Das Mysterium der Cosa Nostra

Biografie Als jüngstes von 17 Kindern wurde er 1921 in Palermo in eine arme Familie geboren, heiratete früh und hatte mit 16 Jahren bereits zwei Söhne. Seine kriminelle Karriere begann er 1945 und stieg dann schnell in der Hierarchie der Cosa Nostra auf ...
Cristina Buscetta (Maria Fernanda Candido).
Cristina Buscetta (Maria Fernanda Candido).

Foto: Fabio Lovino/ Pandora Film Verleih

Tommaso Buscetta

gespielt von Pierfrancesco Favino

... Verfolgt von der italienischen Justiz, floh er 1963 zunächst in die USA, und dann nach Brasilien. Er galt fortan als Boss der zwei Welten.

Aber Buscettas Reich sollte zusammenbrechen. Er wurde von der brasilianischen Polizei verhaftet und nach Italien überstellt. 1980 gelang ihm die Flucht aus dem Gefängnis in Turin, und er kehrte nach Brasilien zurück, um dem Mafiakrieg zu entgehen. Begleitet wurde er von seiner dritten Frau Cristina, einer jungen Brasilianerin, mit der er weitere zwei Kinder bekam. Dort wurde Buscetta erneut von der brasilianischen Polizei verhaftet und grausam gefoltert. Zutiefst betroffen von den Hinrichtungen von ihm nahestehenden Menschen, insbesondere von den brutalen Morden an seinen beiden ältesten Söhnen, versuchte er, sich mit Gift das Leben zu nehmen. Er wurde in letzter Minute gerettet und 1984 nach Italien ausgeliefert. Zurück in Italien fällte er die Entscheidung, die sowohl sein Leben als auch die Mafia verändern würde: Er traf sich mit Richter Falcone und begann, mit der Justiz zu kooperieren. Die Informationen, die Buscetta den italienischen Behörden lieferte, waren so gravierend und umfassend wie noch nie zuvor: Erstmals gelang es, die Cosa Nostra ernsthaft zu schwächen. Im sogenannten „Maxi-Prozess“ von Palermo wurden 475 Personen angeklagt. Als Kronzeuge ging Buscetta mit seinen Aussagen ein erhebliches Risiko ein. Er machte sich die mächtige Cosa Nostra zum Feind und hielt trotz der Gefahr unbeirrt an seinem Kurs fest: „Früher hatte die Cosa Nostra nichts mit der perversen Organisation zu tun, die sie heute ist. [...] Ich habe mich entschlossen, mit dem Staat zusammenzuarbeiten, damit niemand mehr an die Würde und Ehre der Cosa Nostra glaubt. Diese Werte sind unter einem Berg unschuldiger Opfer begraben.“ Die kriminelle Vereinigung war für die Ermordung seiner zwei Kinder sowie weiteren Familienangehörigen und Freunden verantwortlich. Der Prozess endete mit 360 Schuldsprüchen.

1992 wurde Richter Falcone ermordet. Buscetta entschloss sich, noch einen Schritt weiter zu gehen und legte Verbindungen zwischen der Mafia und italienischen Politikern offen. In seinen Enthüllungen warf er mächtigen Männern wie Giulio Andreotti, dem früheren italienischen Ministerpräsidenten, Verwicklungen mit der Mafia vor. Zu seinem Schutz und um Frieden in der Anonymität zu finden, veränderte er sein Aussehen mithilfe von kosmetischen Operationen. Er ging zunächst nach Brasilien und dann in die USA, wo er den Rest seines Lebens unter der Obhut des US-amerikanischen Zeugenschutzprogramms verbrachte.

Buscettas größter Triumph jedoch war vielleicht sein Ende: Nach einem Leben, in dem Morde und Racheakte an der Tagesordnung waren, war ihm selbst ein friedliches Lebensende vergönnt. 2000 starb er eines natürlichen Todes an einer Krebserkrankung.

