„Ein Stadtteil, in dem eine Oper der größtmöglich zu denkende Fremdkörper ist, mit finanziellen Mitteln, die uns immer gerade mal so in die nächste Spielzeit gerettet haben, mit einem Spielplan, der den Begriff „Volksoper“ wirklich ernst nimmt und einem Publikum, dass uns auch in die entferntesten Winkel der Musiktheaters gefolgt ist. Es war ein Fest. Und das ist es noch heute.“ – Bernhard Glocksin
Profil
Es gab sie ja, die Zeiten, in denen Oper, diese große Kunstform Menschen aus allen Schichten angezogen, bewegt und begeistert hat. Sei es in der „Beggar’s Opera“ von Gay und Pepusch, der „Zauberflöte“ von Mozart und Schickaneder oder den Stücken von Kurt Weill und seinen Autoren. In dieser Tradition sehen wir das Kunst-Werk „Oper“, in diesem Sinn verbinden sich die stilistisch vielfältigen Theaterschaffenden der Neuköllner Oper, um unser Leben hier und heute auf die Bühne zu bringen – so emotional, widersprüchlich, komplex, mitunter hässlich und zum Weinen schön es auch in Wirklichkeit ist.
Und das tut die Neuköllner Oper auch mit allem Herzblut – und senden neue Stücke und Stoffe in die Welt!
Denn eine offene, sich ständig wandelnde, lebenswerte Gesellschaft braucht eine weltoffene, neugierige und undogmatische Spiel- und Spiegelfläche – auch und gerade im Musiktheater!
Nur was nachhaltig gefördert, entwickelt und real auf der Bühne ausprobiert wird, kann gut werden. Dazu lädt die Neuköllner Oper ein und bietet bundesweit einzigartige Produktionsmöglichkeiten im Bereich Musiktheater. Wesentliche Chancen also für junge Komponist*innen, Autor*innen und Theaterschaffende mit unterschiedlichen künstlerischen und biografischen Hintergründen, im lebhaften Austausch mit einem vielschichtigen Publikum. Das fördert Offenheit und eine gesellschaftlich relevante Position – und damit auch die Absage an ein vorrangig akademisch-interessiertes sogenanntes Zeitgenössisches Musiktheater.
Unsere Gegenwart ist voller Musik und Geschichten, in ständiger Bewegung und Weiterentwicklung. Ob das die Geschichte des „blonden Gespensts vom Kudamm“ STELLA (im mehrfach ausgezeichneten Musical von Peter Lund und Wolfgang Böhmer ist, der wilde musikalische „Drogentrip“ über eine Jugend in Sachsen bei 9 TAGE WACH mit dem VKKO, die leidenschaftliche PASSION des GIOVANNI – eine Zusammenarbeit der preisgekrönten Regisseurin Ulrike Schwab und dem STEGREIF.orchester, – oder DER MANN DER SICH BEETHOVEN NANNTE vom Autorenteam Moritz Rinke/Mathias Schönsee und Trickster Orchestra: Diese Produktionen stehen stellvertretend für die Vielfalt der Künstler*innen, Genres und musikalischen Stile zwischen Musical, Opern- und Operettenbearbeitungen, Neukompositionen oder Crossover-Formaten etwa mit Puppenspielerinnen wie Suse Wächter, Ensembles wie leitundlause, Hauen und Stechen, Balletto civile oder den Tänzer*innen um Christopher Roman, demnächst mit MEXICO AURA im Humboldtforum.
Organisatorisch ist die Neuköllner Oper ein Privattheater, das über die Konzeptförderung des Berliner Senats gefördert und darüber hinaus projektweise von der GASAG, dem Hauptstadtkulturfonds, der Kulturstiftung des Bundes und anderen Förderern bezuschusst wird.
Geschichte
Die Anfänge der Neuköllner Oper reichen bis in das Jahr 1972 zurück, die Gründung des Vereins erfolgte 1977. Bis 1981 wurde in verschiedenen Kirchen geprobt und gespielt, seit 1981 mit Einführung der Projektförderung wurde eine Fabriketage genutzt und an allen gängigen Theaterorten gespielt. 1988 bekam die Neuköllner Oper mit dem Ballsaal der Passage Neukölln ein eigenes Theater mit bis zu 220 Plätzen im SAAL und bis zu 55 im STUDIO.
Gegründet wurde die Neuköllner Oper durch den Komponisten und Kirchenmusiker Winfried Radeke. In der ersten Zeit standen Stücke auf dem Spielplan, die gar nicht oder aber in nicht hinterfragter Form an den großen Häusern Berlins gegeben wurden wie Der Kaiser von Atlantis von Viktor Ullmann oder Die Nachtschwalbe von Boris Blacher, aber auch Uraufführungen wie Die Vögel nach Aristophanes (Text/Musik: Winfried Radeke).
1996 holte Winfried Radeke den Regisseur und Autor Peter Lund mit in die künstlerische Leitung. Mit Werken wie Das Wunder von Neukölln, Babytalk, Elternabend oder Stella machte er das Haus auch international bekannt als Trendsetter im Bereich des neuen deutschen Musicals.
Nachfolger von Peter Lund wurde 2004 der Dramaturg und Autor Bernhard Glocksin, der sich für die Öffnung des Hauses für weitere Spielweisen, eine radikale Befragung des Opernrepertoires, Zusammenarbeit mit führenden Ensembles (wie dem STEGREIForchester, VKKO, Trickster Orchestra u.a.) und eine internationale Ausrichtung des Hauses einsetzt.
Heute wird die Neuköllner Oper von einem dreiköpfigen Direktorium geleitet (Andreas Altenhof, Bernhard Glocksin, Laura Hörold) und zeigt pro Jahr zw. 10-14 Produktionen in unterschiedlichen Formaten – mit 6-10 Uraufführungen sowie Wiederaufnahmen von Erfolgsproduktionen bietet sie ein vielfältiges, auch umfangreicheres Angebot als von manchem städtischen oder staatlichen Opernhaus.
Nicht zuletzt durch die zahlreichen Kooperationen (u. a. mit dem Studiengang Musical/Show der UdK Berlin seit seiner Gründung 1997) und Autorenwettbewerbe (Berliner Opernpreis – gestiftet von der GASAG, ebenfalls seit 1997, die Autorenakademie Zaimoglu und andere Workshop-Formate) gilt die Neuköllner Oper als eine der führenden Ankerinstitutionen in der Berliner Kulturlandschaft.