Widerstand in dunklen Zeiten

Hintergrund Geschätzt 7.000 Juden tauchten während des Krieges in Berlin unter, nur etwa 1.700 sollten ihn überleben. Cioma Schönhaus hat dabei nicht nur sich selbst gerettet, sondern mit dem Fälschen von Pässen zahlreichen Verfolgten zur Flucht verholfen
Cioma Schönhaus (Louis Hofmann) wurde von der Deportation ins Konzentrationslager dank seiner Arbeitsstelle in der Rüstungsindustrie zurückgestellt
Cioma Schönhaus (Louis Hofmann) wurde von der Deportation ins Konzentrationslager dank seiner Arbeitsstelle in der Rüstungsindustrie zurückgestellt

Foto: X-Verleih

Samson „Cioma“ Schönhaus wurde am 28. September 1922 in Berlin geboren. Zwei Jahre zuvor waren seine Eltern Fanja und Boris Schönhaus aus dem weißrussischen Minsk immigriert, nachdem sein Vater aus der Roten Armee desertiert war, um sich in Berlin ein besseres Leben aufzubauen. Cioma Schönhaus wuchs im Scheunenviertel (im heutigen Berlin-Mitte) auf, in den Jahren 1926/27 lebte die Familie zwölf Monate in einer landwirtschaftlichen Kolonie im damaligen Palästina, kehrte aber wegen der widrigen Umstände dort und einer Erkrankung des inzwischen fünfjährigen Ciomas wieder nach Berlin zurück. Der Vater gründete eine Mineralwasserfabrik, wenige Jahre führten sie hier ein solides bürgerliches Leben. Das Naziregime und den Antisemitismus im Land sahen die Eltern zwar mit großer Sorge, vertrauten aber lange auf vermeintlich preußische Tugenden wie Recht und Ordnung. Wie so viele Juden hofften sie, in Berlin besser vor Diskriminierung geschützt zu sein. Eine Auswanderung kam für sie, auch nach den Erfahrungen in Palästina, ebenso wenig in Frage wie später die Flucht in den Untergrund.

Unterdessen besuchte Cioma zunächst das Königstädtische Realgymnasium, 1937 wurde er als Jude zwangsweise in die Mittelschule der Jüdischen Gemeinde umgeschult. Sein künstlerisches Talent war bereits früh erkennbar, 1938/39 besuchte er die private Kunstgewerbeschule von Hausdorf. Seine Ausbildung zum Grafiker wurde durch die Zwangsverpflichtung zu Bauarbeiten und in der Uniform- und Waffenproduktion abgebrochen.

Am 13. Juni 1942 sollte Cioma Schönhaus zusammen mit seinen Eltern ins Konzentrations- und Vernichtungslager Lubljin-Majdanek verschleppt werden, wurde von der Deportation aber dank seiner Arbeitsstelle in der Rüstungsindustrie zurückgestellt. Ciomas Eltern Fanja und Boris Schönhaus und seine Großmutter Marie Bermann wurden mit dem 15. Ost-„Transport“ deportiert und in den Vernichtungslagern Sobibór und Majdanek ermordet.

Cioma Schönhaus blieb in Berlin. Wo immer er konnte, entzog er sich den Bestimmungen. Er verkaufte den Hausrat seiner Eltern, noch ehe die Nazis ihn beschlagnahmten, und hatte so etwas Geld zur Verfügung. Im Herbst 1942 begann er für andere im Untergrund lebende Juden Ausweise zu fälschen, indem er in echten Pässen Fotos austauschte und Stempel imitierte. Dabei arbeitete er mit dem Helferkreis um den Juristen und Widerstandskämpfer Franz Kaufmann zusammen, der Mitglied der Bekennenden Kirche in Berlin war. Viele deren Mitglieder spendeten ihre Ausweise und Kennkarten im Opferstock und meldeten sie später als verloren. Für seine Fälschungen erhielt Schönhaus von Kaufmann Lebensmittelkarten, mit deren Verkauf er sich eine scheinlegale Existenz unter verschiedenen Namen aufbauen konnte, zumindest für kurze Zeit. Doch bereits im August 1943 flog der Helferkreis durch eine Denunziation aus der Bevölkerung auf, Kaufmann wurde verhaftet und später im KZ Sachsenhausen ermordet.

Nun steckbrieflich von der Gestapo gesucht, floh Schönhaus schließlich Ende September 1943, getarnt als Wehrmachtssoldat auf Heimaturlaub und mit selbst gefälschten Papieren, auf einem Fahrrad über Stuttgart in die Schweiz, wo es ihm gelang, ein neues Leben aufzubauen. Von 1944 bis 1949 besuchte er die Kunstgewerbeschule in Basel und machte sein Diplom als Grafiker. Anschließend studierte er bis 1953 Germanistik und Psychologie, bevor er 1953 ein Atelier für Grafik und Kommunikation eröffnete, das er bis 2000 führte. Mit seiner Frau und vier Söhnen lebte er in der Nähe von Basel. Cioma Schönhaus starb am 22. September 2015, kurz vor seinem 93. Geburtstag. Zwei seiner Söhne wurden Musiker und gründeten die Klezmerformation „Bait Jaffe“, (hebräisch für „schönes Haus“, in Anlehnung an ihren Familiennamen).

Von den bis zu 7000 in Berlin Untergetauchten haben nur etwa 1700 die Verfolgungszeit überlebt.

Quelle: Cioma Schönhaus: „Der Passfälscher. Die unglaubliche Geschichte eines jungen Grafikers, der im Untergrund gegen die Nazis kämpfte“. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2004

04.10.2022, 17:02

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