Kulturpolitik als Demokratiepolitik

Zum Kongress »Demokratie« wird aktuell hinterfragt und angefochten. Der 11. Kulturpolitische Bundeskongress hat zum Ziel, verschiedene Symptome der Krise herauszuarbeiten und kulturpolitische Handlungsstrategien im Sinne einer »Kunst der Demokratie« aufzuzeigen
Kulturpolitik als Demokratiepolitik

Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Valerie Schmidt

Kontext: Kulturpolitische Bundeskongresse

Die Kulturpolitische Gesellschaft und die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb veranstalten seit 2001 in Kooperation mit dem Deutschen Städtetag und gefördert durch die Beauftragte für Kultur und Medien alle zwei Jahre einen Kulturpolitischen Bundeskongress zu relevanten kulturpolitischen, gesellschaftlichen Fragen durch. An der zweitägigen Präsenzveranstaltung in Berlin diskutieren jeweils ca. 400 Akteur*innen aus Kulturpolitik und Kulturverwaltung, Kultureinrichtungen, Wissenschaft und Praxis.

Die Kulturpolitischen Bundeskongresse sind eine Reihe mit Vergangenheit und Zukunft. Jeder Kongress knüpft an zentrale Ergebnisse, Fragestellungen, Thesen, Kontroversen und Desiderate des vorherigen an und beabsichtigt neben der differenzierten und wissenschaftsbasierten Entfaltung eines komplexen Themenfelds die Entwicklung praxistauglicher zukünftiger Ansätze und Konzeptionen. In den Kongressen »Kultur.Macht.Einheit« (2015), »Welt.Kultur.Politik« (2017) und »Kultur.Macht.Heimaten« (2019) wurden einige rote Fäden sichtbar, was die Akteur*innen aus Politik, Kultur und Wissenschaft als ungelöste Zukunftsaufgaben betrachten. Eigentlich hätte bereits im Jahr 2021 der nächste Bundeskongress zum Thema »Kulturpolitik als Demokratiepolitik« stattfinden sollen, der coronabedingt auf das Jahr 2022 verschoben wurde. Stattdessen wurde 2021 in einem digitalen Kongressersatzprogramm unter dem Titel »NoFuture? Die Kunst des Aufbruchs« über aktuelle Systemkrisen in der Kultur diskutiert. Der dabei begonnene Dialog wird ab Oktober 2021 auf der Webseite www.kunstderdemokratie.de weitergeführt. Das Portal dient zugleich zur Vorbereitung des 11. Kulturpolitischen Bundeskongresses im Jahr 2022.

11. Kulturpolitischer Bundeskongress

Die roten Fäden der vorangegangenen Kongresse und das Aufbruchsnarrativ der digitalen Veranstaltungsreihe werden beim 11. Kulturpolitischen Bundeskongress am 9./10. Juni 2022 unter dem Thema »Die Kunst der Demokratie. Kulturpolitik als Demokratiepolitik« aufgegriffen, weitergedacht und weiterentwickelt. »Demokratie« wird dabei ganz bewusst in ihrer Vielschichtigkeit betrachtet: als politisches System, als kulturelles Konzept und als gesellschaftliche Lebensform. »Demokratie« wird aktuell auf mehreren Ebenen als hinterfragt, angefochten, angegriffen und auf die Probe gestellt erlebt. Das drückt sich unter anderem dadurch aus, dass sich gesellschaftliche Antagonismen verschärft haben oder politische Partizipation als im Schwinden begriffen wahrgenommen wird. Die Zukunft der Demokratie scheint in Frage gestellt. Vor diesem Hintergrund hat der 11. Kulturpolitische Bundeskongress 2022 zum Ziel, unterschiedliche Symptome und Ebenen der Krise herauszuarbeiten, kontroverse Deutungen sichtbar zu machen und kulturpolitische Handlungsstrategien im Sinne einer »Kunst der Demokratie« aufzuzeigen.

Dazu werden in drei Panels im Plenum Akteur*innen aus Politik, Kultur und Wissenschaft ihre Impulse zur Diskussion stellen. In zahlreichen Foren und anderen beteiligungsorientierten Formaten werden verschiedene Ansätze vertiefend diskutiert und (weiter)entwickelt.

Das erste Panel »Demokratie in der Krise?« leitet zur komplexen Kongressthematik hin: Auf einen Impulsvortrag, der die wesentlichen Krisendimensionen aufzeigt, wird eine kontrovers besetzte Diskussionsrunde folgen, die die Aufgabe hat, Fragestellungen herauszuarbeiten, diese zu konturieren und Handlungshorizonte für die Kulturpolitik aufzuspannen. Inhaltlich konkret diskutiert werden soll an dieser Stelle bereits die Frage der Demokratiekrise als Krise des politischen Systems und als Krise des Liberalismus: Haben wir es mit einer wirklich neuen Situation zu tun? Wie artikuliert sich die vielfach diagnostizierte »Repräsentationskrise« oder »Legitimitätskrise«? Gibt es Anlass, von einer Krise des politischen Systems zu sprechen?

Das zweite Panel unter der Leitfrage »Ende der Freiheit? – Freiheit ohne Ende?« setzt die politische Systemdebatte insofern fort, als dass an dieser Stelle das Spannungsverhältnis zwischen Krisenphänomenen, den Versuchen ihrer politischen Steuerung und der Sicherung der Grundrechte thematisiert wird: In welchem Verhältnis stehen Demokratie, Freiheit und Grundrechte zueinander? Welche Grenzen braucht Freiheit – und welche Rolle spielt Kulturpolitik dabei? Hierbei wird es auch um die Freiheit der Kunst gehen, wie sie im Grundgesetz verankert ist, aber in jüngster Zeit im Rahmen von Liberalismuskritik(en) angefochten wird. Die Debatte um Grundrechte, insbesondere um Freiheit, verweist auf die kulturalisierten Konflikte zwischen Kosmopoliten und Kommunitaristen.

Das dritte Panel »Kultur als Austragungsort politischer Konflikte« zeigt auf, dass im Kulturbereich die vielfältigsten Symptome einer starken Politisierung von Akteur*innen und gesellschaftlichen Debatten kulminieren. Die Übergänge zwischen Politik und Kultur sind fließender als zuvor geworden: Diskussionen um gesellschaftliche Herausforderungen wie Antisemitismus, Rassismus, Diversität, Vielfalt oder Erinnerungspolitik werden im Kulturfeld ausgefochten – Kultur wird zur Bühne, auf der politische Forderungen formuliert werden. In der kulturalisierten Gesellschaft avanciert »Kultur« noch expliziter zum wesentlichen Kulminationspunkt politischer und gesellschaftlicher Fragen.

Die verschiedenen Dimensionen der drei zentralen Themenkomplexe werden abschließend gebündelt: Im Rahmen des Wrap-Ups »Die Kunst der Demokratie. Kulturpolitik als Demokratiepolitik« werden verschiedene Aspekte der Krisen miteinander verknüpft und abschließend zur Diskussion über kulturpolitische Antworten – sowohl auf künstlerischer und strategischer als auch auf praktischer Ebene – zusammengeführt.

Auch der 11. Kulturpolitische Bundeskongress setzt auf Kooperation und Austausch: Für die Konzeption, Entwicklung und Umsetzung einzelner Foren und Module wird neben dem Deutschen Städtetag mit verschiedenen Akteur*innen – Netzwerken, Künstler*innenkollektiven, europäischen Partner*innen etc. – zusammengearbeitet. Am Vorabend des Kongresses ist ein Austauschformat geplant.

08.04.2022, 09:41

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