Die Alchemie des Miteinanders

Programm Wie zusammen leben? Teilnehmer*innen entwickeln in Gesprächen und performativen Praktiken kollaborative Handlungsweisen, ohne Unversalismen anzustreben, aber mit dem Mut, sich ein Komposit verschiedener, divergierender Weltbezüge vorstellen zu können
Die Alchemie des Miteinanders

Foto: Koki Tanaka

Das HKW hat den Künstler Koki Tanaka eingeladen, eine Reihe von Versuchsanordnungen zu entwickeln, in denen eine planetare Praxis aufscheinen kann. In seinen temporären Installationen und Konstellationen sucht er nach utopischen Momenten und Situationen der Gemeinsamkeit. Gegenstand seiner Beobachtungen sind nahezu alltägliche Arbeitsabläufe und Handlungsweisen: Wie lassen sich Dimensionen planetarer Entscheidungsfindung in Momenten der Erschöpfung und Überforderung verhandeln, die sich durch die Wiederholung körperlicher Tätigkeiten einstellt? Welche Erkenntnisse über den Umgang mit Ressourcen und die Bedingungen planetarer Bewohnbarkeit eröffnet die gemeinschaftliche Arbeit an einem Kochrezept?

Indem Koki Tanaka diese Handlungen ihren gewöhnlichen Zusammenhängen der Selbstverständlichkeit entreißt, offenbart er ihre verborgenen Möglichkeiten zum Austausch und zur Transformation. Seine Methodik gleicht einer „Alchemie des Miteinanders“, die ihr utopisches Ziel des gelingenden Zusammenseins nie aus den Augen verliert und kontinuierlich wie unabsichtlich Situationen, Momente und Gesten der Verständigung hervorbringt.

Für Where is the Planetary? werden Koki Tanakas experimentelle Versuchsanordnungen mit der theoretischen Befragung der planetaren Zustände verknüpft. Anhand von fünf zentralen Fragestellungen versucht die Veranstaltung in gemeinschaftlichen Handlungs- und Denkübungen, die kosmologischen und materiellen Bedingungen einer planetaren Praxis zu umreißen. Die Fragen sind Forschungsauftrag und Ordnungsprinzip in einem. Sie strukturieren den diskursiven Raum, in dem sich die planetare Praxis entfalten kann.

[Auszug aus dem Statement der Kuratorin]

Programm

Tag 1

14. Oktober (Freitag)

Auditorium | Infos

Am ersten Abend wird die gemeinschaftliche Suche nach einem Modell für ein nachhaltiges Zusammenleben unter planetaren Bedingungen vorbereitet: Welche vielfältigen Weltbilder liegen dem Umgang mit der Krise des Planeten zugrunde? Wie kann daraus gemeinsame politische und gesellschaftliche Handlungsfähigkeit entstehen? In dem von Koki Tanaka entworfenen experimentellen Setting stellen Wissenschaftler*innen und Künstler*innen fünf spezifische Perspektiven auf eine planetare Praxis vor: vom kosmischen Blick zurück auf unseren geologischen Erdkörper über persönliche Biografien hin zu Ethiken der Reparatur und Fürsorge und einer imaginären zweiten „Ursuppe“ für planetares Überleben.

19.oo

Planetary Habitability Part 1

Präsentationen

Mit Koki Tanaka, Lisa Baraitser, L. Sasha Gora, Jan Zalasiewicz (remote)

Das Planetare wird uns in dem Moment bewusst, in dem eine bestimmte Lebensweise das Lebenserhaltungssystem Erde an seine Grenzen bringt. Die Art und Weise, wie diese Schwellen überschritten, gemessen oder empfunden werden, ist jedoch sehr unterschiedlich und hängt von den Ideologien und Weltanschauungen ab, die ihnen zugrunde liegen, ebenso wie von den materiellen Einschränkungen, die sie bewirken.

Der Abend beginnt mit der Suche nach der Verortung des Planetaren, in Bezug gesetzt zu unterschiedlichen Wissensfeldern wie Sorgearbeit und Geologie. Koki Tanaka stellt seine Arbeitsweise vor und erste Modelle, das Planetare als Praxis weiterzuentwickeln, werden eingeführt.

