Fakten statt Fiktion

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Fakten statt Fiktion

Foto: Nicholas Kamm/AFP/Getty Images

Kapitel 1

Bausteine

Am 9. November 2016 begann der gewählte Präsident Donald Trump mit der Vergabe von Posten in seiner Regierung. Er war unvorbereitet, weil er niemals mit einem Wahlsieg gerechnet hatte. Trump war Loyalität wichtiger als alles andere, und deshalb wussten er und seine Familie instinktiv, wer als Erster zu adeln war: Michael Flynn.

Flynn war ein pensionierter Generalleutnant und einst ein angesehener Geheimdienst-Offizier gewesen. Doch seine einstigen Kollegen mieden ihn mittlerweile aus einer Reihe von Gründen. Dazu gehörten eine islamophobe Rhetorik, enge Kontakte nach Russland und zu anderen feindlichen Nationen, der Umstand, dass er sich auf ungesicherte Fakten stützte, sowie zweifelhafte Behauptungen. Nichts von alledem interessierte Trump.

Während des Wahlkampfs war Flynn einer der wenigen Männer gewesen, die Trump offen unterstützt hatten. Seine Loyalität war so groß gewesen, dass er beim Nationalkonvent der Republikaner sogar einen gegen Hillary Clinton gerichteten »Lock her up«-Sprechchor angeführt hatte, zum großen Ärger seiner ehemaligen Kollegen beim Militär und Geheimdienst. Sie glaubten, dass er seinen Status als mit Orden geschmückter ehemaliger Offizier der Streitkräfte nutzte, um die gefährlicheren Elemente der Gesellschaft anzuheizen. Aber er sicherte sich mit diesem Verhalten Trumps Gunst. Flynn machte sich für Trump unentbehrlich, er flüsterte ihm ein, dass er den meisten Geheimdienst-Beamten nicht trauen könne, dafür aber ihm, Flynn. Er war geschickt genug, um sich auch bei Trumps Familie einzuschmeicheln, so bei Jared Kushner, dem ehrgeizigen Schwiegersohn des Kandidaten. Der verfügte zwar über keinerlei politische oder außenpolitische Erfahrung, gab sich selbst aber als Trumps politischer Stratege und Unterhändler bei ausländischen Regierungen aus.

Am Tag nach der Wahl erhielt der schmeichlerische Consigliere bei einer Besprechung des Übergangsteams im 26. Stock des Trump Towers in New York seine Belohnung. Ivanka Trump, die ältere der beiden Töchter des gewählten Präsidenten, und ihr Ehemann Kushner, die gemeinsam an der Vergabe einiger der hochrangigen Posten in der neuen Regierung beteiligt waren, machten Flynn deutlich, dass er sich seine Aufgabe frei aussuchen könne.

»Oh, General Flynn, Sie haben so loyal zu meinem Vater gehalten«, sagte Ivanka mit ihrer markant rauchigen Stimme und fügte noch ein paar Worte hinzu, die man als die Frage interpretieren konnte: »Was wollen Sie denn tun?«.

Don McGahn runzelte die Stirn und war einigermaßen überrascht. Er war der Rechtsanwalt des Trump-Wahlkampfteams gewesen und jetzt als Rechtsberater des Weißen Hauses designiert. Persönlich hatte er nichts gegen Flynn einzuwenden. Er kannte ihn kaum. Andere Sitzungsteilnehmer bemerkten McGahns Missfallen, der zu fragen schien: »Wollen wir es wirklich auf diese Art angehen?«

Einige Anwesende konnten kaum glauben, dass bestimmte Personen so wahllos und verantwortungslos in Schlüsselpositionen befördert wurden. Für Steve Bannon, den Chef des Wahlkampfteams, der ebenfalls in die Regierungsmannschaft eintrat, war Ivanka die Prinzessin mit dem Schwert, die Flynn zum Ritter schlug. McGahn und Bannon, sonst alles andere als Verbündete, teilten die Einschätzung, dass dies ein Rezept für Fehltritte und – sehr wahrscheinlich – Katastrophen war.

