Poesie des Körpers

Zur Ausstellung Der Körper ist für Ladik der Ursprung von Poesie. Er ist ein Ort der Selbstdarstellung, den sie in ihren Performances immer wieder erkundet. Mit Happenings und Ritualen positionierte sie sich an der Schnittstelle verschiedener Performance-Traditionen
Poemim (Katalin Ladik, 1978)
Poemim (Katalin Ladik, 1978)

Foto: Imre PóthCourtesy / of the artist and acb Gallery

„Da wir in der Poesie am verletzlichsten sind, sollten wir unser ganzes Herzblut und jede Faser unseres Körpers hineinstecken.“ – Katalin Ladik

Versuchen Sie einmal, den Titel der Ausstellung laut auszusprechen: Wiederholen Sie den Buchstaben "o" neunmal, spitzen Sie die Lippen und lassen Sie Ihre Stimmbänder vibrieren, machen Sie beim Bindestrich eine kurze Pause, und schließlich folgt das "pus" als sanfter Ausstoß. Sie befinden sich nun in der Welt von Katalin Ladik, die mit ihrer radikalen Herangehensweise an konkrete und visuelle Poesie, Sound, Performance und Skulptur zu einer Schlüsselfigur der mittel- und osteuropäischen Kunst wurde.

Katalin Ladiks Geburtsort Novi Sad im ehemaligen Jugoslawien (heute Serbien) stellt seit langem eine Verbindung zwischen dem Balkan und Teilen Mittel- und Osteuropas dar. Die mehrsprachige Demografie von Novi Sad – mehrheitlich serbisch und ungarisch – prägte Ladiks Zugang zu Sprache und Poesie. Im Laufe der 1960er Jahre wurde Ladik zu einer Schlüsselfigur der literarischen und künstlerischen Avantgarde von Novi Sad. Darüber hinaus setzte sich Ladik in ihren Performances mit den in dieser Region vorherrschenden folkloristischen und nationalistischen Diskursen auf ironische und sehr kritische Weise auseinander.

Der Körper ist für Ladik der Ursprung von Poesie. Er ist ein Ort der Selbstdarstellung, den sie in ihren Performances immer wieder erkundet. Mit Happenings, Ritualen und Foto-Performances positionierte sie sich an der Schnittstelle verschiedener etablierter und neuer Performance-Traditionen. Ladik war auch als Film- und Theaterschauspielerin erfolgreich und verkörperte häufig weibliche Archetypen.

Ladiks visuelle Gedichte – Collagen aus Schnittmustern, Notenblättern und gefundenen Objekten wie Platinen von Radios und Küchengeräten – funktionieren auch als Partituren. Sie erforscht damit die Verbindungen zwischen Stimme und Bild und erweitert die Sprache durch phonetische Experimente. Sprache ist das Herz Ladiks künstlerischer Arbeit. Ihre vielschichtige Auffassung von Poesie nimmt auf den Seiten ihrer Bücher, in musikalischen Partituren, durch konkrete Gedichte und in visuellen Collagen Gestalt an. Letztere werden von klanglichen Interpretationen der Künstlerin begleitet und offenbaren ihre außergewöhnliche stimmliche Bandbreite.

Klang ist ein Leitmotiv von Ladiks Arbeiten und spielt im gesamten Programm des Haus der Kunst eine zentrale Rolle. Jeder der drei Ausstellungsräume eröffnet eine eigene Klanglandschaft, die auf Ladiks visueller und phonischer Poesie basieren und „Ooooooooo-pus“ zu einer Ausstellung machen, die ebenso gehört wie gesehen werden will. Im Einklang mit der nachfolgenden Ausstellung „Meredith Monk: Calling“ etabliert sie ein neues Format für die Präsentation wegweisender künstlerischer Praktiken, die mit Sound arbeiten.

Für die Ausstellung am Haus der Kunst schafft Katalin Ladik zwei neue Werke: eine skulpturale Partitur mit Klang und eine Installation, die auf ihre Multimedia-Performance Alice in Codeland zurückgeht. Ein roter Faden führt ganz konkret von Ladiks Nähmaschine im ersten Saal durch die gesamte Ausstellung bis in den dritten Saal zu ihrer Skulptur Follow Me Into Mythology (2017).

„Katalin Ladik. Ooooooooo-pus“ ist organisiert von Haus der Kunst München, Ludwig Forum Aachen und Moderna Museet, Stockholm.

05.07.2023, 09:30

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