20.00

Planetary Habitability Part 2

Präsentationen

Mit Shadreck Chirikure, L. Sasha Gora, Jahnavi Phalkey, Patricia Reed, Jenna Sutela, Fernando Silva e Silva, Nikiwe Solomon, Simon Turner, Mi You, Mark Williams, Gary Zhexi Zhang

Dem Konzept der planetaren Grenzen liegen spezifische soziale und politische Annahmen zugrunde. Welche Bedeutung haben diese Annahmen für die Möglichkeiten zur Verständigung, für die Messbarkeit erdumspannender und lokaler Dynamiken sowie für die Möglichkeit, nachhaltige Gegenmaßnahmen zu vereinbaren und umzusetzen?

Der Abend wird fortgesetzt mit einem Gruppengespräch, das die chaotischen Prozesse in der Ursuppe des Lebens in den Blick nimmt, um neue Vorstellungen von Zusammenarbeit zu entwickeln. Im Anschluss daran versuchen die Teilnehmer*innen in einem assoziativen Spiel zum Verständnis grundlegender Konzepte verborgene epistemologische Differenzen freizulegen.

21.00

Planetary Habitability Part 3

Präsentationen

Mit Ravi Agarwal, Felipe Castelblanco, Maria Chehonadskih, Myung-Ae Choi, Kai van Eikels, continent. (Jamie Allen, Paul Boshears, Nina Jäger, Lital Khaikin, Anna-Luisa Lorenz), John Kim, Francine McCarthy, Claire Pentecost, Adania Shibli, Rebecca Snedeker

Wie können schrittweise Veränderungen in unseren Verhaltensmustern das Nachdenken über planetare Politik und Governance beeinflussen? Wenn wir als Gesellschaft versuchen, wie ein Schwarm zu handeln – gemeinsam, aber ohne eine zentrale Steuerung – was passiert, wenn wir auf eine andere Konstellation von Menschen treffen, die nach ihren ganz eigenen Parametern handelt? Wie können wir Geschichten von diesen Kollisionen zwischen Weltkonzepten und Konzeptwelten erzählen? Finden wir hier Ansatzpunkte, um alternative, bessere planetare Narrative zu entwickeln?

Tag 2

15. Oktober (Samstag)

Auditorium | Infos

Am zweiten Veranstaltungstag wird die Suche nach einer gemeinsamen planetaren Praxis konkret. An die fünf Forschungsfragen schließt eine Reihe von Aktivitäten an: Die Idee der „Ursuppe“ dient als Inspiration für ein gemeinsam zu entwerfendes Rezept für die Bedingungen planetarer Bewohnbarkeit. Im Zuge der Auf- und Umschichtung von überschüssigem Material aus Kulturproduktion und gebauter Umwelt stellt sich die Frage, was unserer Fürsorge bedarf, was bewahrt werden soll und was nicht. Gerechte und skalierbare Aushandlungsprozesse werden im Zustand zunehmender Erschöpfung diskutiert. Gemeinsam wird an einem planetaren Skript geschrieben. Umrahmt sind die Aktivitäten von einem Filmdreh des Künstlers Koki Tanaka. Die laufende Kamera bestimmt den Verlauf des Tages mit.

12.00–16.00

What are the conditions for habitability? | Infos

Gestaltet von L. Sasha Gora

Mit Shadreck Chirikure, Patricia Reed, Fernando Silva e Silva, Simon Turner, Mi You

„Mock Soup“, „Red Beans und Ricely Yours“ und „Bastard Borsch“: Kann das gemeinsame Kochen dabei helfen, Probleme planetarer Bewohnbarkeit zu lösen? Beim Versuch, aus unterschiedlichen Rezepten ein einziges Gericht zu kochen, geht die Gruppe der scheinbar unlösbaren Frage nach, wie planetare Kooperation trotz gesellschaftlicher Ungleichheiten und Widersprüche gelingen kann.

12.00–22.00

How do we tell planetary stories? | Infos

Gestaltet von continent. (Jamie Allen, Paul Boshears, Nina Jäger, Lital Khaikin, Anna-Luisa Lorenz)

Mit Ravi Agarwal, Myung-Ae Choi, John Kim, Margarida Mendes, Claire Pentecost, Fernando Silva e Silva, Rebecca Snedeker, Nikiwe Solomon

Der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten ist oft unerträglich, vielleicht bringt uns die Langsamkeit am schnellsten zum Ziel. Geschichten von Mangel und Wettbewerb sollen uns die Alternativlosigkeit von rücksichtslosem Wachstum und Fortschritt vor Augen führen. Viele Erzählungen vom Anthropozän setzten die menschliche Herrschaft über die planetaren Ressourcen und Prozesse voraus. Solche Geschichten und Postkripte sind eindeutig zu hastig verfasst.