Die planlose und dysfunktionale Übergangsphase war ein Vorzeichen für die spätere Regierungsarbeit. Trump legte besonderen Wert auf die Marke und das Image, und das ging auf Kosten grundlegender Kompetenzen. Er selbst hatte wie zahlreiche seiner Berater keinerlei Erfahrung mit dem Staatsdienst und kümmerte sich deshalb auch wenig um dessen Werte und Normen. Die gesamte Operation hielt sich weniger an ein ideologisches Programm, sondern folgte Trumps Instinkten und Launen.

Flynns Traum war das Amt des Nationalen Sicherheitsberaters. Kushner seinerseits sah sich in der Rolle eines Schattenaußenministers, der sich mit führenden ausländischen Politikern austauschte, als Vermittler eines Friedens im Nahen Osten und als maßgebliche Person für die Beziehungen zu so wichtigen Ländern wie China und Mexiko fungierte. Er rechnete sich aus, dass die Ernennung Flynns zum Nationalen Sicherheitsberater ihm selbst genau den Spielraum verschaffen würde, den er sich wünschte. Also wurde Flynns Wunsch erfüllt. Bis zur offiziellen Bekanntgabe seiner Ernennung sollten noch acht Tage vergehen, aber der Vorgang wurde bereits am 9. November auf den Weg gebracht.

Niemand kümmerte sich um Flynns Sicherheitsüberprüfung. Es gab keine Überprüfung seiner Amtszeit als Chef des US-Militärgeheimdienstes in Afghanistan, obwohl diese Gegenstand von Ermittlungen wegen dienstlichen Fehlverhaltens gewesen war. Dasselbe galt für seine Zeit als Direktor der Defense Intelligence Agency, die Präsident Obama vorzeitig beendet hatte. Und für seine international tätige Beratungsfirma sowie seine Verträge mit kremlnahen Unternehmen. Und für seine Teilnahme an einer Galaveranstaltung in Moskau 2015, bei der er als Staatsgast Russlands an Wladimir Putins Tisch platziert wurde.

Flynn hatte Trumps Wahlkampf als Karrierehilfe benutzt und hoffte darauf, nach 33Jahren mit einem relativ niedrigen Militärsold seinen Lebensstandard nun verbessern zu können. Während er den Präsidentschaftskandidaten Trump beriet, arbeitete Flynn zugleich für die türkische Regierung, wobei er nach Erkenntnissen von Ermittlern der Bundesregierung den Charakter dieses Arrangements verschleierte. Am Wahltag veröffentlichte Flynn in The Hill einen Meinungsartikel, in dem er als Anwalt für die Sache des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan auftrat. Er verglich dabei dessen im amerikanischen Exil lebenden politischen Gegner Fethullah Gülen mit Osama bin Laden. Flynn forderte die Vereinigten Staaten zur Ausweisung Gülens auf und verblüffte damit seine ehemaligen Kollegen in den Geheimdiensten und nationalen Sicherheitsbehörden.

Chris Christie, der Gouverneur von New Jersey, der den Kandidaten Trump unterstützt hatte und jetzt Vorsitzender des Übergangsteams des designierten Präsidenten war, reagierte fassungslos auf dessen Mitteilung, er werde Flynn zum Nationalen Sicherheitsberater ernennen.

»Das können Sie nicht machen«, sagte Christie. »Sie müssen zunächst einen Stabschef ernennen und dann Ihren Stabschef über diese Personalie unterrichten, weil der Sicherheitsberater an den Stabschef berichten wird. Und Flynn ist einfach die falsche Wahl. Er ist eine schreckliche Wahl.«

»Sie können ihn nur nicht leiden«, erwiderte Trump.

»Sie haben recht«, sagte Christie. »Ich kann ihn nicht leiden. Wollen Sie wissen, warum?«

»Ja«, sagte Trump.

»Weil er Sie in Schwierigkeiten bringen wird. Das können Sie mir glauben.«

Trump wollte nichts mehr über Flynn hören. Er sagte Christie, er solle in den 14. Stock hinuntergehen, wo sich das Wahlkampf-Hauptquartier über Nacht in die Zentrale des Übergangsteams verwandelt hatte. Christie musste jetzt eine Regierungsmannschaft zusammenstellen.