Cristina Buscetta

gespielt von Maria Fernanda Candido

Maria Cristina de Almeida Guimarães war Buscettas dritte und letzte Ehefrau und Mutter seiner jüngsten Kinder. Sie war Brasilianerin und wesentlich jünger als er. Sie war leidenschaftlich, stark, hatte einen klaren Kopf, war immer präsent und hob sich von den gewöhnlichen Frauen der Mafiosi ab, die im Schatten ihrer Ehemänner lebten. Cristina war umtriebig, intelligent und eigenständig – sie gab Buscetta Rückhalt in seinem Leben und war maßgeblich an seiner Entscheidung, die Mafia zu verraten, beteiligt..

Totó Riina

gespielt von Nicola Calí

Salvatore Riina, auch bekannt als Totò Riina, wurde 1930 in Corleone geboren und starb 2017 in Parma. Er trug die Spitznamen Totò u Curtu (sizilianisch für „der Kurze“) wegen seiner geringen Körpergröße (158 cm) und La Belva („das Biest“) aufgrund seiner Brutalität.
Totò war eines der einflussreichsten Mitglieder der sizilianischen Mafia. Er selbst tötete im Verlauf seiner kriminellen Karriere etwa 40 Menschen, und es wird vermutet, dass 110 weitere Morde in seinem Auftrag geschahen. In den 80er Jahren und Anfang der 90er gingen Riina und sein Familienclan, die Corleonesi, in einem gnadenlosen Krieg gegen rivalisierende Gangs und den italienischen Staat vor; im Abstand von nur zwei Monaten wurden 1992 die Richter und Mafia-Jäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino ermordet. Der Mafiaterror breitete sich unter der Bevölkerung aus und veranlasste den Staat zu harten Gegenmaßnahmen. So konnten Riina und einige Mafiosi aus seinem Umfeld 1993 festgenommen und hinter Gitter gebracht werden. Riina wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und starb 2017 an Krebs. Zuvor war eine Haftverschonung aus gesundheitlichen Gründen in Erwägung gezogen wurden, was eine Welle der Empörung in Italien ausgelöst hatte.

Totuccio Contorno

gespielt von Luigi Lo Casio

Salvatore Contorno, bekannt als Totuccio Contorno (geboren am 20. Mai 1946 in Palermo), war ein ehemaliger Mafia-„Soldat“ unter dem Kommando von Stefano Bontade. Später wurde er Zeuge im Maxi-Prozess. Contornos „Initiation“ in die Cosa Nostra fand 1975 statt. Er war einer von Bontades Lieblingskillern und hatte auch Verbindung zu Tommaso Buscetta. Die Corleonesi wollten Contorno während des Mafiakriegs beseitigen, aber er konnte fliehen und seine Familie schützen. Er entschloss sich, Buscettas Beispiel zu folgen und mit den italienischen Behörden zusammenzuarbeiten.

Pippo Calò

gespielt von Fabrizio Ferracane

Pippo Calò – sein richtiger Name war Giuseppe Calò – wurde am 30. September 1931 in Palermo geboren. Das äußerst einflussreiche Mitglied der Cosa Nostra trug wegen seiner Beteiligung an zahlreichen Geldwäscheaktivitäten den Spitznahmen Kassierer der Mafia. Obwohl er einst ein enger Freund von Tommaso Buscetta war, schlug er sich Anfang der 80er Jahre auf die Seite von dessen Erzrivalen Totò Riina. Nach mehreren Jahren auf der Flucht wurde er am 30. März 1985 verhaftet und im Maxi-Prozess von Palermo wegen Geldwäsche für die Mafia, Mord und Erpressung angeklagt. Das Urteil lautete zweimal lebenslänglich. Selbst im Gefängnis blieb er weiterhin ein aktives Mitglied der Cosa Nostra und führte auch dort ein Luxusleben, in dem weniger einflussreiche Mitgefangene als seine Handlanger und Diener fungierten. Auf Pippo Calòs Konto geht u.a. der Anschlag von 1984 auf einen Schnellzug von Neapel nach Mailand, mit 15 Todesopfern und 116 Verletzten.