Als Langzeit-Intervention in Where is the Planetary? schlägt das experimentelle Publikationskollektiv continent. die Idee der Détente vor – eine Entspannung, ein Innehalten, eine Ruhepause, die Schutz bieten und Neues ermöglichen. Kann die retardierende Verschränkung der Détente als dehnbares wie vorausschauendes Konzept dabei helfen, andere Wege und Erzählungen planetarer Praxis zu entwickeln?

13.00–16.00

How can habitability be measured? | Infos

Gestaltet von Gary Zhexi Zhang

Mit Jahnavi Phalkey, Nikiwe Solomon, Mark Williams

Jeder Messung liegen spezifische Vorannahmen zugrunde. Jeder Versuch, die Möglichkeiten planetarer Bewohnbarkeit zu bestimmen, ist von bestimmten politischen, ideologischen, disziplinären und kulturellen Perspektiven beeinflusst. Daher wird die Diskussion über die Vermessbarkeit von Welten und Weltbezügen in dieser Session von einem Therapeuten begleitet, der als Beobachter zweiter Ordnung den Blick für unterschiedliche Herangehensweisen schärft.

17.00–21.00

What planetary damage can be repaired? | Infos

Gestaltet von Koki Tanaka, Lisa Baraitser

Mit Mohammad Al Attar, Orit Halpern, Valentina Karga, Margarida Mendes, Nishant Shah, Simon Turner

Was sind die körperlichen und geistigen Ausgangsbedingungen für eine erfolgversprechende planetare Reparatur? In der gemeinsamen – theoretischen wie praktischen – Übung eine Skulptur herzustellen, bearbeitet die Gruppe Fragen der Fürsorge und Pflege, während sie ein mehrere Meter großes Objektensemble konstruiert und re-konstruiert. Im Zentrum stehen die gleichzeitige Aufmerksamkeit für die Menschen im Raum und das Material in den Händen sowie die Überzeugung, dass auch die planetare Sorgearbeit in Zeiten ökologischer Krisen die Kraft voraussetzt, immer wieder von Neuem zu beginnen.

18.00-22.00

Who gets to decide what actions are taken? | Infos

Gestaltet von Kai van Eikels

Mit Felipe Castelblanco, Maria Chehonadskih, John Kim, Francine McCarthy, Adania Shibli

Welche Rolle spielen unsere Körper in kollektiven Entscheidungsfindungsprozessen? Wie kann verkörpertes Wissen dabei helfen, ohne souveräne Macht das Schicksal des Planeten zu beeinflussen? Gibt es Formen des Aushandelns grundlegender Entscheidungen, die nicht auf Konsens und Dissens beruhen, sondern aus einem anderen, pluraleren „Wir“ heraus entwickelt werden. Und wie könnte eine solche Dynamik aus der konkreten Situation auf einen planetaren Maßstab übertragen werden? In einer Reihe von Übungen werden die Teilnehmer*innen Zustände der zunehmenden Erschöpfung suchen und damit herkömmliche Verfahren der Entscheidungsfindung unterlaufen. Denn vielleicht liegt in der Erschöpfung nicht das Ende, sondern der Anfang einer neuen ökologisch-politischen Bewegung.

Tag 3

16. Oktober (Sonntag)

Auditorium | Infos

Der dritte Tag widmet sich der Suche nach Koordinaten und Überschneidungen, Konvergenzen und Spannungen, die entstehen, wenn sich unzählige Kosmologien um ein gemeinsames Anliegen gruppieren. In einer Lesung und vier Gesprächsrunden nehmen die Teilnehmer*innen die Ergebnisse ihrer gemeinschaftlich entwickelten Handlungsmodelle vom Vortag zum Ausgangspunkt. Sie diskutieren die Bedeutung sozialer Prinzipien für eine planetare Praxis sowie deren Potenzial, Bedingungen der Differenz und kollektive Verantwortung einzubeziehen. Die Forschungsstatements der Teilnehmer*innen legen hierfür eine Basis.

