtstraße in Dortmund als Arbeits-, Forschungs- und Community-Ort betrieben, an dem gemeinsam Möglichkeiten einer positiven und selbstbestimmten Repräsentation der Roma-Community im Stadtraum erkundet werden. In der Werkstatt entstanden – nach einer Recherchereise nach Rumänien – in den letzten zwei Jahren viele von der Roma-Baukultur inspirierte Hausmodelle. Gemeinsam wurde schließlich ein Entwurf für die Neugestaltung der Fassade eines Wohnhauses in der Dortmunder Nordstadt entwickelt, umgesetzt, und im September 2019 feierlich eingeweiht.
Der HMKV lädt das Team der Werkstatt Mallinckrodtstraße ein, zahlreiche imposante, teils raumhohe Hausmodelle, die im Rahmen des Projekts entstanden sind, in der Ausstellung »Faţadă/Fassade« zu präsentieren. Zusätzlich wird das Werkstatt-Team eine ornamentale Neugestaltung des Eingangsbereichs sowie der Ausstellungsräume des HMKV auf der Ebene 3 des Dortmunder U realisieren.
Die Ausstellung verdeutlicht, wie eng Teilhabe und gesellschaftliche Anerkennung mit Bau- und Wohnformen verknüpft sind – und wie stark rassistische Zuschreibungen und Vorurteile über das vermeintlich „fahrende Volk“ bis heute wirken. Rom*nja gehören seit Jahrhunderten zu den am stärksten von Rassismus und Marginalisierung betroffenen Gruppen in Europa. Strukturelle Benachteiligung, Ausbeutung und gewaltsame Verfolgung charakterisieren ihren Alltag: Für viele Menschen ist es nach wie vor kaum möglich, eine Basis für eine stabile Existenz zu legen, zu der Wohnraum, Bildungschancen, kulturelle Anerkennung und ein würdevolles Arbeitsverhältnis gehören.
Vor diesem Hintergrund lassen sich die Architekturen von Roma-Communities in Rumänien als Gegenentwurf zur stigmatisierten Position von Rom*nja innerhalb der rumänischen Gesellschaft verstehen. Sie sind nicht nur Manifestationen einer einzigartigen Baukultur, sondern auch Ausdruck einer Selbstermächtigung. Mit dem Bau der Häuser fordern Rom*nja in weithin sichtbarer Art und Weise einen Platz in der Gesellschaft ein.
An diese komplexe lokale, regionale und gleichzeitig auch europäische Situation schließt »Faţadă/Fassade« an. Auch in Dortmund und im gesamten Ruhrgebiet leben Roma- Familien unter teils sehr prekären Bedingungen. Um dieser Situation zu begegnen, engagiert sich die Stadt Dortmund seit einigen Jahren u.a. in den Bereichen Wohnen, Qualifizierung, Kulturarbeit, Förderung von Selbstorganisation und Unterstützung von Familien in prekärer Lage. Dieses Engagement ermöglichte maßgeblich die Realisation des Projekts »Faţadă/Fassade«.
Wiedereröffnung von »Faţadă/Fassade«
Im Rahmen der Wiedereröffnung der Kulturinstitutionen kann ab Samstag, 13. März 2021 auch die Ausstellung »Faţadă/Fassade« des HMKV HartwareMedienKunstverein wieder vor Ort im Dortmunder U besucht werden. Hierzu ist lediglich eine Ticketreservierung (kostenlos) unter digitales.dortmunder-u.de/tickets erforderlich. Alle Besucher*innen werden gebeten, die geltenden Hygienevorschriften zu beachten. Das Tragen einer medizinischen oder einer FFP2-Maske ist Pflicht.
Weiterhin wird die Ausstellung »Faţadă/Fassade« von einem umfassenden Online-Rahmenprogramm begleitet:
In der zweiten Staffel des Podcasts »Wie sich Rom*nja Wohnraum zurückerobern« sind bereits drei Episoden erschienen. In Gesprächen mit Mitgliedern aus der Roma Community und von Rom*nja Selbstorganisationen geht es um Themen wie dem Einfluss der Rom*nja auf die Popkultur oder der Erinnerungskultur an den Holocaust (Porajmos) an Rom*nja und Sinti*zze. In der zuletzt erschienenen Folge spricht die Schauspielerin und Sängerin Simonida Selimović von der Wiener Hip-Hop-Gruppe Mindj Panther darüber, wie Weiblichkeit empowernd gelebt werden kann. Neue Folgen erscheinen immer freitags – bis zum 02. April 2021.
Zur ersten Staffel von Faţadă‘ – Wie sich Rom*nja Wohnraum zurück erobern | Podcast mit Olga Felker
Zur zweiten Staffel von Faţadă‘ – Wie sich Rom*nja Wohnraum zurück erobern | Podcast von Olga Felker
An drei Tagen im März (17., 18. und 19. März 2021) präsentiert der HMKV Radu Ciorniciucs preisgekrönten Film »Acasă, My Home« (2020) im Video-Stream. Der Film behandelt die bewegte Geschichte einer Roma-Familie zwischen Selbstbestimmung und Anpassung. Am Donnerstag, 18. März 2021 gibt es zudem die Möglichkeit, nach dem Film an einer Online-Diskussion teilzunehmen.
Außerdem findet jeden Sonntag um 16:00 Uhr bis einschließlich 11. April 2021 findet eine live Online- Führung durch die Ausstellung »Faţadă/Fassade« via Instagram Live-Story (hmkv_de) statt.