Trump entließ Christie noch in derselben Woche. Formell wurde er von Bannon gefeuert, der Christie sagte, er handle auf Anweisung von Kushner, aber Trump hatte die Kündigung genehmigt. Als Leiter des Übergangsteams wurde Christie vom designierten Vizepräsidenten Mike Pence ersetzt. Elf Jahre zuvor hatte Christie, damals Staatsanwalt von New Jersey, Kushners Vater Charlie, den Chef des Immobilienunternehmens der Familie, wegen Steuerhinterziehung, Zeugenbeeinflussung und illegalen Wahlkampfspenden ins Gefängnis gebracht. Das Verfahren geriet zur Demütigung für die Familie Kushner und hinterließ beim jungen Jared einen bleibenden Eindruck.

Am 10. November befand sich Trump im 370Kilometer von New York entfernten Washington und stattete Obama im Weißen Haus einen Besuch ab. Obama war über Trumps Wahlsieg beunruhigt, empfing seinen Nachfolger aber, der amerikanischen Tradition eines friedlichen Machtwechsels folgend, weniger als 48 Stunden nach der Wahl im Oval Office und bot ihm bei dieser Gelegenheit seinen Rat an. Der 44. Präsident gab dem 45. zwei Dinge mit auf den Weg: erstens, Nordkorea sei das größte außenpolitische Problem, und zweitens, er solle Flynn kein Regierungsamt übertragen.

Obama warnte Trump persönlich vor einer Ernennung Flynns, weil er an dessen Urteilskraft zweifelte und seinen Motiven misstraute. Obama hatte Flynn 2014 als Direktor der Defense Intelligence Agency entlassen, weil es aus den Reihen des militärischen Nachrichtendienstes Beschwerden über mangelnde Organisationsfähigkeit und Stimmungsschwankungen des Chefs gegeben hatte. Trump erzählte später vor Beratern, Obama habe Flynn als »Spinner« und »üblen Burschen« bezeichnet, eine Kritik, die er zurückgewiesen habe.

Der designierte Präsident ging die zehnwöchige Übergangsphase wie ein Casting für eine neue Staffel von The Apprentice an, der Reality-TV-Show, mit der er im ganzen Land bekannt geworden war. Tag für Tag spazierten durch die goldgerahmte Drehtür des Trump Towers an der Fifth Avenue Politiker, führende Vertreter der Wirtschaft und Prominente, die auf dem Weg zu ihrem Besuchstermin durch die Lobby paradierten. Sie kamen, um sich selbst für ein Regierungsamt zu empfehlen, um die Gunst des designierten Präsidenten zu gewinnen oder um einfach am aktuellen Geschehen teilzuhaben. »Es war wie ein Besuch in der Bar von Jabba dem Hutten in Star Wars«, sagte ein Trump-Berater verächtlich. »Man wusste nie, wer als Nächster hereingekrochen kam.« Dem designierten Präsidenten gefiel es, die Ratings vorzunehmen, und rasch befasste er sich mit der Frage, wie die Präsidentschaft seiner eigenen Marke und seinen Unternehmen nützlich sein konnte. Bewerbungsgespräche für Regierungsämter und Sitzungen des Übergangsteams hielt er nicht im Bürogebäude der Bundesregierung in Washington ab, das für solche Zwecke vorgesehen war, sondern im Trump Tower, im Trump National Golf Club in Bedminster, New Jersey, und in Mar-a-Lago in Palm Beach, Florida.

Im chaotischen, unstrukturierten Übergang rangelte ein Trio von mächtigen Akteuren aus der Wahlkampfmannschaft um Einfluss: Kushner, Bannon und Reince Priebus. Kushner hatte als Trumps Schwiegersohn von vornherein einen hohen Status, und Priebus und Bannon wurden sehr früh zum Stabschef und zum Chefstrategen des Weißen Hauses ernannt – ein einzigartiges Arrangement, bei dem sie eine gleichberechtigte Stellung an der Spitze des Organigramms einnahmen.

Trumps Entscheidung für Priebus, der zuvor Vorsitzender des Republican National Committee (RNC) gewesen war, war auch ein Dankeschön an die Adresse der Fußsoldaten der Partei, die den Aufbau des RNC in den Einzelstaaten organisiert hatten, um zu kompensieren, dass es so gut wie keine Basisarbeit des Trump-Wahlkampfteams vor Ort gegeben hatte. Der in Washington gut vernetzte Priebus galt bei führenden Republikanern als fähigster Mann unter Trumps Beratern.

