Der Kanon steht Kopf

Zur Ausstellung Frauen haben entscheidend an der Entwicklung immersiver Kunst mitgewirkt. In anderen Räumen. Environments von Künstler*innen 1956-1976 definiert den etablierten Kanon neu und zeigt Werke von Frauen, die die Bildende Kunst nachhaltig beeinflußt haben
Immersive Kunst: Immer im Prozess. Hier in einer Arbeit von Léa Lublin
Immersive Kunst: Immer im Prozess. Hier in einer Arbeit von Léa Lublin

Foto: Léa Lublin, Courtesy Nicolas Lublin

Die Gruppenausstellung „In anderen Räumen. Environments von Künstlerinnen 1956—1976“ präsentiert die Arbeiten von elf Künstlerinnen: Judy Chicago, Lygia Clark, Laura Grisi, Aleksandra Kasuba, Lea Lublin, Marta Minujín, Tania Mouraud, Maria Nordman, Nanda Vigo, Faith Wilding, und Tsuruko Yamazaki.

Der Begriff „Environment“ geht auf das Jahr 1949 zurück und wurde erstmals vom italienisch-argentinischen Künstler Lucio Fontana verwendet, um seine experimentellen neuen Kunstwerke zu beschreiben, die sich durch einen progressiven und unkonventionellen Charakter auszeichnen. Environments befinden sich an der Schwelle zwischen Kunst, Architektur und Design; sie kreieren und verändern den Raum. Ihr immersiver und spielerischer Charakter lädt das Publikum dazu ein, sie zu betreten, sich auf sie einzulassen und mit ihnen zu interagieren. Auch wenn Environments schnell zu einem wichtigen Bestandteil der internationalen Kunstwelt wurden, konzentriert sich ihre Geschichtsschreibung bisher fast ausschließlich auf die Vereinigten Staaten und teilweise auf Europa sowie auf die Werke von Künstlern.

Da die meisten Environments unmittelbar nach ihrer Präsentation dekonstruiert wurden, werden sie für die Ausstellung am Haus der Kunst mit Hilfe eines Netzwerks von Forscher*innen und Restaurator*innen und auf der Grundlage von Archivmaterial und verschiedenen Quellen wie Fotos, Architekturplänen, Artikeln und Rezensionen rekonstruiert. Das macht „In anderen Räumen“ zur ersten jemals realisierten Ausstellung dieser Art. Der Ausstellungszeitraum beginnt 1956 mit Tsuruko Yamazakis (蚊帳状立体作品) (Red (Shape of Mosquito Net)) und endet 1976, dem Zeitpunkt des ersten historischen Überblicks über die immersiven Kunstwerke in der Ausstellung „Ambiente/Arte“ des Kurators Germano Celant auf der XXXVII Biennale von Venedig. „In anderen Räumen“ ist das Ergebnis eines dreijährigen Forschungsprozesses und zielt darauf ab, eine andere, delokalisierte Geschichtsschreibung durch die Präsentation von Künstlerinnen aufzuzeigen. Dadurch soll die Kluft zwischen damals und heute überbrückt werden.

„In anderen Räumen“ versucht Geschichten und Erzählungen neu zu untersuchen und diejenigen hervorzuheben, die in historischen Schilderungen fehlen. Die Ausstellung stellt den künstlerischen Kanon auf den Kopf, indem sie die grundlegende Rolle der Frauen bei der Entwicklung von Environments aufzeigt, die einen nachhaltigen Einfluss auf die bildende Kunst haben.

06.09.2023, 09:41

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Katalog Bald erhältlich: Der Katalog zur Ausstellung. 11 Künstlerinnen dreier Generationen aus Asien, Europa, Nord- und Südamerika, darunter Judy Chicago, Aleksandra Kasuba und Lygia Clark.

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