12.00–13.00

How do we tell planetary stories? | Infos

Stories Review & Collaborative (post) scriptwriting Workshop

Moderiert von continent. (Jamie Allen, Paul Boshears, Nina Jäger, Lital Khaikin, Anna-Luisa Lorenz)

Mit Ravi Agarwal, Myung-Ae Choi, John Kim, Margarida Mendes, Claire Pentecost, Fernando Silva e Silva, Rebecca Snedeker, Nikiwe Solomon

Im Versuch ein fragmentiertes (Post-)Skript zwischen Freitag und Sonntag zusammenzustellen, werden continent. einen provisorischen, zögerlichen und sicher etwas ruckeligen Gemeinschaftsprozess des Geschichtenerzählens beschreiben. Dabei werden sie ein Narrativ konstruieren, zurückverfolgen und neu komponieren. Durch zusammenhängende und unzusammenhängende Fragmente, dehnbare Szenarien und retardierende (Post-)Skriptelemente, die sich aus den Gesprächen und Begegnungen mit den räumlichen und sozialen Umgebungen ergeben, fragen sie gemeinsam, ob und wie sie Geschichte und Geschichten von planetarem Leben erzählen können.

Ab 14.00

Planetary Compositions

Diskussionen

Das Planetare zeigt sich in vielfältigen Variationen, in verschiedenen Konstellationen, aus unterschiedlichen Perspektiven, in zahlreichen Maßstäben und mit diversen Anliegen. Dies ist Stärke und Hindernis zugleich für jede Art planetarer Zusammenarbeit. Am letzten Veranstaltungstag kommen die Teilnehmer*innen in Gruppen zusammen, um über ihre eigenen Herangehensweisen an planetare Belange zu diskutieren und gemeinsam die Aktivitäten der vergangenen Tage auszuwerten. In vier Gesprächsrunden werden aufbauend auf den Erfahrungen der Veranstaltung neue Ansätze und Fragestellungen planetarer Praktiken entwickelt.

14.00

Mit Maria Chehonadskih, Shadreck Chirikure, Francine McCarthy, Claire Pentecost, Mi You

Moderiert von Adania Shibli

15.00

Mit Ravi Agarwal, Orit Halpern, Valentina Karga, Jahnavi Phalkey

Moderiert von Nishant Shah

16.00

Mit Felipe Castelblanco, Myung-Ae Choi, John Kim, Fernando Silva e Silva, Simon Turner

Moderiert von Patricia Reed

17.00

Mit Mohammad Al Attar, Margarida Mendes, Rebecca Snedeker, Nikiwe Solomon, Jenna Sutela

Moderiert von Mark Williams

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Führungen durch die Ausstellung Earth Indices | Eintritt frei

14. Oktober (Freitag)

12.00 | Treffpunkt: Kasse

Mit Georg Schäfer und Mark Williams

18.00 | Treffpunkt: Kasse

Mit Giulia Bruno, Georg Schäfer und Simon Turner

16. Oktober (Sonntag)

16.00 | Treffpunkt: Kasse

Mit Francine McCarthy und Georg Schäfer

Caelius Juvenilis – Performative Führung

Mit dem Jugendgremium Schattenmuseum

Performative Führung für Besucher*innen ab 8 Jahren

Bei einer performativen Führung des Jugendgremiums Schattenmuseum entdecken Besucher*innen das „Raumschiff“ HKW und seine Umgebung aus der Sicht von frisch auf der Erde gelandeten Außerirdischen. Wer sind eigentlich diese Homo Sapiens? Warum zerstören sie ihren eigenen Planeten und welche Rolle spielt dabei der Kolonialismus? Wieso tun sie sich so schwer mit Gleichberechtigung und Diversität?

15. Oktober (Samstag)

15.00 | Treffpunkt: Kasse

16. Oktober (Sonntag)

15.00 | Treffpunkt: Kasse

14.10.2022, 07:00

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Where is the Planetary | Trailer

Video Trailer zu „Where is the Planetary? A Gathering“; Eine Veranstaltung mit und von dem Künstler Koki Tanaka im Haus der Kulturen der Welt (14.–16. Oktober)