Bannon war dagegen undiplomatisch, schroff und ungepflegt. Seine Loyalität gegenüber Trump hatte er in der härtesten Phase des Wahlkampfs in den Schützengräben bewiesen. Bannon hatte zuvor die konservative Website Breitbart geleitet und sich Trump als wichtige Verbindung zu seiner unentbehrlichen Basis empfohlen, die er liebevoll als »die Bedauernswerten« (»the deplorables«) bezeichnete. Dies war eine Anspielung auf Hillary Clintons berüchtigten Fauxpas, bei dem sie von Trumps »Korb von Bedauernswerten« gesprochen hatte, »Rassisten, Sexisten, Homophobe, Fremdenfeindliche, Islamophobe, all diese Leute«.

Priebus machte sich daran, Schlüsselpositionen im West Wing mit ehemaligen RNC-Mitarbeitern und anderen Personen seines Vertrauens zu besetzen, während er selbst, Bannon und Pence sich auf Posten im Kabinett konzentrierten. Besondere Aufmerksamkeit widmeten sie schon früh den Posten im Bereich der nationalen Sicherheit, und sie hatten Mike Pompeo als künftigen CIA-Direktor ins Auge gefasst. Pompeo war 2010 auf der Tea-Party-Welle als republikanischer Abgeordneter aus Kansas in den Kongress gewählt worden, und schon bald nach seiner Ankunft in Washington profilierte er sich als konservativer Hardliner und scharfzüngiger Parteigänger. Als Mitglied des Geheimdienst-Ausschusses hatte Pompeo Hillary Clinton wegen der Ereignisse im libyschen Bengasi – des Angriffs auf das US-Konsulat im September 2012– attackiert, womit er zu einem der beliebtesten Politiker bei Breitbart avancierte.

Pompeo war ein Außenseiter in Trumps Welt, obwohl er Priebus, Bannon und Pence bereits seit Jahren kannte. Bei den Vorwahlen der Republikaner hatte er sich als Marco-Rubio-Ersatz massiv gegen Trump gewandt. Bei der Vorwahl in Kansas hatte Pompeo am 5. März 2016 noch gewarnt, Trump wäre »ein autoritärer Präsident, der unsere Verfassung ignoriert«, und seine Mitbürger in Kansas aufgefordert, »dem Zirkus das Licht abzudrehen«.

Aber jetzt wollte sich Pompeo diesem Zirkus unbedingt anschließen. Bannon wusste, dass es schwierig werden würde, einen aus einem kleinen Bundesstaat kommenden Abgeordneten, den er selbst für einen »Krieger unter den Kriegern« hielt, den Eliten gegenüber für den Posten des CIA-Direktors zu präsentieren, zumal angesichts von Pompeos Tiraden in Sachen Bengasi. Aber Pompeo wollte diesen Job haben.

Pompeo reiste am 16. November zu einem Termin mit dem designierten Präsidenten nach New York. Priebus hatte Trump über Pompeos Referenzen unterrichtet, Bannon hatte Pompeo auf das Treffen eingestimmt und dabei sinngemäß erklärt: »Wir gehen jetzt einfach da rein. Ich werde nochmals betonen, dass Sie Jahrgangsbester der Abschlussklasse in West Point waren, Jahrgangsbester an der Harvard Law School, dass Sie der Beste sind, den es im Geheimdienst jemals gab. Ich werde Sie präsentieren – und warten Sie nicht darauf, dass er irgendetwas sagt. Legen Sie einfach los. Warten Sie nicht auf eine Frage, weil keine Frage kommen wird. Er weiß gar nicht, was ein Nachrichtendienst ist. Legen Sie einfach los.«

Es ging alles glatt. Nachdem andere ihn vor dem Boss angepriesen hatten, sprach Pompeo über eine Umstrukturierung der CIA. Er und Trump erörterten Probleme des Atomabkommens mit dem Iran. Als Absolvent von West Point und der Harvard Law School hakte Pompeo das Thema Referenzen mühelos ab. Der ehemalige Army-Captain konnte mit seiner bulligen, massigen Gestalt jeden Raum dominieren und gab das imposante Bild des harten Burschen ab, das Trump gefiel.

Pompeo hatte den Job, noch bevor die Besprechung beendet war. Trump schüttelte ihm die Hand, wandte sich an Bannon und Priebus und sagte: »Ich liebe es. Wir machen das.« Zwei Tage später wurde Pompeo als Trumps Kandidat für das Amt des CIA-Direktors benannt. Pompeo hätte zweifelsohne eines der angeseheneren Mitglieder der Regierungsmannschaft werden können, aber Trump hatte ihm auf der Grundlage eines einzigen Gesprächs den Posten des CIA-Direktors angeboten.