Giovanni Falcone

gespielt von Fausto Russo Alesi

Giovanni Salvatore Augusto Falcone wurde am 18. Mai 1939 in Palermo geboren und am 23. Mai 1992 in Capaci ermordet. Er war ein italienischer Richter, der sich der Bekämpfung der Mafia verschrieben hatte. Totò Riina, der Boss des Corleonesi-Clans, war der Auftraggeber für den Mord an Falcone. Falcone wurde 1984 bekannt, als er die Ermittlungen basierend auf den Aussagen eines der wichtigsten Informanten der Cosa Nostra, Tommaso Buscetta, leitete. Auf der Grundlage von Buscettas Aussagen eröffnete Falcone 1986 in Palermo den Maxi-Prozess, den er zusammen mit seinem Freund Paolo Borsellino in Gang gesetzt hatte – Borsellino wurde nur wenige Monate nach Falcone ermordet. Palermos Strafgerichtssaal war nicht groß genug für die 475 Angeklagten, deshalb wurde ein neues Gerichtsgebäude, genannt „der Bunker“, extra für das Verfahren gebaut. Falcone bat um zusätzliche Mittel für den Kampf gegen die Mafia, aber deren Bewilligung verzögerte sich. Giovanni Falcone wurde zum Held und zu einer Ikone in ganz Italien – allerdings auch zum Feind Nummer eins und Ziel der Cosa Nostra. Seine Polizei-Eskorte war nicht ausreichend, um ihn vor seinen Mördern zu schützen. Am 23. Mai 1992 wurde er von der Cosa Nostra im Massaker von Capaci ermordet.

01.08.2020, 16:00

Film: Weitere Artikel


Virtuoser Mafia-Film

Virtuoser Mafia-Film

Zum Film „Il Traditore“, der bereits mehrfach ausgezeichnete neue Spielfilm des italienischen Regisseurs Marco Bellocchio erzählt die Geschichte des ersten hochrangigen Mafiaboss der sizilianischen Cosa Nostra. Ein Film, der unter die Haut geht ...
Von Verrat und Veränderung

Von Verrat und Veränderung

Kommentar Die Frage, ob ein Mensch sich wahrhaftig ändern kann und ob diese Veränderung eine Art der Heilung darstellt, ist ein wiederkehrendes Thema in „Il Traditore“. Der Regisseur über die Geschichte des wohl bekanntesten Gesichts der sizilianischen Mafia
Intensives Biopic

Intensives Biopic

Netzschau „[W]ie sich das Geschehen im grossen zweiten Akt in den Gerichtssaal verlagert, gelingt ihm ein beissendes Spektakel. Er schildert die Maxi-Prozesse als gewaltiges Chaostheater, fast fellinimässig überdreht.“

Il Traditore | Trailer

Video Offizieller „Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra“ -Trailer. Der neue, bereits vielfach ausgezeichnete Spielfilm des italienischen Regisseurs Marco Bellocchio


Il Traditore | Szene

Video Szene aus „Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra“, einem Film-Epos eines der vielseitigsten italienischen Regisseure, der das europäische Kino entscheidend mitgeprägt hat


Il Traditore | Interview

Video Brilliantly capturing an epochal event in contemporary Italian history, The Traitor is also a complex portrait of a man who, while believing that he has abided all along by a strict code of honour, can never escape his own misdeeds ...


Macht und Einfluss der ital. Mafia | Doku

Video Dokumentation über die italienische Mafia („Cosa Nostra“), einer wahrscheinlich seit dem 19. Jahrhundert existierenden Verbrecherorganisation, die vor allem auf Sizilien seit Jahrzehnten die Bürger*Innen in Angst und Schrecken versetzt