Trump ging die Besetzung von Regierungsämtern wie ein Casting an und orientierte sich am »Look«, es war eine Fixierung, die zu den Schönheitswettbewerben passte, die er einst veranstaltet hatte. Bei der Besetzung von Funktionen im nationalen Sicherheitsapparat neigte er zu Generälen. Für Aufgaben in der Öffentlichkeitsarbeit wollte er attraktive Frauen haben. Als Botschafterin bei den Vereinten Nationen wählte er Nikki Haley, und eines seiner Auswahlkriterien war dabei, dass sie die Tochter indischer Einwanderer war. Für Trump war eine der wichtigsten Eigenschaften bei jeder Art von Stellenbewerbung die Fähigkeit, im Fernsehen eine gute Figur zu machen.

»Vergessen Sie nicht: Er ist ein Showbusiness-Typ«, sagte Christopher Ruddy, der Vorstandschef von Newsmax, ein Trump-Freund. »Er mag Leute, die sich selbst gut darstellen können, und er ist sehr beeindruckt, wenn jemand im Fernsehen gut rübergekommen ist, weil es für ihn ein im politischen Prozess sehr wichtiges Medium ist.« Und Ruddy setzte hinzu: »Das Aussehen mag vielleicht nicht unbedingt so sein, dass man es damit aufs Titelbild von GQ oder Vanity Fair schafft. Es geht eher um das Aussehen und das Auftreten und die Selbstdarstellung.«

Am 6. Dezember benannte Trump offiziell den pensionierten General der Marineinfanterie James Mattis als seinen Kandidaten für das Amt des Verteidigungsministers und hob dabei dessen robustes Auftreten und seine Kampferfahrung hervor. Zu seinen Beratern sagte Trump, besonders angetan sei er von dem Spitznamen, den Mattis im privaten Rahmen gar nicht hören wollte. »Mit Mad Dog ist nicht zu spaßen, stimmt’s?«, sagte Trump vor einer jubelnden Menge, als er bei einer Kundgebung in Fayetteville, North Carolina, Mattis’ Nominierung bekanntgab. Er bat den zögernden Mattis zu sich auf die Bühne und pries ihn als »den General George Patton ähnlichsten Mann, den wir haben«. Damit spielte er auf den legendären Panzergeneral im Zweiten Weltkrieg an, den George C. Scott in dem Biopic Patton (1970) verkörpert hatte, einem von Trumps Lieblingsfilmen.

Während Trump von Mattis’ persönlichem Auftreten und seinem Macho-Spitznamen begeistert war, wirkte dessen Nominierung auf das nationale Sicherheits-Establishment sehr beruhigend. Zumindest im Pentagon würde ein erfahrener und zuverlässiger Fachmann amtieren. Als Mattis selbst später dann Gespräche mit Bewerbern für hochrangige Posten im Pentagon führte, fragte er routinemäßig: »Können Sie die Marke vertreten?« Was er damit meinte, war: Können Sie Trump unterstützen, allen Macken zum Trotz? Er wusste, dass dies eine umstrittene Präsidentschaft werden würde.

Die amtliche Sicherheitsüberprüfung reichte in der Übergangsphase von minimal bis zu komplett entfallen, je nach Kandidat. Am wichtigsten bei der Überprüfung einer bestimmten Person war eine Durchsicht von Zeitungsartikeln und Social-Media-Accounts, um festzustellen, ob er oder sie jemals etwas Negatives über Trump gesagt hatte. Ein hochrangiger Trump-Berater erinnerte sich: »Manche Leute füllten den Papierkram erst im Flugzeug aus, auf dem Weg zur Amtseinführung. … Naja, so könnte es zumindest gewesen sein. Sie verschwendeten keinen Gedanken an eine Amtsübergabe, und das buchstäblich bis zu dem Tag, an dem sie ihr Amt antraten.« – »Im Eishockey«, fügte er hinzu, »kannst du ein Knie einbüßen, wenn du mit einem Haufen unerfahrener Leute zusammenspielst. So hat sich das angefühlt.«

Hinter den Kulissen traf Rick Gates, der im Wahlkampfteam als Stellvertreter des Vorsitzenden Paul Manafort fungiert hatte, die Vorbereitungen für die Amtseinführung. Gates und Manafort hatten viele Jahre lang als Lobbyisten zusammengearbeitet und sich auf die Vertretung ausländischer Regierungen bei zwielichtigen Vorhaben spezialisiert. Als Manafort im August 2016 als Wahlkampfleiter gefeuert wurde, rechnete Trump damit, dass dessen Nr. 2 ebenfalls gehen würde. Trump hegte eine ausgeprägte Abneigung gegen Gates, dem er außerdem misstraute, was zum Teil mit einer äußerst negativen Reaktion Trumps auf eine von Gates in Auftrag gegebene Meinungsumfrage zu erklären ist. Trump missfielen deren Ergebnisse, die ihm einen geringen Beliebtheitsgrad attestierten. Er hatte das Gefühl, Gates hintergehe seinen Wahlkampf, indem er den Meinungsforschern für solchen Schrott auch noch Geld bezahlte. »Gates ist mir nicht ganz geheuer«, sagte Trump zu einigen Mitstreitern.

Aber Gates hatte einen einflussreichen Unterstützer in Thomas Barrack, der das Komitee für die Amtseinführung leitete. Trump hatte keine Ahnung davon, dass Gates den Komitee-Chef Barrack in aller Stille bei der Leitung der Feierlichkeiten zur Amtseinführung unterstützte, bis der designierte Präsident dann eines Abends, inmitten der Übergangsphase, seine Frau Melania über ihn sprechen hörte. Zum selben Zeitpunkt war der sechsundzwanzigjährige Johnny McEntee, Trumps persönlicher Assistent und Body Man (eine Art »Mädchen für alles« für organisatorische Fragen), im Penthouse der Trumps eingetroffen, um seinem Boss dessen Abendessen zu bringen: ein U-Boot-Sandwich. Als Trump den Raum betrat, hörte er mit, wie Melania den Namen Rick erwähnte.

»Rick? Welcher Rick?«, fragte Trump seine Frau.

»Rick Gates«, sagte sie.

Trump verlor die Fassung. Er brüllte los.

»Was zum Teufel treibt ihr da?«, wollte er wissen.

Trump beschloss, Gates augenblicklich zu feuern, wandte sich an McEntee und sagte: »Johnny, setzen Sie sich mit Melania zusammen. Sie sind der geschäftsführende Direktor.«

McEntee war, nach allem, was über ihn berichtet wird, ein ausgezeichneter Body Man. Seit er noch vor den Vorwahlen ins Wahlkampfteam eingestiegen war, hatte er den größten Teil seines Arbeitstages an Trumps Seite zugebracht. Er sah zu seinem Boss auf, war loyal der Familie gegenüber und hielt gegenüber Reportern dicht. McEntee sah blendend aus, hollywood-reif, er bot genau das Erscheinungsbild, das Trump projizieren wollte. Außerdem war er sportlich, er hatte als Quarterback für die University of Connecticut Huskies gespielt. Ein YouTube-Video, in dem er Kunstpässe vorführte, hatte sensationellen Zuspruch gefunden.

McEntee hatte jedoch keinerlei Erfahrung mit der Organisation von Feierlichkeiten zur Amtseinführung eines Präsidenten. In diesem Fall handelte es sich um eine Veranstaltung mit einem Budget von 107Millionen Dollar, keine bloße Feier von Trumps Wahlsieg, sondern eine an die ganze Nation gerichtete Darstellung der Werte und Ziele, die der neue Präsident mit seiner Regierungsarbeit verfolgen wollte. Barrack überredete den designierten Präsidenten, seine voreilige Entscheidung zurückzunehmen, Gates durch McEntee zu ersetzen, und sich noch für eine gewisse Zeit mit Gates’ Präsenz abzufinden. Und so war McEntee bereits wenige Stunden später wieder der Body Man, der Trump nach Washington begleiten sollte.

23.01.2020, 15:14

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Biographien Carol Leonnig ist seit 2000 Reporterin bei der Washington Post. 2015 und 2017 gewann sie den Pulitzer-Preis. Philip Rucker ist Chef des White House Bureaus der Washington Post, für die er seit 2005 schreibt
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